Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2003-01: Solare Architektur

Thermische Kollektoren

Berger abb1 Die höhere technische Schule Bøeclav (Tschechische Republik) nahe der österreichischen Grenze hat eine lange Tradition in technischer Ausbildung von Jugendlichen der Region Südmähren.

Lernen von der Sonne

Von Michael Berger*

Seit etwa einem Jahr, seit an der Südfassade der Schule neben einer 1-kWp- Photovoltaikanlage eine 80-m²-Solaranlage für warmes Wasser in der Schulküche sorgt, ist sie auch eine zukunftsweisende Lehranstalt für solare Energienutzung.

Die Entwicklung von Solaranlagen begann in der Tschechischen Republik im Jahre 1978, als gleichzeitig die Tschechoslowakische Gesellschaft für Sonnenenergie gegründet wurde. Die Entwicklung der Solaranwendung hat sich in der Zwischenzeit nur marginal vergrößert. Dies ist zu einem großen Teil ein Ergebnis des Umstandes, dass die Preise für Maschinen und Anlagen in der Tschechischen Republik schon dem Niveau der EU (in der Kursumrechnung) entsprechen, während die Preise für Brennstoffe und Energie für Kleinverbraucher etwa die Hälfte der Preise in der EU und die Löhne etwa ein Viertel ausmachen. Mit Ende der neunziger Jahre umfasst das jährliche Marktvolumen etwa 3.000 m² thermische Kollektoren. [1]

Eine Studie der Energieverwertungsagentur [2] nennt für erneuerbare Energieträger in Tschechien folgende Verbreitungshemmnisse:

  • Defizit an entsprechender Erfahrung
  • mangelndes Wissen über die Einsatzbereiche
  • institutionelle Mängel
  • fehlende betriebswirtschaftliche Rentabilität

Auf Basis dieser festgestellten Defizite führt die AEE NÖ/WIEN derzeit gemeinsam mit "arsenal research" und den tschechischen Partnern "veronica" und "Calla" das EU-INTERREG-geförderte Projekt "Sluneèní sí»" ("Sonnen-Netzwerk") durch. Auf vielen Ebenen (Konferenzen, Workshops, Pilot-und Demonstrationsanlagen, Schulwettbewerbe, Förderungs-Lobbying) sollen amit wirksame Strategien zur weiteren Verbreitung der Solartechnologie umgesetzt werden.

Eine Anlage mit Signalwirkung

Die Schule als öffentlichkeitswirksamer Platz ist ein Ansatzpunkt der Umsetzungsoffensive "Sluneèní sí»". Das neue Gebäude wird zum Multiplikator für Solartechnologie: Nicht allein die 800 Schüler werden neugierig, was es mit der schwarzen Wand hinter Glas auf sich hat, auch immer mehr Exkursionsteilnehmer und Spaziergängerinnen erkundigen sich über diese sonderbare Fassade. Direkt hinter dem neuen Fassadenkollektor befindet sich ein Vorführraum, der an diesem 21. September fast zu klein ist: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ersten Brünner Solarkonferenz "Slunce 2002" drängen sich im Publikum, als eine Schülergruppe nicht ohne Stolz ihre Präsentation über die neue Solaranlage am Datenprojektor vorführt.

Eineinhalb Jahre zuvor wurde die Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ/WIEN auf Initiative des Bürgermeisters der Kleinstadt Bøeclav zu einem Gespräch an die Schule eingeladen. Ergebnis war, dass die AEE beauftragt wurde zu untersuchen, wie sich die Rahmenbedingungen für den Betrieb einer thermischen Solaranlage an der Schule gestalten [3]. Für eine solare Warmwasserbereitung wurden zwei Objekte vorgeschlagen: Das Schülerheim und die Kantine. Die Schulleitung entschied sich zur Wahl eines fassadenintegrierten Solarsystems für die Kantine. Zur Kollektoranbringung stand ein neuer Bauteil mit fensterloser Südfassade zur Verfügung. Vor allem die gute Sichtbarkeit des Kollektors war das ausschlaggebende Argument für diese Entscheidung: Der Direktor der Schule, in der auch Eisenbahnwesen unterrichtet wird, legte Wert auf entsprechende Signalwirkung der neuen Technologie. Die Schule will zeigen, wie die Weichen in die Zukunft zu stellen sind.

Finanzierung des Pilotprojektes

Das Bundesland Niederösterreich betreibt bereits seit einigen Jahren aktive Anti-Atomenergie-Politik, indem Maßnahmen zur Stärkung der Erneuerbaren in den Nachbarstaaten unterstützt werden. Aus diesem Grund konnte das Projekt etwa zur Hälfte aus niederösterreichischen Mitteln finanziert werden. Die andere Hälfte stammt aus Mitteln des Staatsfonds für Umwelt der tschechischen Republik. Nach Abklärung der Finanzen war es die Rolle der AEE, gemeinsam mit dem Planungsbüro der AEE/intec in Gleisdorf, die Anlage zu planen und auszuschreiben. Bestbieter für die Errichtung wurde eine Firmenkooperation aus einem österreichischen Kollektorhersteller und einer tschechischen Solarfirma. Der 80 m² große Kollektor wurde mit Hilfe eines Mobilkranes aus acht Stück 10-m²-Modulen montiert. Als Pufferspeicher dient ein 4-m³-Stahltank, der Bereitschaftsspeicher fasst 1 m³ Brauchwasser.

Integration in den Unterricht

Die frei programmierbare Solaranlagenregelung erfasst die Wärmemengen vom Kollektor und von der Nachheizung ebenso wie signifikante Temperaturen im System. Mit Hilfe einer seriellen Schnittstelle RS 232 können diese Daten im EDV-Labor der Schule abgefragt und weiterverarbeitet werden. Die Schüler lernen damit das Verhalten der Anlage kennen und überprüfen mithilfe von Simulationsprogrammen die Erträge auf Plausibilität.

 

Literatur
[1]Grabler-Bauer, Gertraud: Vorstudie zur Projektentwicklung für Bildungs- und Marktaufbereitungsmaßnahmen: "Thermische Solarenergienutzung in der Republik Tschechien" Hrsg.: AEE NÖ/WIEN, 2000
[2] Mühlberger, Manfred et. al.: Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung in Tschechien, Hrsg.: Energieverwertungsagentur, 1994
[3] Berger, Michael: Vorstudie "Möglichkeiten der solaren Warmwasserbereitung an der SPŠ Bøeclav", Hrsg.:. AEE NÖ/WIEN, 2001

 

*) Michael Berger ist Mitarbeiter der AEE NÖ Wien, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

Top of page