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2002-04: Ökostrom

Ökostrom

Die Liberalisierung des Strommarktes eröffnet den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten für ihren Strombezug. Auch ökologische Kriterien können diese Wahl beeinflussen.

Nischenmarkt Grünstrom

Von Michael Heidenreich*

Voraussetzung für eine effektive Kundenwahl ist hierbei die aktive und objektive Informationsverbreitung für das Produkt Ökostrom. Ein glaubwürdig kontrolliertes und für alle Akteure nachvollziehbares Produktlabel "Ökostrom" gibt dem Stromkunden das notwendige Vertrauen, auf eine nachhaltige Energieversorgung umzusteigen.

Konsument und Produkt

Der Kunde kann den Elektronen aus der  Steckdose seine Erzeugerherkunft nicht ansehen. Darum denken sich findige Marketingstrategen immer neue Verpackungen oder Farben (z. B. Yello des deutschen Energieversorgers EnBW oder Select des steirischen Energieversorgers STEWEAG) für ihre Handelsware aus. Der Strom bekommt eine kommerzielle Verpackung, die dem Kunden seine Technologie- und Unternehmenswahl verdeutlichen sollen. Dem Kunden sollen durch die Produktgestaltung Anreize zum Wechsel wie auch zum Verbleiben beim Stromlieferanten gegeben werden.
Der Ökostrom wird als ein wertvolles Produkt angesehen, durch dessen Kauf der Kunde einen Beitrag zum Umweltschutz leistet. Der Ökostromlieferant setzt auf das Umweltbewusstsein seiner Stromkunden, die mit der Kaufwahl ihres Stroms Informationen über seine Vorgeschichte haben möchten. Wie der Bezug von Ökostrom prinzipiell funktioniert, zeigt die schematische Darstellung in Abbildung 1. Der Lieferant sichert dem Kunden vertraglich zu, die vereinbarte Menge Ökostrom selbst zu produzieren oder bei Ökoanlagenbetreibern einzukaufen. Der Betreiber liefert die produzierte Energie in das örtliche Netz, an das der Kunde angeschlossen ist. Der Lieferant zahlt die Durchleitungsgebühr zum Kunden an den Netzbetreiber.

Fragebogenaktion

Wie schon oben erwähnt, ist der Strom ein vollständig homogenes Gut. Die Unterscheidungsmöglichkeiten des Kunden liegen neben dem Preis und der dafür angebotenen Dienstleistung nur in der Erzeugungsart des Grünstromproduktes. Voraussetzung einer effektiven Kundenwahl für das Produkt Ökostrom ist die aktive und objektive Informationsverbreitung. Um den Informationsgrad und potenziellen Handlungsbedarf zur Erweiterung des Ökostrommarktes zu evaluieren, wurde zu Beginn dieses Jahres eine Fragebogenaktion unter 100 Referenzkunden des Lieferanten "oekostrom AG" durchgeführt. Referenzkunden sind definitionsgemäß diejenigen Ökostromabnehmer, die sich öffentlich zur Belieferung durch die oekostrom AG bekennen und deren Kenntnisstand über die Handelsware Ökostrom hoch ist.
Zu dieser befragten Kundengruppe gehören Vereine, Parteien, das Gewerbe, religiöse Organisationen bis hin zu Privatkunden. Diese Kunden wendeten sich, durch Individualgespräche bzw. Energieberatung, via Printmedien und Websites im Internet, spezifische Veranstaltungen und andere Informationskanäle angeregt, an die oekostrom AG. Dieser Händler sollte ihnen - abweichend von den Lieferungen ihrer bisherigen Versorger - Elektrizität aus ausschließlich erneuerbaren Energieträgern liefern. Befragt nach den Hauptgründen für die Wechselentscheidung zum Ökostromlieferanten, gaben knapp die Hälfte der antwortenden Kunden ökologische Gründe an (siehe Abbildung 2). Die Kunden, die den ausgefüllten Fragebogen zurücksandten, konsumieren etwa 450 MWh/a. Das entspricht in etwa dem Jahresertrag einer 350 kW Windenergieanlage in Österreich.
Die Zeit zwischen dem Interesse an Ökostrom, der Informationsvermittlung und der Entscheidung, den Stromlieferanten zu wechseln, fiel von Kunde zu Kunde sehr unterschiedlich mit einem arithmetischen Mittelwert von ca. zwei Tagen aus.
Die Gründe der Referenzkunden für eine zögerliche Entscheidung liegen wahrscheinlich im zeitaufwendigen internen Abstimmungsprozess innerhalb der Gruppierungen. Außerdem ist bei allen Kunden ein Lernprozess im Umgang mit der freien Lieferantenwahl zu beobachten, obwohl die freie Lieferantenwahl für Ökostromangebote nach dem Elektrizitäts- und Wirtschaftsorganisationsgesetz (ElWOG 1) schon seit 1999 gilt. In den Kommentaren der ausgefüllten Fragebögen empfehlen die Referenzkunden eine hohe Markttransparenz der angebotenen Ökostrommengen und ihrer Erzeugungsprozesse, um Konsumententäuschungen in Form von z. B. Lieferungen des teuren Ökostroms an die Haushalte und gleichzeitig Distribution des preiswerten Egalstroms an die Industrie zu vermeiden. Weiters wird der vermehrte Einsatz von Werbung für Ökostromangebote, welche die regionale wirtschaftliche Stärkung durch den lokalen Bau von Ökoanlagen herausstreichen sollen, empfohlen.

