Zeitschrift EE

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2003-02: Mobilität mit Erneuerbaren

Technisch-wissenschaftliche Beiträge

Erneuerbare Energien sind im Strombereich inzwischen auf einem sehr guten Wachstumspfad.

Treibstoffe durch erneuerbare Energien

Von Hans-Josef Fell*

Nach Untersuchungen der Ludwig Bölkow Systemtechnik kann bei einem Fortschreiben der in den letzten zehn Jahren erreichten Wachstumsraten in der Stromerzeugung im Jahre 2020 über die Hälfte des Strombedarfs der EU mit erneuerbarem Strom gedeckt werden. Überträgt man die in wenigen Ländern erreichten besonders hohen Wachstumsraten auf alle EU-Länder, so kann im Jahre 2020 sogar eine Vollversorgung mit erneuerbarem Strom erreicht werden.

Die gleichen Hochrechnungen für den Wärme- und Treibstoffsektor ergeben aber, dass noch längst nicht ausreichende Wachstumsraten erreicht worden sind. Da der Treibstoffbereich praktisch ausschließlich vom fossilen Erdöl gedeckt wird, läuft der Verkehr in die Erdölfalle. Die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas können bei weitem nicht den Treibstoffbedarf der kommenden Jahrzehnte decken. Auch aus Gründen des Klimaschutzes ist eine Strategie für Treibstoffe aus erneuerbaren Energien zwingend erforderlich.

Energieverbrauch der Transportsysteme

Die Dominanz des heutigen Individualverkehrs muss abgebaut werden und die Mittel in umweltverträgliche öffentliche Verkehrssysteme wie Bus und Bahn umgelenkt werden. Die Förderung des Fußgänger- und Radverkehrs ist zwingend erforderlich. Allerdings wird es nie möglich sein, den Individualverkehr vollständig durch öffentlichen Verkehr zu ersetzen. Daher muss auch ein besonderes Augenmerk auf die Ökologisierung des Individualverkehrs gerichtet und der spezifische Energieverbrauch der Fahrzeuge reduziert werden. Dies gilt gleichermaßen für Flugzeuge, Schiffe, Busse, Bahnen, Automobile oder Zweiräder.

Die strukturellen Veränderungen der Verkehrssysteme und die Senkung des spezifischen Energieverbrauches genügen jedoch nicht, um aus der zunehmenden Verschärfung der Klimaprobleme und der Ressourcenverknappung einen Ausweg zu finden. Mit weltweit steigenden Transportleistungen von Gütern und Personen werden die so eingesparten Emissionen überkompensiert. Zwingend erforderlich ist daher die Umstellung des Treibstoffsektors auf erneuerbare Energie.

 

Abbildung 1
Die Dominanz des heutigen Idividualverkehrs muss abgebaut werden und die Mittel in umweltverträgliche öffentliche Verkehrssysteme wie Bus und Bahn umgelenkt werden

Nutzung der Sonnenenergie

Solarmobile sind vor allem als Elektromobile im solaren Netzverbund eine wichtige Option. Da Batterien auch heute noch relativ schwer sind, sind Solarmobile vor allem als Elektroleichtmobile sinnvoll. Solarboote und solare Flugzeuge sind ebenso wichtig. Besonders Luftschiffe mit ihrem spezifisch niedrigeren Energieverbrauch eignen sich für die Nutzung mit Solarenergie. Da bei allen direkten solaren Anwendungen für Batterien noch Entwicklungsbedarf besteht, wurde in den Haushaltsbeschlüssen für den Bundeshaushalt durchgesetzt, dass verstärkt Forschungsmittel für Elektromobile eingesetzt werden. Erste vielversprechende Projekte sind bereits genehmigt.

Wasserstoff:
Treibstoff der Zukunft

Die Automobilkonzerne der Welt und viele Regierungen setzen vor allem auf Wasserstoff als den Treibstoff der Zukunft. Wasserstoff kann allerdings nur als Zukunftsoption gesehen werden, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt wird und nicht aus Erdgas oder gar aus Kernenergie. Die technischen Schwierigkeiten der Wasserstoffnutzung mit Hilfe der Brennstoffzelle oder des Verbrennungsmotors sind allerdings größer als ursprünglich angenommen, so dass viele Automobilkonzerne die Ankündigungen für die Markteinführung verschoben haben. Statt Mitte dieses Jahrzehnts wird nun die Markteinführung in zehn bis fünfzehn Jahren erwartet. Als schneller realisierbare Alternative treten deshalb in letzter Zeit immer mehr die Biotreibstoffe in den Mittelpunkt.

Kraftstoffe aus Biomasse

In Deutschland werden jährlich ca. 60 Mio. t Benzin und Dieselkraftstoff verbraucht. Diese Treibstoffe haben gravierende Nachteile wie die Klimagefährdung, begrenzte Ressourcenreichweite und Ressourcenkonflikte. Im Gegensatz zum Wasserstoff stehen Biokraftstoffe bereits heute zur Lösung dieser Probleme zur Verfügung. Sie tragen zum Klimaschutz bei, weil bei ihrer Nutzung im wesentlichen nur soviel CO2 freigesetzt wird, wie von der Pflanze beim Aufwuchs gebunden wurde. EUROSOLAR setzt zusammen mit der Europäischen Kommission auf Biokraftstoffe. Unterstützung gibt es von den Verbänden der erneuerbaren Energien, Naturschutzverbänden, der Automobilindustrie und dem Bauernverband. Der Deutsche Bundestag hat im Sommer eine Steuerbefreiung für alle Biotreibstoffe beschlossen. Sie wird die entscheidende Grundlage für deren Markteinführung sein.
Biotreibstoffe können in einer großen Vielfalt genutzt werden.

