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2002-03: Passivhäuser

Passivhäuser

Ein Passivhaus bietet höchste Behaglichkeit, ist nachhaltig im eigentlichen Wortsinn, mit nur geringen Mehrkosten verbunden und ist architektonisch vielfältig. Dadurch ist ein Passivhaus für alle Bevölkerungsgruppen ein "Haus der Zukunft - heute möglich".

Das Passivhaus - Wohnkomfort mit Europaformat

Von Helmut Krapmeier*

Ein Passivhaus hat eine derart hervorragende Architektur kombiniert mit einem exzellenten nahezu wärmebrückenfreien Wärmeschutz und eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung, das auf ein konventionelles Wärmeabgabesystem (Heizkörper vor dem Fenster) verzichtet und die zwar sehr geringfügige aber immer notwendige Raumerwärmung über das bei einem Passivhaus ohnehin vorhandene automatische Lüftungssystem zugeführt werden kann.
Zwei zentrale Grundgedanken kennzeichnen das Passivhauskonzept: "Was nicht verloren geht, muss auch nicht ersetzt werden" und "Höchste Effizienz bei allen Energieumwandlungen".
Technisch lässt sich dieses Konzept für unsere zentraleuropäische Klimazone durch mehrere Kennwerte definieren:

Max. 10 W/m²
abgefragte spezifische Heizlast im bewohnten Zustand
Max. 15 kWh/(m²a)
spezifischer Heizwärmebedarf (berechnet mit PHPP)
Max. 42 kWh/(m²a)
spezifischer Gesamt-Endenergiekennwert
Max. 120 kWh/(m²a)
spezifischer Gesamt-Primärenergiekennwert

m² = beheizte Wohnnutzfläche
Gesamt = alle Energiedienstleistungen im Haushalt (Heizung, Warmwasser, Lüftung, Pumpen, Ventilatoren, Licht, Kochen und Haushaltgeräte).PHPP = Passivhaus Projektierungs-Paket, basierend auf der EN 832.

Hinweis: In diesem Bericht beziehen sich die m² auf die beheizte Nettowohnnutzfläche, während in einigen Bundesländern (z.B. Vorarlberg) als m² Energiebezugsfläche die beheizte Bruttogeschossfläche verwendet wird. Das ist ein Unterschied von ca. 1,4. Bei den Berechnungsgrundlagen werden häufig wesentlich höhere Werte für intern nutzbare Wärmequellen verwendet als beim Passivhaus [3,0 W/m²BGF =» 4,2 W/m²WNF (OIB) statt 2,1 W/m²WNF(PHPP)]. Alleine durch diese Bezugsgrößenunterschiede "sinkt" der Heizwärmebedarf von 15 kWh/(m²a) berechnet mit PHPP bei Berechnung mit anderen Methoden auf z. B. 7 bis 8 kWh/(m²×a)! 15 kWh/(m²×a) sind daher nicht mit 15 kWh/(m²×a) ident!

Drei Aspekte sprechen für das Passivhaus:
  1. höchste Behaglichkeit für die Bewohner im Sommer wie im Winter
  2. Nachhaltigkeit im eigentlichen Wortsinn: "Verbesserung der Lebenssituation der gegenwärtigen Generation ohne Gefährdung der Lebenschancen zukünftiger Generationen" (Brockhaus, 20. Ausgabe)
  3. Ökologisch und ökonomisch zugleich ist ein Passivhaus auch für Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen möglich. Die investiven Mehrkosten bewegen sich mit derzeit rund 8% im üblichen Schwankungsbereich der Errichtungskosten, Tendenz sinkend.

