Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2003-03: Bioenergie

Biogas

Auf Grund neuer ökonomischer Rahmenbedingungen ist bis Ende 2004 mit einer Biogasoffensive zu rechnen, wobei der Einsatz von Energiepflanzen aus Stilllegungsflächen im Mittelpunkt stehen wird.

Biogas im Aufwind

Von Walter Graf*

Österreichweit sind circa 50.000 ha Stilllegungsflächen für die Erzeugung von Strom aus Energiepflanzen nutzbar. Pro ha können rund 20.000 kWh pro Jahr erzeugt werden, das ergibt einen Anschlusswert pro ha von 2,5 kWel.. Das gesamte Potenzial beträgt daher 125.000 kWel. Davon sind theoretisch bis Ende 2004 rund 20.000 kWel (das sind ca. 16%) umsetzbar.
Zur Zeit werden primär Anlagen mit einer elektrischen Leistung von 500 kW geplant, um den Ökostromtarif von 14,5 €-Cent zu nutzen. Sobald die Investförderung des Landwirtwirtschaftsministeriums in Kraft treten wird, die eine Direktförderung von bis zu 40% für bäuerliche Gemeinschaftsanlagen zwischen 40 und 250 kW vorsieht, könnte sich das Spektrum der gängigen Leistungsklassen schlagartig erhöhen. Durch diese Anreizförderung könnten, nach ersten Rückmeldungen der österreichischen Biogasanlagenberater, im unteren Leistungsniveau etwa 30 x 100 kW (freiwillige Leistungsbegrenzung, um den Tarif von 16,5 €-Cent pro kWhel zu nutzen) und weitere 30 x 250 kW (zur Nutzung der Maximalförderung von 40%) zusätzlich installiert werden. Das ergibt rund 25% des Biogaspotenzials aus den Stilllegungsflächen. Um ein Vielfaches könnte die Biogasgewinnung aus Energiepflanzen, die als Vor-, Nach,- und Zwischenfrucht im Getreidebau angebaut werden, sein.
In Österreich sind derzeit über 130 Biogasanlagen in Betrieb (siehe Abbildung 1), die circa 40 Mio. Kilowattstunden elektrischen Strom und etwa 50 Mio. Kilowattstunden Wärme pro Jahr erzeugen und somit rund 16.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen. 20 Anlagen mit einer elektrischen Anschlussleistung von etwa 10.000 kW (gesamt) sind geplant oder im Bau.

Trends

Aufgrund der aktuellen Ökostromregelung zeichnen sich zwei neue Trends in der Biogastechnik ab: einerseits zu leistungsstärkeren Anlagen, andererseits zu einer spezifischeren Substratwahl.
Bei der derzeitigen Einspeiseregelung wird wahrscheinlich die Leistungsklasse bis 500 Kilowatt (kW) die meistgebaute Anlagengröße in Österreich sein. Das setzt eine Gasproduktion von ca. zwei Mio. m3 pro Jahr voraus. Weniger Gas pro Jahr heißt allerdings nicht automatisch, dass der Betreiber nicht wirtschaftlich arbeiten kann. Möglich wird dies allerdings nur - wie Modellrechnungen zeigen - durch extrem niedrige Investkosten. Festzuhalten ist, dass bei einer Investsumme von mehr als 4.000,- € pro kWinstalliert die Anlage ohne zusätzliche Einnahmequellen kaum noch wirtschaftlich betrieben werden kann.

Substratwahl

Dreh- und Angelpunkt für einen wirtschaftlichen Betrieb einer 500 kW-Biogasanlage ist die kostengünstige Substratbereitstellung. Üblicherweise stellt sich jedoch diese Überlegung bei der Verwertung von Gülle und Mist gar nicht, da diese Substrate im Betrieb kontinuierlich anfallen und somit keine Produktionskosten verursachen. Neben dem Kostenfaktor spielt natürlich auch die Gasausbeute eine Rolle.
Sowohl Mist und Gülle als auch biogene Reststoffe spielen bei den neuen Biogasgroßanlagen keine entscheidende Rolle, da diese Substrate in der benötigten Menge und Qualität in der Regel nicht zur Verfügung stehen. Der Trend geht daher zu Energiepflanzen, die auch eine höhere Energiedichte aufweisen.
Langjährige Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass sich eine ganze Reihe von Kulturpflanzen als Energiepflanzen für die Biogasproduktion eignen. Aus unerklärlichen Gründen gilt jedoch der Mais als Synonym für Energiepflanzen. Aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten ist dieser Status ungerechtfertigt und sollte rasch revidiert werden.
Ein hoher Biomasseertrag pro Hektar ist ein wichtiger Parameter für die ökonomische Bewertung der Stromproduktion aus Energiepflanzen, jedoch nicht der einzige. Wichtig ist auch die Biomassequalität und der Substrataufschluss. Nur gut aufbereitete, hochqualitative Energiepflanzensilage bringt Biogas von bester Qualität (hoher CH4-Anteil) und höchstmögliche Erträge.

Perspektiven

Die neue Tarifgestaltung für Ökostrom greift im Bereich der Kofermentation so dramatisch ein, dass Kofermente in landwirtschaftlichen Biogasanlagen kaum mehr eingesetzt werden. Warum? Wenn jemand auch nur ein Kilo Kofermente jeglicher Art in die Biogasanlage einbringt, reduziert sich der festgelegte Tarif um 25%. Bedenkt man außerdem die Auflagen in diesem Bereich (Hygienisierung etc.) und den Preisverfall für Kofermente in den letzten Jahren, dann ist der Anreiz, Biogasanlagen mit Kofermenten im Mix mit landwirtschaftlichen Urprodukten zu betreiben, sehr gering. Das lässt allerdings nicht den Umkehrschluss zu, dass solche Anlagen überhaupt nicht mehr gebaut und betrieben werden könnten. Im Gegenteil, das Potenzial für Anlagen, die ausschließlich mit Kofermenten betrieben werden, wird in Österreich auf 150 bis 350 Stück (je nach Größe) geschätzt und sollte in den nächsten Jahren auch genützt werden. Betreiber solcher Anlagen werden kommunale und private Abfallentsorger und Betriebe der Nahrungsmittelindustrie sein.

Fazit

Biogastechnik ist ausgereift, finanzier- und sofort einsetzbar. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen passen. Nun liegt es an den Bauern, sich mit Hilfe dieser Technik ein solides Standbein zu schaffen.
Österreichs politische Entscheidungsträger haben für Biogas wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen, die den Betrieb von Biogasanlagen langfristig profitabel machen. Profitabel heißt, fünf bis sieben Prozent des Investkapitals sollten mindestens als Rendite erzielbar sein.

Abbildung 1: Entwicklung der Biogasanlagen in Österreich

Literatur
Graf, W.: »Biogas für Österreich«. Hrsg.: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft; 3. Auflage; 1998.
Graf, W.: »Energy from Grass and other Energy Crops.« Hrsg.: Vienna University of Technology; 2000.
Graf, W.: »Grass Power - Biogas from Grass«. Lecture Papers; Nordic & European Bioenergy Conference; Hrsg.: Bioenergy Department, University of Southern Denmark; 2001.
Graf, W.: »Kraftwerk Wiese -Strom und Wärme aus Gras«. Hrsg.: Walter Graf; 2. Auflage; 2001.
Graf, W.: »Der Biogasreport. Stand der Technik - Potenziale - Perspektiven«. Hrsg.: Walter Graf; 2002.

 

*) Walter Graf ist Fachjournalist für Umwelt und Energie und Vorsitzender der Arge Biogas, www.natur-schutzbund.at/arge_biogas.html [^]

Top of page