Abbildung 2
Die Solarzellen waren bei Solarmobilen der ersten Generation direkt am Fahrzeug montiert

Pflanzenöle

Bislang liegt der Schwerpunkt bei den biogenen Treibstoffen in Deutschland und Europa auf den Pflanzenölen. Pflanzenöle stehen sowohl naturbelassen als auch in veresterter Form (Biodiesel) zur Verfügung und können wichtige Nischen abdecken wie z. B. den Landwirtschaftssektor (Betrieb von Traktoren mit Pflanzenölen) und weitere umweltsensible Bereiche. Pflanzenöle werden in Deutschland vor allem aus Raps, Sonnenblume und Leindotter gewonnen. Für Pflanzenöle hat sich bereits ein nennenswerter Markt für die Nutzung in Automobilen oder Blockheizkraftwerken entwickelt, da sie bereits seit Jahren steuerbefreit sind.

Bioethanol und Biomethanol

In Ländern wie z. B. Brasilien, Schweden und Frankreich wird in hohem Maße Ethanol getankt. Ethanol wird bislang v. a. bei der Zuckerproduktion gewonnen, kann aber mit neuartigen Techniken aus einer Vielzahl von Pflanzen produziert werden. Biomethanol (als synthetischer Treibstoff) hingegen ist noch im Forschungsstadium und könnte auf längere Sicht beim Antrieb von Brennstoffzellen eine Rolle spielen. Auf längere Sicht vielversprechend ist die Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus Biomasse. Vor allem VW setzt auf diese Strategie. Nahezu jede Biomasse – darunter auch Holz – kann genutzt werden. Aus den Pflanzen wird ein Synthesegas erzeugt, welches entweder Wasserstoff oder einen vielseitig einsetzbaren flüssigen Treibstoff erzeugt, der sowohl in Benzin- und Dieselmotoren als auch in Brennstoffzellen (z. B. in Form von Methanol) verwendet werden kann.

Biogas

Ebenfalls direkt zur Verfügung steht Biogas. Biogas entsteht bei der Vergärung von Pflanzen und Tiergülle. Biogas kann in das Gasnetz eingespeist und an jeder Gastankstelle getankt werden. Die Potenziale sind groß, da sehr viele Pflanzen und biogene Reststoffe verwertet werden können. Die verbleibende Gülle wird auf Feldern als Qualitätsdünger ausgebracht und ersetzt den chemischen Mineraldünger.

Potenziale

EUROSOLAR hält es für möglich, den gesamten Treibstoffbedarf mit Biokraftstoffen zu decken. Daimler-Chrysler schätzt die Potenziale von Biokraftstoffen in Europa selbst unter deutlich einschränkenden Annahmen auf 40% des gesamten Kraftstoffverbrauchs. VW schätzt, dass ca. 41% des weltweiten Kraftstoffbedarfes über Biomasse abgedeckt werden könnte. Durch effizientere Verfahrenstechniken, innovative Anbautechniken wie z. B. Mischfruchtanbau und energieeffizientere Fahrzeuge lässt sich der Anteil bis zur vollständigen Deckung des Mineralölbedarfs steigern.

 

Abbildung 3
Mit den Energiepflanzen wächst die Vielfalt auf den Feldern

 

Ökologie

Biogene Kraftstoffe sind eine große Chance für den Klimaschutz. Ihre Energiebilanz ist positiv, selbst wenn Pflanzen eigens angebaut werden müssen. Mit den Energiepflanzen wächst die Vielfalt auf den Feldern, und es ergeben sich ganz neue Perspektiven wie z. B. der gemeinsame Anbau verschiedener Pflanzen. Die Unkrautbekämpfung wird dadurch überflüssig. Da die meisten Energiepflanzen nicht ausreifen müssen, kann auch auf die Schädlingsbekämpfung verzichtet werden. Zudem kann in großem Maße Biomasse in Naturschutzgebieten (z. B. Niedermooren) abgeschöpft werden, wodurch diese Gebiete in ihrem Charakter erhalten werden können. Durch die Nutzung der überschüssigen Biomasse erhält der Naturschutz eine ökonomische Grundlage.

Eine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln ist nicht zu befürchten, da Energiepflanzen z. B. als Vorfrucht oder in Mischungen angebaut werden. Zudem stehen Hölzer und Biomassereste in großer Zahl zur Verfügung. In sehr trockenen Ländern können durch Energiepflanzen sogar Gebiete für die Landwirtschaft gewonnen werden, die für den Anbau von Lebensmitteln zu trocken sind.

Durch die Nutzung synthetischer Kraftstoffe aus Biomasse lässt sich die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von der Politik der erdölexportierenden Länder deutlich reduzieren. Biomasse ist weltweit breit verfügbar und kann insbesondere ressourcenarmen, aber agrarisch strukturierten Ländern die Möglichkeiten für neue Produktionszweige bieten. Durch die geringere Abhängigkeit vom Erdöl verringern sich auch die Konfliktpotenziale, z. B. im Nahen Osten und Zentralasien.

Damit bieten sich sowohl für die deutschen als auch für die mittel- und osteuropäischen EU-Bauern neue Chancen außerhalb der Nahrungsmittelmärkte. Die Produktion großer Mengen biogener Treibstoffe ist eine Alternative zum Anhäufen von Butter- und Getreidebergen. Des weiteren wird Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus Exportchancen bei der Verwirklichung solcher Anlagen eröffnet werden.

Literatur:
Fell, H., Treibstoffe durch Erneuerbare Energien – ein breites Spektrum, Solarzeitalter 3-2002, Seite 21 - 22

 

*) Hans-Josef Fell ist Vorsitzender der deutschen Eurosolar-Sektion in Bonn [^]

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