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2002-04: Ökostrom

Ökostrom

Greenpeace/fotograf

Seit der Liberalisierung des österreichischen Strommarktes sind die österreichischen Energieversorgungsunternehmen (EVU) einer neuen Lage ausgesetzt.

Ökostrom vom Energieversorger

Von Jurrien Westhof*

Wo sie zuvor alle Stromkunden in ihrem Versorgungsgebiet mit Strom belieferten, und sich über Konkurrenz · und somit über Wettkampf, Marketing und Werbung · nicht allzu viele Gedanken machten mussten, müssen sie seit dem 1. Februar 1999 um Großkunden, und seit dem 1. Oktober 2001 auch um die Haushaltskunden kämpfen.
Um in dieser Marktlage überleben und wachsen zu können, müssen bestehende Kunden gebunden und neue Kunden beim Konkurrenten weggelockt werden. Man muss den Kunden also ein möglichst attraktives und maßgeschneidertes Produkt anbieten. Hierzu wird der Markt in verschiedene Segmente aufgeteilt. Jedes Segment bekommt dann ein Produkt, das am besten zu den Wünschen der Kunden in diesem Segment passt. Für viele Kunden gibt es nur ein Argument: den Preis. Sie wählen jenen Stromversorger, der den billigsten Strom anbietet. Ein Teil der Kunden ist mit Angeboten zu binden, die nicht direkt mit der Stromlieferung zu tun haben, wie Internet aus der Steckdose, Gratisstromtage, 24-Stundenservice für elektrische Geräte, oder andere Angebote. Für Großkunden, hauptsächlich Industrieunternehmen, aber auch Großabnehmer wie Krankenhäuser, große Bürogebäude oder Eisenbahngesellschaften, ist auch die Lieferbarkeit von gewissen Mengen zu einem gewissen Zeitpunkt essentiell. Und dann gibt es eine Kundengruppe, die Wert auf eine umweltfreundliche Erzeugungsweise ihres Stroms legt.

Stromproduktion in Österreich

Etwa 70% des in Österreich produzierten Stromes stammt aus Wasserkraft, hauptsächlich aus Großwasserkraft, und ca. 7% aus Kleinwasserkraft (Kraftwerke mit einer Leistung kleiner als 10 MW). Das heißt aber nicht automatisch, dass in Österreich verbrauchter Strom zu 70% aus Wasserkraft stammt, denn immer mehr Energieversorger sind am internationalen Strommarkt tätig. So wird einerseits immer mehr Strom im Ausland zugekauft, anderseits auch immer mehr Strom dort abgesetzt. Neben Strom aus Wasserkraft, gibt es auch Strom aus Wind, Biomasse, Biogas, Sonnenenergie und Erdwärme. Diese Energiequellen liefern in Österreich weniger als 1% des Stroms. Es gibt zwar ein großes Ausbaupotenzial, aber mit den derzeitigen Tarifen für die Einspeisung von Ökostrom ist mit einer raschen Zunahme nicht zu rechnen.
Um Kunden, die auf eine umweltfreundliche Erzeugungsweise ihres Stroms Wert legen, binden und festhalten zu können, muss man ihnen diesen Strom verkaufen, oder glaubhaft machen, dass sie diesen Strom beziehen. Und hier wird die Sache heikel.
Viele Landesenergieversorger nehmen, konform mit den Landesenergiegesetzen, von den Betreibern von Ökostromanlagen (also z. B. von Windradbesitzern) den produzierten Strom ab, und bezahlen hierfür einen von der Landesregierung festgelegten Preis. Dies taten sie allerdings auch schon vor einigen Jahren. Der Mehrpreis, der hierfür bezahlt wird, wird von der Landesregierung zurückerstattet, damit für den Landesenergieversorger keine Mehrkosten anfallen. Was aber jetzt seit einiger Zeit passiert, ist, dass die Landesenergieversorger diesen bereits vorhandenen und bereits finanzierten Anteil ihres Strommixes "ausgliedern", ihm ein grünes Mascherl geben, und ihn als "Ökostrom", "Grüner Strom"oder "Naturstrom" für einen Mehrpreis verkaufen.
Greenpeace lehnt diese Vorgangsweise aus mehreren Gründen ab.

Der Strommix

Der erste Grund ist, dass Greenpeace das Prinzip "eine Firma - ein Strommix"verfolgt. Ein EVU soll nur einen Strommix aufweisen. Was derzeit passiert, ist, dass viele Landesenergieversorger die freizügigen Möglichkeiten der Landesstromgesetze nützen, und versuchen, den "schmutzigen" Stromanteil bei jenen Kunden loszuwerden, die sich nur für den Preis interessieren. So gibt es jetzt viele Firmen, die zwar fleißig Atomstrom aus Deutschland oder Osteuropa importieren, aber trotzdem auf den Rechnungen der Haushaltskunden schreiben, dass sie mit 0% Atomstrom versorgt werden, "weil der Atomstrom ja nur an die Industriekunden geht". Das Umgekehrte passiert mit dem Ökostrom. Den Kunden, die dafür bezahlen wollen, wird erzählt, dass sie mit Ökostrom beliefert werden, unabhängig davon, mit welchem Strom die sonstigen Kunden versorgt werden. Dass dieser Strom aber vorher auch schon im Gesamtmix der Firma war, und dass sich durch diese "Entmixung" am Gesamtmix nichts ändert, spielt hier aber offensichtlich keine Rolle.
Zweitens wurden die Mehrkosten, die durch die umweltfreundliche Erzeugungsweise von Ökostrom anfallen, schon von der jeweiligen Landesregierung abgegolten. Trotzdem wird dieser Ökostrom meistens für einen Mehrpreis an Endkunden verkauft. So verdienen die Landes-EVU an diesem Ökostrom zweimal.
Die einzigen Ökostromlieferanten, die von Greenpeace auch tatsächlich als Ökostromfirma anerkannt werden, sind die, die unabhängig sind, und wo es somit keine ·Entmixung· in "sauberen und schmutzigen"Strommixen gegeben hat. Auch wird hier nur einmal am "sauberen"Strom verdient, und die Einnahmen können nicht verwendet werden um andere Geschäftszweige zu finanzieren, als das Investieren in neue Ökostromanlagen.

Forderungen

Greenpeace fordert, dass es bei der Stromkennzeichnung pro Firma nur einen Strommix geben kann. Solange dies noch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, sollen die EVU das freiwillig machen, damit keine Wettbewerbsverzerrung auftritt zwischen z. B. VKW und Energie AG, die nur einen Mix aufweisen, und z. B. EVN oder Wienstrom, die für jedes Kundensegment einen eigenen Mix haben. Zweitens soll Ökostrom von der Energieabgabe befreit werden, die ja ursprünglich dafür gedacht war, den Ausbau von Ökostromanlagen zu finanzieren. Und drittens soll Ökostrom, solange in der Erzeugung gegenüber konventionellem Strom noch Preisdifferenzen bestehen, von Durchleitungsgebühren befreit werden.
Da, wo Ökostrom zu gleichen Preisen wie konventioneller Strom am Markt verfügbar ist, können sich die Ökostromfirmen an einem schnellen Wachstum erfreuen, was im Vergleich mit dem einen Prozent Ökostrom im österreichischen Gesamtmix ein großer Unterschied ist.

 

*) Jurrien Westhof ist Klima- und Energiereferent bei Greenpeace Österreich / CEE; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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