Zeitschrift EE

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2003-02: Mobilität mit Erneuerbaren

Technisch-wissenschaftliche Beiträge

Der Stoff- und Energiebedarf der Menschen ist heute so hoch und die Nutzung der fossilen Brenn- und Rohstoffe so intensiv, dass die Reserven an Öl und Gas in wenigen Jahrzehnten, praktisch in weniger als einem Menschenleben, aufgebraucht sein werden.

Solare Stoff- und Energiewirtschaft

Von Bodo M. Wolf*

Dies wird auch geschehen, wenn auf Lagerstätten zurückgegriffen wird, deren Ausbeutung aus vielen Gründen nicht erfolgen sollte. Aber auch bei Ausschöpfung solcher „Reserven“ kommt die Mineralölindustrie zu dem Schluss, dass zu erwarten ist, dass der Energiebedarf in 25 bis 30 Jahren nur noch zur Hälfte durch fossile Brennstoffe gedeckt werden kann [1] und [2].

In den letzten Jahren verstärkte sich das allgemeine Bewusstsein darüber, dass die fossilen Brennstoffe, Basis der heutigen Stoff- und Energiewirtschaft, endlich sind, und dass das Öl den Anfang vom Ende macht. Die daraus resultierenden und sich verschärfenden Konflikte sind nicht zu übersehen. Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Herr Fischer, hat es am 1. März 2002 in Berlin ausgesprochen, „die Energiefrage steht im Zentrum der Zukunftsaufgabe“ und „ohne Nachhaltigkeit kein Frieden“.

Darüber hinaus häufen sich die alarmierenden Informationen über den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und über Klimaveränderungen, wofür insbesondere die intensive Nutzung der fossilen Brennstoffe verantwortlich ist. Das 21. Jahrhundert wird somit zwangsläufig in die Geschichte eingehen als das Jahrhundert der Umstellung der Stoff- und Energiewirtschaft auf Sonnenenergie.

DaimlerChrysler AG, als einer der größten Fahrzeughersteller der Welt, und Choren Industries GmbH, mit dem Carbo-V®-Verfahren Technologieführer auf dem Gebiet der Vergasung von Biomasse zu Brenn- und Synthesegas, sind deshalb vor zwei Jahren übereingekommen, durch Entwicklung „Erneuerbarer Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen und regenerativer Energie“ einen aktiven Beitrag für die Mobilität der Zukunft, also Pionierarbeit, zu leisten.

Dem voraus ging die gemeinsame Einschätzung, dass der aus der Anwendung der fossilen Brennstoffe gewonnene Stand der Technik und des Wissens es ermöglichen, diesen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Verkehrswesen und Baustein einer zukünftig solaren Stoff- und Energiewirtschaft auf die Tagesordnung zu setzen und zu erbringen.

„Erneuerbare Kraftstoffe“

Dass die Zeit für eine solche Aufgabenstellung gekommen ist, wurde durch die Ausschreibung „Erneuerbare Kraftstoffe“ des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) Mitte 2001 bestätigt. Das BMWi hat der DaimlerChrysler AG und Choren den Zuschlag erteilt und fördert das Verbundprojekt, in das auch wissenschaftliche Einrichtungen aus Leipzig, Freiberg und Stuttgart eingebunden sind.

Der Forschungs- und Entwicklungsaufwand für diese Etappe, die Demonstration der Herstellbarkeit „Erneuerbarer Kraftstoffe“, beträgt ca. 11 Mio. Euro, wovon 90% von CHOREN realisiert werden, und zwar deshalb, weil CHOREN neben der Herstellung von Versuchschargen an Methanol für Brennstoffzellenfahrzeuge und Diesel für Direkteinspritzermotoren mit einer Leistung von 2 bzw. 1 t/d parallel einen industriellen Standardbaustein mit einer installierten Synthesegasleistung von 50 MW für die flächendeckende Biomasseveredelung – gut für 50 bis 70 t Diesel pro Tag – entwickelt und baut.