Behaglichkeit der Spitzenklasse

Der Mensch empfindet bereits einen Temperaturunterschied von nur zwei Grad als unangenehm, vier Grad als sehr unangenehm. In einem Passivhaus sind die Temperaturen der Umschließungsflächen auch bei sehr kalten Außentemperaturen von minus 10°C noch oberhalb der Empfindlichkeitsschwelle. Die inneren Oberflächen der Außenwände und Fußböden zum Keller sind nur um 0,5 bis 1 Grad kühler als die Raumlufttemperatur. Die inneren Oberflächen der Passivhausfenster sind um 2 bis 3 Grad kühler als die Raumlufttemperatur. Diese hohe Behaglichkeit wird bei Häusern, die nicht mit dem Energiestandard eines Passivhauses errichtet sind, nur mit Heizkörpern unter dem Fenster oder einer Fußbodenheizung vor bodentiefen Fenstern erreicht. Durch den hohen Wärmeschutz der Gebäudehülle, durch die Ausstattung mit energieeffizienter Haustechnik und Ausstattung des Haushaltes mit stromsparenden Geräten bleibt es in einem Passivhaus während Hitzeperioden im Vergleich zu anderen Häusern angenehm kühl ohne jedoch eine Kühlanlage installieren zu müssen.

Die Luft ist immer frisch

In einem Passivhaus garantiert eine automatische zugfreie Frischluftzufuhr dafür, dass immer für ausreichend frische Luft gesorgt ist; auch bei längerer Abwesenheit oder nachts. Erst eine automatische Frischluftzufuhr ermöglicht eine einfache und preiswerte Wärmerückgewinnung der Wärme, die bei der üblichen Fensterlüftung unwiederbringlich verloren geht.
In Passivhäusern können lärmgeplagte Menschen besser schlafen, weil das automatische Lüftungssystem für eine dauerhafte Frischluftzufuhr sorgt und die Fenster daher nachts geschlossen bleiben können.

Abbildung1: Das Mehrfamilienpassivhaus mit 25 Wohneinheiten in Kuchl, Salzburg wurde in Mischbauweise aus Stahlbeton und Holzleichtbauelementen errichtet.

Passivhäuser sind krisensicher

Ein Passivhaus kühlt nur sehr langsam aus: in den ersten Tagen ein paar Grad und dann täglich nur mehr ein halbes Grad. Kälter als plus 15°C wird es kaum in einem Passivhaus (außer die Fenster stehen offen). Nach dieser kritischen Wetterperiode wird es entweder wärmer und sonniger oder kälter und sonniger. In beiden Fällen ist die kritische Zeit dann vorbei.
Passivhäuser sind zukunftsfähig
"Ist bei 30cm und manchmal mehr Wärmedämmung der Energieaufwand für die Herstellung höher als die Einsparung?" lautet eine häufig gestellte Frage. Der Mehraufwand an Material für ein Passivhaus ist gering. Untersuchungen am IWU (Institut Wohnen und Umwelt), des Ökologieinstitut in Wien und mit OGIP von Intep in der Schweiz haben gezeigt, dass eine umfassende Ökobilanz von gebauten Passivhäusern positiv ausfällt.
Architektonische Vielfalt
Einem Passivhaus sieht man nicht zwangsläufig an, dass es ein Passivhaus ist. Passivhäuser gibt es als freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser, Geschosswohnbauten, Bürogebäude, Kindergärten, Schulgebäude. Es gibt sie mit Flachdach, mit Satteldach, mit Pultdach und mit Walmdach.

Abbildung 2: Das Vierfamilienhaus in Egg, Vorarlberg wurde als Massivbau ausgeführt. Das Wärmedämmverbundsystem wurde außen mit Holz gegen die Witterung geschützt.

Hervorragendes Kosten/Nutzen-Verhältnis

Der Wohnwert wie auch der Gebäudewert eines Passivhauses ist durch die hochwertige Gebäudehüllenqualität deutlich höher als bei konventionellen Häusern. Durch die hohe thermische Qualität der Gebäudehülle und die Lüftungswärmerückgewinnung entfällt die Notwendigkeit, Heizkörper im Außenwandbereich und unter den Fenstern platzieren zu müssen. Die Wärme kann den Räumen zusammen mit der frischen Luft zugeführt werden. Die Kosten für die Heizkörper, die Leitungen etc. entfallen, die Kosten für Heizmittellagerung sind geringer und entfallen gänzlich z.B. bei Einsatz eines Kompaktaggregates.

