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2002-04: Ökostrom

Ökostrom

Seit 1. Oktober 2001 - also seit rund einem Jahr - können alle Privatkunden ihren Stromversorger frei wählen. Doch die sogenannte Strommarktliberalisierung ist weitgehend ein Flop - nur knapp ein Prozent der Kunden haben von ihrem neuen Recht Gebrauch gemacht und den Stromversorger gewechselt.

Stromwechseln in Theorie und Praxis

Von Heinz Högelsberger*

Eigentlich könnte das Leben so einfach sein: In Österreich wird immer noch mehr Strom erzeugt als verbraucht. Da sogar laut Verfassung der Betrieb von Atomkraftwerken hierzulande verboten ist, könnten wir uns alle darüber freuen, unsere Haushaltsgeräte atomstromfrei zu betreiben. Doch was technisch und rechnerisch möglich ist, muss nicht unbedingt auch real umgesetzt werden. Im Gegenteil: Der Atomstromanteil im österreichischen Netz steigt immer mehr an und liegt schon bei über zehn Prozent. Mit anderen Worten: Ein Reaktor von der größe Temelins produziert ausschließlich für Österreich. Warum das so ist? Durch die Strommarktliberalisierung kam es zu weitgehenden Umstrukturierungen bei den österreichischen Stromversorgern. Viele Landesgesellschaften - allen voran EVN und Wienstrom - kaufen zunehmend Strom statt beim Verbund (dieser produziert rund die Hälfte des in Österreich erzeugten Stroms) bei ausländischen Partnern und Strombörsen. Dies hat zweierlei Konsequenzen: Erstens wird durch steigende Stromimporte der Atomstromanteil in Österreich immer höher, und zweitens bleibt der Verbund auf seinem Wasserkraftstrom "sitzen" und exportiert diesen. Überdies handelt auch der Verbund auf Börsen zunehmend mit Atomstrom.
Der Import von Atomstrom aus EU-Ländern kann gesetzlich nicht verboten werden. Diese Einfuhren könnten allerdings politisch verhindert werden, weil alle großen Stromfirmen mehrheitlich im Besitz der Bundesländer bzw. des Bundes sind und der Eigentümer sehr wohl bestimmen kann, woher Strom zugekauft wird. Atomstromimporte aus Nicht-EU-Ländern müssten laut Gesetz aufgrund der dortigen unsicheren AKW sehr wohl verboten werden. Allerdings brechen die Stromaufsichtbehörde E-Control und das Wirtschaftsministerium dieses Gesetz, so dass nun sogar Stromlieferungen aus den Schrottmeilern Bohunice, Mochovce und Krsko möglich sind!

Stromwechsel ist angesagt

Wo die Politik so eklatant versagt, ist der Konsument aufgerufen, durch seine Kaufentscheidung regulierend einzugreifen. Deshalb versuchte GLOBAL 2000 ab Oktober 2001, möglichst viele Stromkunden zu einem Wechsel des Stromanbieters zu bewegen. Es wurde argumentiert, dass nicht der Preis, sondern sauberer Strom das wichtigere Entscheidungskriterium sei. Wer gegen Temelin ist, darf auch keinen Atomstrom beziehen und mit seiner Stromrechnung den Betrieb von Atomkraftwerken finanzieren. Aktuelle Umfragewerte stimmten damals optimistisch (siehe Tabelle 1).
Doch seither geht alles sehr schleppend: Ein dreiviertel Jahr nach der vollständigen Liberalisierung war das Bild ähnlich. Gerade 50.000 Stromkunden - also ca. ein Prozent - haben zu einem neuen Stromlieferanten gewechselt; in den meisten Fällen aus Kostengründen und nicht, um sauberen Strom zu beziehen. In Deutschland liegt nach mehr als vier Jahren die Wechselrate bei rund vier Prozent. Konsumentenorganisationen bezeichnen dort die Strommarktliberalisierung "als gescheitert". Offensichtlich geht das derzeitige Liberalisierungsfieber völlig an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.

Wechselverweigerung - eine Ursachenforschung

Für diese Wechselunlust sind mehrere Ursachen anzuführen:

  • Falsche Versprechungen und Erwartungen: Wer erinnert sich noch an den "Bartenstein-Tausender"? Der Wirtschaftminister hatte noch vor einem Jahr versprochen, dass sich die Stromrechnung für jeden Konsumenten um rund 1000 Schilling (also ca. 70 Euro) verringern würde. Daraus ist nichts geworden, Strom wurde hauptsächlich für Großabnehmer - also Industriebetriebe und Gewerbe - spürbar billiger. Innerhalb des letzten Jahres verringerten sich für Stromkunden die Kosten gerade um 4,4%; das ist für einen durchschnittlichen Haushalt eine tägliche Ersparnis von fünf Cent (weniger als ein Schilling)! Doch so richtig geglaubt haben Herrn Bartenstein sowieso nur die wenigsten. So meinten im Juli 2001 nur 16 Prozent der Befragten, dass es durch die Liberalisierung zu "nachhaltigen Preissenkungen" kommen würde. Eine andere Umfrage brachte zu Tage, dass die Menschen es aber auch nicht bemerken würden: Nur ein Viertel der Befragten gaben an, den Preis einer Kilowattstunde Strom zu kennen. Doch auch diese "Wissenden" lagen oft daneben und setzen den Preis bei durchschnittlich 20 Cent (2,80 ÖS) fest. Doch soviel kostet nicht einmal Ökostrom!
  • Sicherheitsdenken: Man verlässt nicht gerne seinen bisherigen Stromversorger, bei dem man oft schon seit Jahrzehnten Kunde war. Was dabei aber übersehen wird, ist, dass die Landesgesellschaft bzw. das jeweilige Stadtwerk nach wie vor der Netzbetreiber bleibt und für die Instandhaltung der Leitungen, die klaglose Zuleitung des Stroms und die Wartung bzw. Ablesung der Stromzähler verantwortlich ist. Daran ändert sich nichts und für diese Leistungen zahlt man auch mit einem beträchtlichen Teil der Stromrechnung. Immerhin 16 Prozent aller Stromwechsler gaben an, von ihrem bisherigen Lieferanten mit einer unsicheren Stomversorgung "bedroht" worden zu sein.
  • Uninformiertheit bzw. Bequemlichkeit der Kunden: Rund zwei Drittel aller Haushalte wissen noch immer nichts über die Strommarktliberalisierung. Natürlich ist es einfacher, nichts zu tun und bei seinem bisherigen Stromversorger zu bleiben. Aber auch dies ist eine bewusste Kaufentscheidung!
  • Falsche Angaben der bisherigen Stromversorger: Diese behaupten oft nach wie vor und wider besseren Wissens ihren Kunden nur saubere und atomstromfreie Energie zu verkaufen. Eine absichtlich geöffnete Gesetzeslücke macht dieses Belügen möglich.

Wenn sie wüssten, dass Ihr Stromanbieter auch Atomstrom liefert, würden sie dann wechseln? 63%

FRAGE

JA

Würden Sie Strom aus grenznahen AKWs beziehen, wenn er billiger wäre? 12%
Würden Sie prinzipiell für Ökostrom mehr zahlen? 74%
Und zwar bis 10% mehr
Und zwar bis 20% mehr
Und zwar bis 30% mehr
Und zwar um mehr als 30% mehr
65%
28%
5%
1%

Tabelle 1: Umfrage des ISMA im Auftrag v. GLOBAL 2000, April 2000, 500 Befragte

Stromkennzeichnung - Lizenz zum Lügen

GLOBAL 2000 hat, zusammen mit anderen Akteuren, durch intensives Lobbying und Hintergrundarbeit erreicht, dass jeder Anbieter, der in Österreich Strom verkaufen will, auch seinen "Strommix" bekannt geben muss. Jeder Konsument hätte also - neben dem Preis - ein weiteres wichtiges Kriterium dafür, welchem Stromversorger er den Strom abkauft.
Pferdefuß ist, dass die genaue Art der Stromkennzeichung Länderkompetenz und deshalb unterschiedlich ist. In zwei Bundesländern (Wien und Salzburg) gibt es gar keine diesbezügliche Verordnung; die Firmen kennzeichnen den Strom nach eigenem Gutdünken. In Vorarlberg, Oberösterreich und der Steiermark gibt es relativ gute Regelungen, wie jeder Stromhändler seinen Strommix deklarieren muss. In den restlichen Ländern ist auch der sogenannte "Produktmix" möglich; d. h. die Stromfirmen dürfen verschiedenen Kundengruppen unterschiedliche Stromprodukte zuordnen: z. B. sauberer Strom für Privatkunden und Atomstrom für Großabnehmer. GLOBAL 2000 lehnt solch eine "Stromwäsche" ab und fordert grundsätzlich die Bekanntgabe des "Händlermixes". Mit der neuerlichen Novellierung des Stromgesetzes (ElWOG) wird es zu einer bundesweit einheitlichen Stromkennzeichnung nach Händlermix kommen. Allerdings soll dies erst ab Juli 2004 (!) geschehen. Dem Vernehmen nach hat die niederösterreichische EVN diese Verzögerung hineinlobbyiert. Die Stromfirmen haben dadurch noch weitere zwei Jahre eine Lizenz zum Belügen ihrer Kunden - ein Skandal!
Um den Stromkunden eine Entscheidungsgrundlage zur Hand zu geben, hat GLOBAL 2000 den Atomstromanteil der Stromfirmen ermittelt und den Angaben der Unternehmen gegenübergestellt. Die Ergebnisse der Erhebung können Tabelle 2 entnommen werden.