Die Produktion der Kraftstoffe erfolgt bei UET Umwelt- und Energietechnik Freiberg GmbH in der zu diesem Zwecke umgebauten und erweiterten Carbo-V® Versuchsanlage in Freiberg. Am gleichen Standort errichtet CHOREN ihre Prototypanlage als Standardbaustein. Die Erprobung der Kraftstoffe erfolgt bei DaimlerChrysler im Jahr 2004 in Stuttgart und auf der Straße.

Was sind „Erneuerbare Kraftstoffe“ und wieso können sie hergestellt werden? Nach heutiger Definition ist die Erde ein materiell geschlossenes, aber energetisch offenes System. Die der Erde zufließende Sonnenenergie ist die Treibkraft der geschlossenen materiellen Zyklen auf der Erde, d. h., die Sonnenenergie leistet auf der Erde Arbeit, bevor sie – nicht mehr arbeitsfähig – wieder in den Weltraum abgestrahlt wird.

Das betrifft insbesondere die durch Ausbildung von Temperaturdifferenzen ablaufenden Wasser- und Luftzirkulationen mit ihren Zwischenprodukten Wind- und Wasserkraft und den natürlichen Kohlenstoffkreisprozess mit dem Zwischenprodukt „Biomasse“, die im Zuge ihrer natürlichen Verrottung unter Abgabe von Wärme mit niedriger Temperatur wieder in CO2 und Wasser zerfällt. Ein Teil der Biomasse wurde von der Natur in fossile Brennstoffe umgewandelt.

Die Voraussetzung für die zyklische Erneuerung der Wind- und Wasserkräfte sowie für die natürliche Produktion von Biomasse sind auf der Erde nach wie vor gegeben, die für fossile Brennstoffe nicht.

Seit mehr als 100 Jahren ist bekannt, dass das energiewirtschaftliche Leistungsvermögen der zur Verfügung stehenden Wind- und Wasserkräfte vielfach höher ist als das der natürlichen Biomasseproduktion. In diesen Vergleich sind allerdings die weltweiten Windkräfte, also auch die auf den Weltmeeren, einbezogen. Somit erhebt sich grundsätzlich die Frage nach einer praktischen Methode zur „Abschöpfung“ der auf den Weltmeeren, also außerhalb bestehender elektrischer Netze, zur Verfügung stehenden regenerativen Energie.

Die Ergebnisse der bisherigen Arbeiten zur Nutzung von Sonnenenergie sind gekennzeichnet durch technische Vorrichtungen zur Umwandlung von Sonnenstrahlung in Wärme- und Elektroenergie sowie von Wasser- und Windkraft in Elektroenergie auf dem Lande. Darauf aufbauend wurde für das Verkehrswesen der Lösungsansatz „Wasserstoff und Brennstoffzelle“ über mehr als 30 Jahre verfolgt. Jetzt, in der Phase der Versuche zur praktischen Umsetzung werden jedoch die Schwierigkeiten deutlich, die die Stoffwerte des Wasserstoffes in Bezug auf Energiedichte, Transport- und Lagerstabilität zur Folge haben.

Es mehren sich kritische Stimmen auch in der Autoindustrie und es zeigt sich, dass brauchbare technische Lösungen zur Bereitstellung von Wasserstoff aus regenerativer Energie nicht zur Verfügung stehen. Verantwortlich für diese Situation wird zurzeit die fehlende Infrastruktur zur Verteilung von Wasserstoff gemacht, d. h. das fehlende Netz von Wasserstofftankstellen, und es gibt Vorschläge, ein solches Netz als Vorleistung zu errichten und dieses mit Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen, vorrangig Erdgas, zu betreiben. Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn der Übergang zu solarem Wasserstoff sichergestellt ist. Ansonsten ist die direkte Verwendung von Erdgas als Treibstoff unbestritten einfacher und wirtschaftlicher, aber allein schon wegen der begrenzten Vorräte nicht zukunftsfähig.

