Zeitschrift EE

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2002-03: Passivhäuser

Gebaute Beispiele

Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines ökologischen und energieeffizienten Stadtentwicklungskonzepts war die Notwendigkeit für die Stadt Grieskirchen eine neue HTL für Informatik, zwei Hauptschulen, einen Polytechnischen Lehrgang und eine Bezirkssporthalle samt dazugehörigen Freiflächen, neu zu errichten. Strukturelle Anpassungen und eine neue Positionierung in der Region verlangte nach neuen Konzepten und Zielformulierungen.

Passivhaustauglicher Städtebau am Beilspiel Grieskirchen Parz

Von Helmut Poppe*

Mit dem vorgeschlagenen Stadtentwicklungskonzept Grieskirchen-Parz werden die Positionen nachhaltige Stadtplanung und Stadtgestaltung, engergieeffizientes Bauen und Ökologie im gesamtheitlichen Kontext erfasst und zusammengeführt. In einem prozesshaften Planungsverfahren werden vorerst vorhandene Potenziale identifiziert und auf festgelegte Zielformulierungen (ökosozial und energieeffizient) abgestimmt. Die Grundlagen energetischer und ökologischer Aspekte können umfassend behandelt und langfristig angelegt werden, wenn sie sich aus dem Fundus des Städtebaus heraus entfalten. Damit scheint auch die Tragfähigkeit qualitativer Ansätze richtungsweisender Stadtbaukonzepte gestärkt, zumal Ansätze ökologischer bzw. energetischer Anforderungen an die Stadtgestaltung oft als unvereinbares Gegensatzpaar dargestellt werden. Das Stadtentwicklungskonzept umfasst neben energetischen und ökologischen Aspekten auch die Insenzierung räumlicher Abfolgen, der Gestaltung der Freiräume und Straßen, ein effizientes Fuß- und Radwegenetz und die Einbindung städtischer Kontakt- und Kommunikationsräume.

Die Bezirkshauptstadt Grieskirchen hat 5.000 Einwohner und befindet sich etwa 50 Kilometer westlich der Landeshauptstadt Linz.
Das Gesamtgebiet ist vorwiegend agrarisch geprägt, mit einem hohen Anteil an Industrie und Gewerbe (Anteil der Arbeitsplätze 4600). Die Gesamtfläche des Stadtgebietes beläuft sich auf 11,7 km² (1170 Hektar).
Das 32 Hektar große Neuplanungsgebiet liegt in einer leichten Hügellandschaft nördlich des Trattnachtales in unmittelbarer Nähe zum historischen Zentrum im Süden und dem Schloss Parz im Osten. Der westliche Teil ist durch das Bundesrealgymnasium und dem künftigen Schulbezirk begrenzt. Im Norden des Entwicklungsgebietes befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen und das Naherholungsgebiet Fraunholz.

Das Ziel der Reduktion der Energiekosten durch einen möglichst hohen Anteil an Gebäuden in Passivhausqualität, die Minimierung des Flächenverbrauchs durch höhere Dichte und Kompaktheit der Gebäude und eine Maximierung der Lebensqualität durch ökologsiche Passivhausbauweise, ein hochwertiges Lebensumfeld durch mehr Grün und weniger Versiegelungflächen, etc. führt zu einer ALL WINNER STRATEGIE:
Die Gemeinde gewinnt durch eine kostensteuernde Optimierung der Erschließung, die Reduktion der laufenden Kosten, der Imagezugewinn und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit.
Die Betreiber und Eigentümer gewinnen durch eine bessere Vermarktbarkeit, einer Mitgestaltungsmöglichkeit im Planungs- und Umsetzungsprozess und durch Öffentlichkeitspräsenz.
Die An- und Bewohner gewinnen durch Synergieeffekte, wie die Anbindung an Naherholungsbereiche, ein sicheres und solides Wohnumfeld, hohe Aufenthaltsqualität, differenzierte Außenräume, ein attraktives Fuß- und Radwegenetz (s. Abbildung 1), eine Stadt der kurzen Wege, Ökologie und gesundes Wohnen, minimale Heizenergiekosten von 80 - 100 €/Wohneinheit und Jahr, etc..
Die Umwelt gewinnt durch einen hohen CO2 Minderungsfaktor durch die Minimierung des Verkehrsaufkommens (MIV) und die drastische Senkung des Heizenergieverbrauchs und durch Bodenressourceneinsparung.
Die Wirtschaft gewinnt durch regionale Wertschöpfung, Wettbewerbsvorsprung bei innovativen Technologien, eine Dynamisierung durch Öffentlichkeitspräsenz, eine Aufwertung des Wirtschaftsstandortes, moderne Technologien und höherer Standortqualität.

Abbildung 1: Das Fuß- und Radwegenetz reduziert den Autoverkehr und schafft eine Stadt der kurzen Wege

Abbildung 2: Durch die kompakte Grundstruktur wird eine Reduktion der Energiekosten, die Minimierung des Flächenverbrauchs und eine Maximierung der Lebensqualität erreicht

Zur Umsetzung dieser Stategie war es von Beginn an notwendig, die Bereiche Stadtplanung, Architektur, Verkehr, Frei- und Grünraumplanung, Energie, Ökologie, Abfall, Wasser und Abwasser aufeinander abzustimmen und zu optimieren. Im laufenden Planungsprozess wurden generelle Anforderungen definiert, die kontinuierlich mit politischen Vertretern, Investoren und Grundeigentümern wechselseitig abgestimmt wurden.