Südorientierte Passivhäuser sind Solarhäuser

Nach Ausschöpfung der Effizienzpotenziale deckt die passive Nutzung der Sonneneinstrahlung, die durch die für eine ausreichende Belichtung ausgelegten Passivhausfenster hereinkommt, etwa 40% des verbleibenden Wärmeverlustes. Südorientierte Passivhausfenster lassen mehr Sonnenwärme durch die Fenster herein, als durch sie verloren geht. Eine Südorientierung ist zwar sinnvoll, ist aber nicht zwingend notwendig für die Funktionsfähigkeit des Passivhauskonzeptes.

Die Mini-Heizung im Passivhaus

Die zu beheizenden Räume brauchen - kaum vorstellbar - nur noch 6 bis 10 Watt/m² maximal notwendige Heizleistung. Das heißt: 10 Watt x 30m² (Wohnzimmer) = 300 Watt. Das entspricht 10 Teelichtern. 10 Watt x 100m² (Reihenhaus) = 1.000 Watt bzw. 1 KW Heizleistung bei kalten Außentemperaturen. Selbstverständlich kann die Raumwärmezufuhr auch über übliche Heizflächen (Fußboden-, Wand-, Deckenheizung, Plattenheizkörper, Radiatoren, ...) erfolgen. Die Lage der Heizflächen ist aufgrund der hohen thermischen Qualität der Fenster unabhängig vom Fenster. So könnte ein kleiner Plattenheizkörper neben oder über der Zimmertüre oder an der Decke platziert sein. Damit werden die Heizleitungen kürzer, der spätere Erneuerungsaufwand geringer. Vorteil: individuelle Raumtemperaturen sind dadurch möglich. Nachteil: höhere Investitionskosten gegenüber der Wärmezufuhr über die Frischluft.

Abbildung 3:Schemazeichnung des Passivhaus - Haustechnik-Konzeptes

Die kalte Frischluft kann in einem Erdreich-Wärmetauscher (parallele Kunststoffrohre im Erdreich unter der Bodenplatte) vorgewärmt werden und gelangt zum Lüftungsgerät mit Luft/Luft-Wärmetauscher im Keller. Dort gibt der Abluftstrom aus Küche und Bad Wärme an die kalte Frischluft ab, die im Fall der Frischluftheizung auf das notwendige Maß erwärmt in einem Leitungsnetz als (warme, frische) Zuluft in die Aufenthaltsräume verteilt wird. Die im Wärmetauscher abgekühlte Abluft wird als Fortluft ins Freie geführt.

Das Warmwasser im Passivhaus

Auch für das Warmwasser gilt der Grundsatz des Passivhaus-Konzeptes "doppelter Komfort bei einem Bruchteil des Energieverbrauches". Wassersparende Armaturen, wärmedämmende Badewannenträger, eine nach oben geschlossene Duschkabine oder eine zielgerichtete Infrarot-Heizung, Aufstellung des Warmwasserspeichers und Verlegung möglichst aller Warmwasserleitungen innerhalb des beheizten Gebäudeteils, kurze Installationswege für das Warmwasserleitungsnetz, sehr gute ("doppelt dicke") Dämmung des Warmwasserspeicher und aller wärmeführenden Leitungen, die Verwendung wassersparender Geräte (Waschmaschine, Spülmaschine) mit Warmwasseranschluss verringern den Wärmebedarf um die Hälfte und mehr. Der verbleibende Bedarf sollte in den Sommermonaten durch eine Solaranlage gedeckt werden.

Der Wärmeerzeuger für warme Räume und warmes Wasser

Als Wärmeerzeuger sind sämtliche bekannte Systeme auch für Passivhäuser möglich, soferne sie in der Lage sind, so geringe Heizleistungen zu erzeugen und sofern sie dem Effizienzkriterium der Passivhausqualität entsprechen. Das ist bei den meisten auf dem Markt befindlichen Geräten nicht der Fall. Auch ein noch so effizienter Motor für eine Motorjacht ist als Hilfsmotor für ein Segelboot falsch eingesetzt und wird unnötig mehr Treibstoff verbrauchen. Weil der gesamte Endenergiebedarf für Raumheizung und Warmwasser so gering ist, kann mit wesentlich geringeren Flächen (Solarthermie, Photovoltaik, Windflügel) eine 100%-ige Jahresdeckung erreicht werden. Der Bedarf an Biomasse ist für Passivhäuser so gering, dass diese nachhaltig zur Verfügung steht, was bei der Umstellung eines Ölkessels auf Holz in einem Althaus nicht der Fall ist.