 

 
Gewichtsanteile
[kg/kg]
Molverhältnis
Wasserstoffbedarf
[kmol/kmol]
 
C
H2
O2
C
H2
O2
 
Methan
0,75
0,25
-
1,0
2
-
-0,94
Flüssige Kraftstoffe
0,85
0,15
-
1,0
1,06
-
-
Biomasse
0,50
0,06
0,43
1,0
0,71
0,32
0,99
Erdöl
0,85
0,11
0,04
1,0
0,78
0,02
0,32
Kohle
0,83
0,05
0,12
1,0
0,36
0,06
0,82
NTV*-Kohle
0,86
0,04
0,10
1,0
0,28
0,04
0,86
NTV*-Gas
0,23
0,07
0,70
1,0
2,00
1,16
1,32

 

*) NTV ... Niedertemperaturvergasung


Tabelle 1

Wasserstoffbedarf in kmol/kmol C bezogen auf H-C-H

Tabelle 1 zeigt, dass der mit Bezug auf flüssige Kraftstoffe im Erdgas vorhandene „Wasserstoffüberschuss“ sinnvoller Weise verwendet werden kann zur Verbesserung des Kohlen-/Wasserstoff-Verhältnisses in der Mineralölindustrie und dass regenerativer Wasserstoff mit dem Ziel der Erhöhung der Produktausbeute bei der Erdölverarbeitung eingekoppelt werden könnte.
Quelle: Choren

Abbildung 1
Grundvarianten der Synthesegaserzeugung

 

Das fehlende System der Wasserstofftankstellen ist somit keine glaubhafte Erklärung für den Stand bei der Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus regenerativer Energie und keine Voraussetzung dafür.

Wenn die Stoffwerte des Wasserstoffes Probleme bei der Speicherung und dem Transport verursachen, stellt sich die Frage nach einfacheren Bedingungen. Die Natur hat die Frage längst beantwortet, nämlich durch chemische Anbindung an Kohlenstoff, allerdings – und das sind die Erkenntnisse aus der Nutzung der fossilen Brennstoffe – an regenerativen Kohlenstoff, also an Kohlenstoff, der von der Natur aus CO2 reproduziert wurde.

Somit liegt es nahe, technische Prozesse zu suchen, mit denen aus Biomasse oder direkt aus CO2, Wasser und Sonnenenergie den fossilen Brennstoffen ähnliche und damit marktgerechte Stoffe, darunter Kraft- und Brennstoffe, hergestellt werden können.

Biomassevergasung

Bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus Biomasse über den Weg der thermischen Umwandlung (Biomassevergasung) kann je nach Kraftstoffart ein Energieumwandlungsgrad von 50 bis 60% erreicht werden, d. h. 50 bis 60% des Energieinhaltes der Biomasse findet man im Produkt „Kraftstoff“ wieder.

Charakteristisch für diese Methode ist, dass bereits in der ersten Prozessstufe, der Synthesegaserzeugung, mehr als die Hälfte des von der Natur aus CO2 reproduzierten Kohlenstoffs wieder in Form von CO2 aus dem Prozess an die Umwelt abgegeben werden muss. Da das Leistungsvermögen des natürlichen Kohlenstoffkreisprozesses begrenzt ist und für die vollständige Substitution der fossilen Brennstoffe sowieso nicht ausreicht, kann das nicht zufrieden stellen.

Die „Ergiebigkeit“ der Biomasse kann durch Zuführung von Wasserstoff verdoppelt werden (hydrierende Vergasung von Biomasse). Daraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die kombinierte Nutzung von Biomasse als Kohlenstoffträger und von regenerativer Energie zur Bereitstellung von Wasserstoff aus Wasser ein besserer Weg zur Lösung der Aufgabe sein kann. Der Kohlenstoff der Biomasse kann auf diese Art vollständig genutzt werden (siehe Abbildung 1).

Die Kraftstoffausbeute verdoppelt sich auch gegenüber reinen Wasserstoff-Systemen. Der Wirkungsgrad des Gesamtprozesses kann 75% sein und 80% davon sind Kraftstoff. Abbildung 2 zeigt die Strategie der Nutzung der Sonnenenergie zur Energie- und Kraftstoffgewinnung.