Abbildung 1: Prinzipielle Schematik des Ökostrombezugs
Quelle: J. Markard (EAWAG, CH)

Ökostromlabel

Ökostromlabel sind eine Folgeerscheinung der Liberalisierung des Strommarktes. Sie entstanden in Anlehnung an bestehende, erfolgreich vermarktete Produktlabels (wie z. B. der deutsche blaue Engel). Sie wurden von Umweltorganisationen und involvierten Forschungsinstitutionen zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Ökostroms wie auch zur Abgrenzung von umweltgefährdenden fossilen und nuklearen Stroms eingeführt. Dem Konsumenten soll eine Orientierungshilfe gegeben werden, Produkte unterscheiden zu können. Der Kunde wählt mit der Lieferung von Ökostrom den umweltfreundlichen Erzeugungsprozess.

Abbildung 2: Motive und benötigte Entscheidungszeit für den Wechsel zum Lieferanten oekostrom AG
Die Zeit für die Suche nach dem richtigen Lieferanten lag im arithmetischen Mittel bei zwei Tagen

Die Ziele einer Ökostromkennzeichnung sind:

  • Impulse für den Neubau regenerativer Kraftwerke und langfristig für die Schaffung einer nachhaltig ökologischen Stromerzeugung zu geben,
  • mit Hilfe von Orientierungshilfen den Aufwand für Anbieter und Konsument durch die Verbreitung gezielter und unabhängiger Information ("Transaktionskosten") zu reduzieren,
  • den gesellschaftlichen Nutzen durch den Einsatz definierter, zertifizierter und lokal verfügbarer Energieträger zu maximieren und
  • mit Kontrollen das Erreichen nationaler und internationaler energiepolitischer Zielsetzungen, die in Kyoto und im Weißbuch der europäischen Kommission festgelegt wurden, zu unterstützen.

 

 

Als Teil des Forschungsprojektes an der TU Wien wurden Ökostromlabel in einer internationalen Literatur- und Internetrecherche auf ihre umweltpolitische Signalwirkung analysiert und ihre ökologische und wirtschaftliche Effizienz verglichen. Mit diesen Ökostromlabels werden Umweltzielsetzungen in Form von überprüfbaren Kriterien übermittelt und durch die Auszeichnung kriterienerfüllender Anbieter umweltpolitische Signale gesetzt. Die Schwierigkeit der Kriterienfestlegung liegt neben der ökologisch häufig konträren Einstellung der Akteure auch in der sehr unterschiedlichen Einschätzung der Durchsetzbarkeit des Ökostromlabels am Markt. Darüber hinaus stehen der ökologischen Effizienz (der zusätzliche Nutzen für die Umwelt durch den Bau neuer Ökoanlagen) und ökonomischen Effizienz (die wachsende Dezentralisation führt zu geringeren Netzausbaukosten für die Betreiber) in der Regel höhere Erzeugungskosten dieser Anlagen gegenüber. Die ökonomische Effizienz evaluiert den Einfluss von Ökostromlabels auf die Zahlungsbereitschaft (WTP: Willingness To Pay) der Kunden und vergleicht diese mit der WTP für den Egalstrom.