Städteplanerisches Anforderungsprofil

Die Schwerpunkte des Stadtentwicklungsprozesses liegen im wesentlichen in der Grundlagenforschung und der Weiterentwicklung bestehender Potenziale, wie die Frei- und Naturerholungsräume und die Nähe zum historischen Stadtkern und in der Übereinstimmung der Entwicklungsstrategie zwischen Bestand und Neuplanung. Das städteplanerische Anforderungsprofil wurde in allen Planungsphasen auf die energetische Aufgabenstellung (Passivhaustauglichkeit) hin überprüft. Dafür sind eigene Struktur- und Gebäudtypen (z.B.A/V Verhältnis - großvolumige Gebäude ost/west orientiert) definiert worden, um eine monotone Südorientierung zu vermeiden.

Energieeffiziente städteplanerische Anforderungen

Abbildung 3 a b c: Um eine möglichst gute Nutzung der Solarstrahlung auch bei sehr tiefem Sonnenstand im Winter sicherzustellen, wurde bei der Planung den Höhen und Mindestabständen von Gebäuden und Bepflanzungen besonderen Aufmerksamkeit geschenkt.

Um qualitative (Lebensqualität, Behaglichkeit, usw.) und quantitative Anforderungen (Energiekennzahlen, Versiegelungsgrad, usw.) zu bestimmen, wurden für die jeweiligen Bereiche Grundregeln entwickelt, die zur Sicherung dienen. Auf das Passivhaus bezogen sind das Mindestabstands- und Höhenbestimmungen, um direkte Sonneneinstrahlung bei 18° Einfallswinkel zu gewährleisten. Dies gilt für Gebäude wie auch für Bepflanungen (z. B. Alleen). Darüber hinaus wurden für erhöhte Anforderungen der Exposition Topografie, usw. Gebäudetypen definiert, die den gestellten Anforderungen gerecht werden.

Abbildung 4: Übersicht über die geplante Gebäudestruktur des Neubaugebietes Grieskirchen Parz

Aus den durchgeführten Untersuchungen heraus wurde in bezug auf Energie, Ökologie und Ästhetik eine Umsetzungsstrategie entwickelt, die auch Mindeststandards beinhaltet. Bezüglich energieeffizientem Bauen bedeutet dies, dass die maximale Energiekennzahl über das gesamte Planungsgebiet den Wert von 30 kWh/m²a nicht überschreiten darf. Ein Großteil des neuen Stadtraumes soll ohnehin in Passivhausqualität erstellt werden. Der erste Teil der Wohnbebauungen (SIP - Siedlungsmodell in Passivhausqualität) mit etwa 40 bis 60 Wohneinheiten erfolgt über das Büro Poppe*Prehal und wird durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) gefördert. Im westlichen Teil des Untersuchungsgebietes ist der Schulbezirk für etwa 1400 Schüler samt Freiflächen geplant. Ziel ist es, die Schulgebäude in Passivhausqualität zu errichten.
Zum Abschluss wird noch eine Gegenüberstellung der Siedlung Grieskirchen Parz mit der Sonnfeldsiedlung in Grieskirchen, die in den 1980er und 90er Jahren errichtet wurde, erläutert, um zu zeigen, welches enorme Einsparungspotenzial in der Siedlungs- bzw. Stadtentwicklung möglich ist.

Abbildung 5 a b: Gegenüberstellung von Flächenverbrauch pro Wohneinheit und laufenden Kosten für die Erschließungsstraßen in der Sonnfeldsiedlung und im geplanten Neubaugebiet Parz

Beim Flächenvergleich zwischen diesen beiden Siedlungen wird bei hochgerechneten gleichen Wohneinheiten aus Abbildung 5 erkennbar, dass eine "normale Einfamilienhaussiedlung" fast das dreifache an Fläche benötigt wie Grieskirchen Parz. Noch eklatanter ist der Unterschied bei den Laufmetern Infrastruktur pro Parzelle. Durch einen teppichartigen Grundstückszuschnitt, lässt sich der Aufwand hier fast auf ein Viertel reduzieren. Die laufenden Kosten der Erschließungsstraßen für den motorisierten Individualverkehr können durch ein effizientes Erschließungssystem und autofreien Zonen in Grieskirchen Parz auf ein sechstel reduziert werden.

Abbildung 6: Die Umwelt gewinnt durch einen hohen CO2 Minderungsfaktor durch die Minimierung des Verkehrsaufkommens (MIV) und die drastische Senkung des Heizenergieverbrauchs und durch Bodenressourceneinsparung.

Abbildung 7: Vergleich der Heizkosten bei unterschiedlichem Baustandard

Daraus ergibt sich auch ein enorm großes Einsparungspotential bei den zurück zu legenden Kilometern (Abbildung 6). Dabei muss man berücksichtigen, dass durch die kürzeren Wege, diese leichter und öfter zu Fuß oder mit dem Rad bewältigt werden, gerade auch dann, wenn ein attraktives Fuß- und Radwegenetz vorhanden ist.
Die Gegenüberstellung der Jahresheizkosten in Abbildung 7 zeigt die enormen Unterschiede zwischen einem Passivhaus und Standardgebäuden . Mit ca. 90 € Heizkosten pro Jahr braucht das Passivhaus gerade einmal einen Bruchteil von konventionellen Gebäuden.
Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass es mit entsprechender Planung möglich ist, den Ressourcenverbrauch und den CO2 - Ausstoß um ein Vielfaches zu verringern. Energieeffizientes Bauen ist längst aus dem Bereich des Experimentierfeldes und einer Nischensituation herausgetreten und hat sich längst als Wirtschaftsfaktor in vielen Bereichen etabliert. Zusätzlich ermöglicht dieses Konzept eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität.

*) Mag. arch. Dr.. Helmut Poppe betreibt gemeinsam mit Mag. arch. Andreas Prehal das Büro Poppe*Prehal Architekten in Linz und Steyr. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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