Bei diesem Stand des Erkenntnisprozesses muss dann allerdings zwangsläufig die Frage gestellt werden, ob wir die Aufarbeitung von CO2 der Natur überlassen müssen, oder ob es nicht vorteilhafte technische Methoden gibt, die es ermöglichen, den natürlichen Kohlenstoffkreisprozess nachzugestalten und die Natur zu entlasten, indem nicht Biomasse, sondern CO2 und Wasser als Einsatzstoffe für die Umwandlung von Sonnenenergie in chemische Energieträger eingesetzt werden.

Betrachtet man stellvertretend für die Vielzahl der die Biomasse charakterisierenden Strukturen die gekürzte Summenformel für die Photosynthese von CO2 und Wasser zu Glukose, dann kann man folgende vereinfachte Basisformel ableiten:

 

CO2 + H2O + ESonne → CH2 + 1,5 O2 (1)

 

Im Zuge des Suchens nach einer technischen Lösung wurde erkannt, dass die nachfolgende in Abbildung 3 gezeigte Kombination industriell erprobter Prozessstufen zum gleichen Ergebnis führt. Die nachfolgende Formel (2) ist somit die von der Natur vorgegebene Basisformel für „Erneuerbare Kraftstoffe“.

 
Ereg
 
 
 
CO2 + H2O
←→
CH2 + 1,5 O2 (2)
 
 
 
Enutz
 

 

 

Durch Gewinnung von Elektroenergie aus regenerativer Energie und deren Verwendung für die Wasserelektrolyse ist es möglich, aus CO2 und Wasser marktfähige Kraftstoffe im unendlichen Zyklus, also „Erneuerbare Kraftstoffe“, herzustellen. Das gilt für Methanol, Benzin, Diesel oder andere Kraftstoffe.

Da sich Methanol, so wie es DaimlerChrysler in ihren Brennstoffzellenfahrzeugen realisiert, auch in Wasserstoff und Kohlendioxid zerlegen lässt, ist Kohlenstoff ein universeller Wasserstoffträger. Unter dem Titel „Klimaschutz mit CO2“ wurde bereits 1995 über die Vorteile der Verwendung von aus CO2 reproduziertem Kohlenstoff als Wasserstoffträger berichtet [3].

Inzwischen planen die USA für das Jahr 2018 eine Marsmission, die keine Treibstoffe für den Rückflug zur Erde mitführen soll. Die Missionsmitglieder sollen sich diese Treibstoffe auf dem Mars aus CO2, Wasser und Sonnenenergie selbst herstellen. Nach der gleichen Methode planen die USA lebenserhaltende Bedingungen auf dem Mars aufzubauen und den Mars zu bevölkern.

 

Abbildung 2
Nutzung der Sonnenenergie für die Energieversorgung und Kraftstoffgewinnung

 

(2) kann somit als Basisformel für den Aufbau einer lebenserhaltenden solaren Stoff- und Energiewirtschaft auf der Erde und im Weltraum, also für die Nachhaltigkeit in der Stoff- und Energiewirtschaft, angesehen werden.

Der Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen der DaimlerChrysler AG, der Choren Industries GmbH und der UET Umwelt- und Energietechnik Freiberg GmbH sieht vor, bis Mitte 2003 erneuerbare Kraftstoffe mit Brennstoffzellen- und Dieselfahrzeugen im praktischen Einsatz zu testen.

 

Abbildung 3
Nutzung der Sonnenenergie für die Energieversorgung und Kraftstoffgewinnung

 

Literatur
[1] Studie der Royal Dutch/Shell Gruppe „Energy Needs, Choices and Possibilities—Scenarios to 2050“, 2001 [^]
[2] Deutsche Shell Aktiengesellschaft, Analysen und Vorträge 1/1998 [^]
[3] Energie & Management, 01.09. 1995, Dr.-Ing. Bodo Wolf, Klimaschutz mit CO2 [^]
[4] Wolf, B., Basiskonzept der solaren Stoff- und Energiewirtschaft, Solarzeitalter 3-2002, Seite 23-27[^]

 

*) Dr.-Ing. oec. Bodo M. Wolf ist geschäftsführender Gesellschafter der Choren Industries GmbH in Freiberg [^]

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