Kennzeichnung von Ökostrom

Zur Untermauerung der im Forschungsprojekt entwickelten Effizienzmodelle wurde eine Fragebogenaktion unter Ökostromlieferanten durchgeführt. Schriftlich wurden Ökostromlieferanten in der Schweiz, Deutschland und Österreich interviewt.
In diesen Ländern gibt es sehr mannigfaltige Ökostromangebote, die unterschiedlich gekennzeichnet am Markt angeboten werden (siehe Abbildung 3). Grundgedanke der Stromkennzeichnungen durch ein Label ist es [1], dass eine unabhängige Instanz die Umweltverträglichkeit des Produktes Ökostrom nach definierten ökologischen Kriterien prüft. Fällt die Prüfung positiv aus, so bekommt der Ansuchende dies in Form eines Labels bescheinigt. Die Produktdeklaration ist in der Regel weniger aussagekräftig als das Ökostromlabel. Diese berücksichtigt explizit nicht ökologische Werturteile wie z. B. den Zubau von Neuanlagen, Unternehmensverflechtungen mit fossilen und nuklearen Marktakteuren oder Fischaufstiegshilfen für Kleinwasserkraftwerke.
Ein Teilergebnis der Interpretation der Fragebogenrückläufe ist, dass je etablierter die Kennzeichnung des Ökostroms und je besser das Verhältnis zwischen Kosten versus Nutzen ist, desto attraktiver sind Ökostromlabel für den Lieferanten.

Ökologische Effizienz

Die Aggreditierung der Label ist in der Regel das Resultat eines langwierigen Diskussionsprozesses involvierter Akteure (wie Umweltorganisatoren, Konsumentenschutzverbände, Forschungsinstitute, Technologieverbände, EVU etc.). Für die ökologische Effizienz eines Ökostromlabels sind die Umweltqualität der Handelsware Grünstrom, das Portfolio des Anbieters und der sogenannte "zusätzliche" Umweltnutzen (C. Timpe, Öko-Institut Freiburg (D)) wesentlich.
Prinzipiell sollte zertifizierter Grünstrom zur Umweltentlastung, d. h. vor allem zur Reduktion der Treibhausgasemissionen aus fossilen Anteilen an der Stromaufbringung beitragen. Konventionelle Kraftwerke sollen entweder durch neue Ökoanlagen ersetzt oder die Gesamtaufbringung reduziert werden. Für eine Veränderung des Energiemarktes in Richtung umweltgerechtere und nachhaltige Stromerzeugung ist die Substitution fossiler und atomarer Anlagen durch den Zubau neuer Ökoanlagen wie auch der effiziente Technologieeinsatz von entscheidender Bedeutung.
Um die Anreizwirkung Ökostromlabel im Zeitverlauf aufrecht zu halten, müssten die Kriterien kontinuierlich verschärft werden. Die dafür notwendige Anpassung der Labelkriterien werden aber nicht friktionslos verlaufen. Es ist eher zu erwarten, dass ein ähnlicher Diskussionsprozess wie bei der Erstdefinition hervorgerufen wird. Somit wird die Anpassung der Kriterien ziemlich lange dauern und die Anreizwirkungen der Ökostromlabels sind statisch.

Abbildung 3: Eigenaussagen befragter Ökostromlieferanten über die Kennzeichnung ihrer Produkte in Österreich, Deutschland und der Schweiz

Um dieser Situation langzeitlicher Diskussionsprozesse eine dynamische Signalwirkung entgegenzusetzen, wird ein "Performanceindikator" national und international zur Diskussion gestellt [3]. Dieser "Performanceindikator" bewertet zwei wesentliche Elemente der ökologischen Signalwirkung eines Ökolabels: Substitution durch Ökoanlagen, ohne die der Umbau des heutigen Energiemarktes nicht möglich ist und die Effizienzverbesserung der eingesetzten Technologien durch die Vermeidung von Netzverlusten.
Auch 41 der befragten Referenzkunden der oekostrom AG bewerten mit etwa 80% den Bau von Neuanlagen und mit mehr als die Hälfte die Entfernung zwischen stromliefernder Ökoanlage und Kunde als wesentliche Kriterien für ökologisch sehr effiziente Ökostromlabel.