Qualität hat ihren Preis

Da die Umweltschäden für atomar und kalorisch erzeugten Strom bisher nicht berücksichtigt werden, ist schmutziger Strom leider billiger als Ökostrom. Der tatsächliche Preisunterschied zwischen Ihrem bisherigen Anbieter und z. B. der oekostrom AG hängt davon ab, in welchem Bundesland man wohnt. So macht bei einem Jahresverbrauch von 1000 Kilowattstunden (=sparsamer Zweipersonenhaushalt) der Preisunterschied in Kärnten bloß fünf Euro pro Jahr aus, in Salzburg, der Steiermark und dem Burgenland liegt die Differenz bei weniger als 13 Euro (200 ÖS). Und selbst in Wien, Ober- und Niederösterreich machen die Mehrkosten weniger als ein Cent pro Tag aus!
Beim Jahresverbrauch einer Durchschnittsfamilie (3000 Kilowattstunden) liegen die Mehrbelastungen zwischen 51 Euro (Steirermark) und 146 Euro in Tirol, also zwischen 14 und 40 Cent pro Tag. Durch einfache Stromsparmaßnahmen (Energiesparlampen, Vermeiden von Stand-by-Betrieb, Haushaltgeräte der Energieeffizienzklasse A) können auch diese Mehrkosten abgefangen werden.

Umstieg aber wie?

Bis vor einem Jahr waren die Stromversorger für die Stromerzeugung, den Transport und den Verkauf zuständig. Dieses Paket wurde entflochten und neu verteilt. Im Wiener Raum etwa ist Wienstrom nach wie vor Netzbetreiber und ist für den Stromtransport zuständig. Da der Netzbetreiber gleich bleibt, bleiben auch Zuleitungen und Stromzähler gleich.
Frei wählen können Sie allerdings den Stromversorger, und das ist ganz einfach. Sie lassen sich vom Stromverkäufer Ihrer Wahl (z. B. oekostrom AG) ein Anmeldeformular zuschicken, füllen dieses aus und senden es gemeinsam mit Ihrer letzten Jahresrechnung zurück. Ihr neuer Stromversorger übernimmt die Kündigung bei der bisherigen Firma und alle Formalitäten. Nach ca. einem Monat beziehen Sie Strom von der neuen Firma, die diesen ins Netz einspeist. Die Ummeldung ist mit keinen zusätzlichen Kosten verbunden.

Stromfirma
Atomstromanteil
für das Jahr 2001

Bemerkungen

  Eigene Angaben Tatsächlich  
Ökostromfirmen
oekostrom AG   0,0%   0,0% Der erste Ökostromanbieter Österreichs; Aktien in Streubesitz. Verkauft Strom aus Windkraft, Biomasse und Sonnenenergie.
Alpen-Adria-Energy   0,0%   0,0% Liefert hauptsächlich Elektrizität aus Kleinwasserkraftwerken
Atomstromfreie Anbieter
BEWAG k.A.   0,0% Diese werden mit zertifizerten Strom aus Großwasserkraftwerken beliefert, den sie an die Kunden weitergeben. Sie können deshalb als "atomstromfrei"angesehen werden. Doch ACHTUNG: Sowohl bei Raiffeisen als auch bei My Electric besteht die Gefahr, dass jeweils 50% der Firma an Atomstromkonzerne "wie z.B. E.ON "  verkauft werden. Dann würde man "sauberen" Strom von einer „schmutzigen“ Firma beziehen – was nicht akzeptabel ist.
Raiffeisen Wasserkraft   0,0%   0,0%  
My Electric   0,0%   0,0%  
Konventionelle Stromanbieter
Energie AG   2,2% 12,4%  
EVN   3,0% 21,7% Atomstromkonzerne kaufen immer mehr EVN-Aktien auf
KELAG   1,3%   9,8% Der Atomstromkonzern RWE hält rund ein Drittel der KELAG-Anteile
Salzburg AG   4,6%   9,6%  
STEG k.A. 11,4% Die beiden Firmen wurden inzwischen fusioniert, die EdF hält Anteile
STEWEAG   3,6% 14,2%  
Switch 10,5% 15,5% Billigstromtochter der Wienstrom
TIWAG   9,2% 20,7% Durch Stromaustausch mit der E.ON hoher Atomstromanteil
VKW 13,4% 13,4% Ehrlich, aber recht nuklearverseucht
Wienstrom   4,0% 15,5%  

k.A. = keine Angaben

Tabelle 2: Eigene Angaben und tatsächliche Anteile des Atomstroms der Stromfirmen für das Jahr 2001

*) Dr. Heinz Högelsberger ist Energiereferent bei Global 2000; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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