Stromeffizienz im Passivhaus

Das Grundkonzept des Passivhauses: "Bereitstellung der Dienstleistung mit möglichst niedrigem Gesamt-Energieaufwand" hat auf für den Haushalt vier zentrale Vorteile:
1.: Die Stromverbrauchskosten sind auf Dauer der Gerätenutzung um bis zu 80% geringer. 2.: Die Abwärme ist entsprechend niedriger. 3.: der dadurch geringere Wärmebeitrag aus elektrischer Abwärme bewirkt kühlere Raumtemperaturen im Sommer. 4.: bei Stromausfall hält das Tiefkühlgerät länger durch, die Lebensmittel verderben später.
Eine Photovoltaikanlage kann zur Deckung des jährlichen Stromverbrauches damit auch um bis zu 80% kleiner und damit kostengünstiger dimensioniert werden.

Abbildung 4: Elektrizitätsverbrauch, 4-Personen-Hauhalt

Abbildung 5: Ökonomie des Passivhauses, Quelle: Passivhausinstitut Dr. W. Feist

Bei einem Passivhaus entstehen jedoch nicht nur Mehrkosten für die thermisch bessere Gebäudehülle und die Wärmerückgewinnung aus der verbrauchten Raumluft, sondern auch Minderkosten bei der Errichtung des Gebäudes: Auf Heizkörper, Heizkörperventile und die Zuleitungen kann verzichtet werden. Je nach Heizsystem erspart man sich auch den Kamin und den Tankraum. Zumindest wird der Tankraum wesentlich kleiner. Bei einem Geschoßwohnbau können alle Notkamine entfallen, denn ein Passivhaus ist krisensicher.

Zufriedenheit der BewohnerInnen

Das Institut Wohnen und Umwelt, das Institut für Umweltkommunikation Lüneburg und die Universität Kassel haben sozialwissenschaftliche Begleitstudien zu Passivhausprojekten durchgeführt. Diese Berichte sind öffentlich verfügbar und liefern als Ergebnis: Die Zufriedenheit der BewohnerInnen in Passivhäusern ist sehr hoch. Viele BewohnerInnen wünschen sich dennoch eine höhere Raumluftfeuchtigkeit. Es sind keine Hinweise zu finden, die auf prinzipielle Mängel des Konzeptes hindeuten. Im Gegenteil, vor allem das thermische Wohlbefinden und die hohe Luftqualität werden von den BewohnerInnen besonders geschätzt.

Guter Wärmeschutz und Kompaktheit der Außenhülle U<= 0,15 W/(m²K) wärmebrückenfrei
Superverglasung und Superfensterrahmen Uw <= 0,8 W/(m²K), g-Wert um 50 %
Luftdichtheit n50 <= 0,6 pro Stunde
Wärmerückgewinnung aus der Abluft Wärmebereitstellungsgrad >= 75 %
Energiespargeräte Hocheffiziente Stromspargeräte für den Haushalt
Südorientierung und Verschattungsfreiheit Passive Solarenergienutzung
Brauchwassererwärmung regenerativ Solarkollektor oder Wärmepumpe
Passive Luftvorerwärmung Optional: Erdreichwärmeüberträger, Lufttemp. auch im Winter >= 5°C

Tabelle 1: Die wesentlichsten Grundsätze für den Bau von Passivhäusern

Internet-Links zum Thema Passivhaus
www.energieinstitut.at
www.cepheus.at
www.cepheus.de
www.passiv.de oder www.passivehouse.com
www.passivhaus-info.de
www.passiv.at
www.passivehouse.at

 

*) Arch. Dipl.-Ing. Helmut Krapmeier ist Mitarbeiter des Energieinstitut Vorarlberg, Dornbirn; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.energieinstitut.at, www.cefeus.at [^]

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