Ökonomische Effizienz

Ökostromlabel werden in der Regel freiwillig vergeben. D. h. interessierte Anbieter wollen durch Kontrollen unabhängiger Gutachter die Qualität ihrer Handelsware sichern. Sie werben mit dem Label, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und um die erhöhte Zahlungsbereitschaft von Kunden für grünen Strom zu nutzen. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden zur Zeit die Lieferantenrückläufe mit Hilfe der Regressionsanalyse untersucht. Die Aufgabe der Regressionsanalyse ist es, die Zielfunktion für das ökonomische Effizienzmodell mit den unterschiedlich gewichteten Einflussparametern zu bestimmen.
Nach dieser Bewertung korrelieren die Einflussparameter "Bekanntheitsgrad des verwendeten Ökostromlabels" und die "Einschätzung der Lieferanten zu den Kosten-/Nutzenverhältnissen eingesetzter Label" signifikant (95%) mit der Kundenzufriedenheit durch das Ökostromlabel als Orientierungshilfe.

Marktentwicklungen

In Österreich existieren noch keine Studien zur Entwicklung des Grünstrommarktes (wie in Deutschland [2]), sondern nur Businesspläne oder Zielsetzungen der involvierten Firmen. Laut Eigenaussagen der in der Fragebogenaktion befragten Unternehmen bieten zur Zeit 15 Lieferanten Ökostrom am Markt an. Die Nachfrage nach Ökostromangeboten liegt nach Aussagen dieser Unternehmen um Größenordnungen überden derzeitigen Angeboten und soll weiter ausgebaut werden. Zur Zeit werden - wie in der Schweiz (www.oekostrom.eawag.ch) - etwa 30.000 Kunden mit Ökostrom beliefert, davon bekommen zur Zeit ca. 4.000 mit dem Umweltzeichen UZ46 (www.bmu.gv.at) gekennzeichneten Ökostrom.

Konklusion

Bei den zur Zeit genutzten Zertifizierungsverfahren des Grünstroms wird nur das existierende Ökoanlagenportfolio bewertet, insbesondere nicht das von Neuanlagen. Ausnahmen bilden die Kriterien deutscher Ökostromlabels, die einen Mindestanteil von 25% vorsehen. Auch die Mitberücksichtigung des Mindestanteils von 1% Photovoltaikstrom in Österreich und Deutschland ist ein Signal zur Auszeichnung von Neuanlagen.
In liberalisierten Energiemärkten wählt der Kunde unter den verfügbaren Alternativen diejenige heraus, die ihm die größte Zufriedenheit gibt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Konsument Kenntnisse über Alternativen und über den Befriedigungsgrad verschiedener Angebote hat. Ökostromlabel bilden eine effektive Orientierungshilfe für Kunden und reduzieren die Transaktionskosten für Lieferanten. Die Markttransparenz der erneuerbaren Energieträger ist für die Erzeuger und Händler durch aktuelle Information über Technologieinnovation und Marktgeschehen als auch für die Kunden durch freie Produkt- und Prozesswahl relevant. Denn Motive und Potenziale wie auch die Voraussetzungen der Stromkunden für einen Wechsel zum Ökostromlieferanten divergieren bundesweit. Sie sind letztendlich die entscheidenden Indikatoren für einen funktionierenden und wirtschaftlich tragfähigen Ökostrommarkt. Investiert wird in Neuanlagen nur dann, wenn die Informationen über den Markt für Investoren frei zugänglich und die Transaktionskosten niedrig sind.

Ökostrom-Links:

A:
www.bmu.gv.at
Richtlinie für das Umweltzeichen UZ46,
www.arsenal.ac.at/erneuerbare Publikationen zum Thema Ökostrom herausgegeben von arsenal research

CH:
www.oekostrom.eawag.ch
Publikationen zum Thema Ökostrom herausgegeben von EAWAG (Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz)

EU:
www.greenelectricitynetwork.org Internetseite von EUGENE, dem Europäischen Netzwerk für Grünen Strom,

www.greenpricing.com
Internationale Website mit einer systematischen Zusammenstellung bestehender Ökostrom-Angebote in NL, D, UK, B, SWE

USA:
www.eren.doe.gov/greenpower umfassendes Ökostromnetzwerk in den USA

Literatur
[1] R. Wüstenhagen, Ökostrom - von der Nische zum Massenmarkt, ISBN 3 7281 2777 9, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2000 [^]
[2] Newsletter unter www.greenprices.de/de/newsitem.asp?nid=357 [^]
[3] M. Heidenreich, H. Müller: "Ein dynamischer Performanceindikator zur Verbreitung von Ökostrom", 7. Energiesymposium in Graz, Febr. 2002 [^]

*) Dipl.- Ing. Michael Heidenreich ist Projektmanager am arsenal research in Wien und Dissertant am Institute of Energy Economics der TU Wien; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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