Zeitschrift EE

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2003-03: Bioenergie

Energiepolitische Aspekte

Holzstoss Die Diskussion um Biomasse und damit auch um die Verwendung öffentlicher Mittel zur Förderung von Biomasse kreist um eine Unzahl von Argumenten zum Teil geradezu mythenhaften Charakters.

Volkswirtschaftliche Bedeutung von Biomasse

Von Reinhard Haas und Lukas Kranzl*


Biomasse sei der regenerative Energieträger, der das Potenzial in sich trägt, Österreichs Energieverbrauch auf eine nachhaltige Basis zu stellen, damit Österreichs Probleme mit der Erfüllung des Kyoto-Ziels zu lösen, der darüber hinaus auch Wirtschaftsmotor ist, Einkommen schafft, ländliche Strukturen stärkt, zur Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft beiträgt und Österreich einen Beschäftigungsimpuls zu verpassen in der Lage ist. Andererseits seien Biomasseanlagen aber astronomisch teuer, immer noch mit überhöhten Emissionen von Luftschadstoffen verbunden, und überdies könne angesichts der Schlägerung von Wäldern für die Biomasse-Versorgung von Nachhaltigkeit keine Rede sein.
Was sind nun aber die tatsächlichen Effekte einer verstärkten Biomassenutzung? Welche Argumente sind tatsächlich von Relevanz und sollten daher in der Diskussion in erster Linie Beachtung finden?
Im Auftrag des BMVIT führten die Autoren eine Studie durch (Haas und Kranzl, 2002), mit dem Ziel, die Vielzahl an gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Biomasse zu analysieren. Daraus wird eine Antwort auf die Frage abgeleitet, ob - und wenn ja, wie -Biomasse effizient gefördert werden soll. Die Untersuchung bezieht sich auf die Nutzung von Biomasse zu Heizzwecken, wobei Abhängigkeiten zu anderen Formen des Biomasse-Einsatzes - z. B. der Verstromung - Berücksichtigung finden.

Derzeitige Nutzung

Zunächst werden die derzeitige Nutzung und die zusätzlich nachhaltig nutzbaren Potenziale der Biomasse betrachtet: Mit 136 PJ wurden im Jahr 2001 etwa 10 % des gesamten österreichischen Primärenergieverbrauchs durch Biomasse gedeckt. Mehr als die Hälfte davon wird in Haushalten genutzt, ein Viertel im Gewerbe und sonstiger Industrie, knapp ein Fünftel in der Papierindustrie und weniger als 2% im Verkehr. Etwa 17% der Haushalte wurden mit Biomasse beheizt. In diesem Sektor wurde in den letzten Jahrzehnten schrittweise der Einzelofen durch Zentralheizungen ersetzt. Bei den Brennstoffen überwiegt bei weitem Stückholz (91%). Mit Hackgut wird in 7% aller Biomasse-Haushalte geheizt und der boomende Pelletsmarkt hält bei einem Marktanteil von etwa 2% des Biomasse-Energieverbrauchs in Haushalten.

Potenzialanalyse

Die Analyse der nachhaltig nutzbaren Potenziale ergibt jährlich etwa 100 PJ an zusätzlicher Biomasse-Primärenergie. Diese setzen sich zusammen aus dem Durchforstungsrückstand in Österreichs Wäldern, aus dem derzeit ungenutzten Waldzuwachs, der Nutzung von Stroh, Sägenebenprodukten und Altholz sowie dem Anbau von Energiewäldern und Energiepflanzen auf Bracheflächen. Die Anzahl der mit Biomasse beheizten Wohneinheiten könnte damit -bei gleichbleibender Energieeffizienz - auf 44% im Jahr 2020 gesteigert werden. Dazu ist allerdings festzustellen, dass Effizienzsteigerungen speziell der Gebäude bei der Forcierung der Biomasse-Nutzung von hoher strategischer Bedeutung und Notwendigkeit sind. Gelingt es, den derzeitigen Energieverbrauch von über 200 auf unter 100 kWh pro m² und Jahr zu senken, so könnten über 70% der Wohneinheiten mit Biomasse versorgt werden -beziehungsweise entsprechend größere Biomasse-Potenziale zur Verstromung eingesetzt werden.

Die Primärenergie-Potenziale für eine Biomasse-Forcierung sind also vorhanden. Die Frage ist jedoch, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten sind und inwiefern die Verwendung staatlicher Subventionen zur Erschließung dieser Potenziale gerechtfertigt ist.

Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Methodik entworfen, mit der für eine Reihe von Biomasse-Anwendungen Indikatoren ermittelt werden, die jeweils einzelne Aspekte der Dimensionen der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung darstellen. Folgende Dimensionen, aus denen die gesamtwirtschaftliche Relevanz resultiert, wurden betrachtet:

  • Makroökonomische Kriterien (Einkommen, Beschäftigung, Staatshaushalt, Handelsbilanz)
  • Betriebswirtschaftliche Aspekte (Kosten der Biomasse-Systeme)
  • Regionale und soziale Verteilungsaspekte (Verteilung von Einkommen und Beschäftigung auf verschiedene Regionen und soziale Gruppen)
  • Ökologische Auswirkungen (Luftschadstoffemissionen, Treibhausgasemissionen)
  • Langfristige Aspekte der Versorgungssicherheit

Ökologische Effekte

Bei der Ermittlung der ökologischen Effekte, die der Einsatz von Biomasse für Heizzwecke bewirkt, zeigt sich, dass es bei allen Arten von Heizsystemen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen kommt, während sich die Luftschadstoffemissionen erhöhen. Nicht bewertet wurden dabei allerdings die technische Entwicklung, die Möglichkeit der Emissionsreduktion durch verstärkte Nutzung in Großanlagen sowie die Notwendigkeit, Emissionen im städtischen Raum anders zu bewerten als im ländlichen. In den meisten Fällen werden deutliche Einkommenssteigerungen sowie Beschäftigungseffekte in strukturschwachen, ländlichen Regionen induziert, wobei dieser Effekt bei der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Brennstoffe höher ist, als bei Abfall- und Koppelprodukten. Die geschaffenen Arbeitsplätze können primär geringeren Einkommensklassen zugeordnet werden, so dass sich eine Verringerung der Einkommenskonzentration ergibt. In allen Fällen verringert sich das Handelsbilanzdefizit. Bei allen betrachteten Systemen kommt es zu einem Steuerentfall an Energiesteuern auf fossile Energieträger. Zusammen mit den vergebenen Subventionen ergibt sich daher eine Belastung des Staatshaushaltes. Dabei wurde angenommen, dass diese nicht durch Neuverschuldung finanziert wird, sondern durch entsprechende Reduktion anderer Staatsausgaben. Dadurch entsteht eine Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die jedoch die Einkommenssteigerungen bei den meisten Anwendungen nicht kompensieren kann, so dass daraus ein positiver gesamtwirtschaftlicher Effekt  resultiert.

Abbildung 1
Szenarien "Ambitionierte Biomasse-Forcierung ab 2002" (oben) und "Ambitionierte Biomasse-Forcierung ab 2010"

Szenarien der Biomasse-Forcierung

Die Ergebnisse dieser Indikatoren, die für die relevanten Biomasse-Heizsysteme ermittelt wurden, werden mit verschiedenen Szenarien der Biomasse-Forcierung bis 2020 kombiniert und so deren gesamtwirtschaftliche Effekte ermittelt - unter Annahme verschiedener künftiger Ölpreisentwicklungen: einerseits ein langfristig niederes Ölpreisniveau und andererseits eine Ölpreissteigerung ab 2010.

Abbildung 1 zeigt zwei verschiedene Szenarien der Biomasse-Forcierung. Im unteren Szenario wird Biomasse erst ab 2010 forciert, im oberen ab sofort. Letztes ist mit einer Reduktion der Treibhausgasemissionen von über 4,5 Mt/a im Jahr 2020 verbunden. Die externen Kosten der Luftschadstoffemissionen erhöhen sich allerdings auf etwa 50 M€/a.

Gegenüber dem "Business-as-usual-Szenario" - das heißt keine Forcierung bis 2020 - führen die Szenarien "Biomasse-Forcierung" zu einer deutlichen Steigerung der Einkommen und Arbeitsplätze, vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen, aber auch gesamtwirtschaftlich. Der Wohlstand - ausgedrückt im - Index of sustainable economic welfare - (ISEW) - steigt bei sofortiger Biomasse-Forcierung bis 2020 verbarwertet um 550 M€ bis 5.330 M€ (in Abhängigkeit der Berücksichtigung von Treibhausgasemissionen, Ressourcenverzehr sowie Ölpreis-Szenario). Im Fall langfristig niederer Ölpreise wird dies allerdings mit einer Belastung des Staatshaushaltes von 450 M€ (verbarwertet) erkauft, d. h., dass in diesem Ausmaß andere Staatsausgaben reduziert werden müssen, wenn das Biomasse-Szenario nicht durch öffentliche Neuverschuldung finanziert werden soll. Die daraus resultierenden dämpfenden Effekte auf die Gesamtwirtschaft (BIP und Beschäftigung) sind im Modell berücksichtigt.

Im Fall einer Ölpreis-Steigerung ab 2010 sind die positiven Nutzeffekte jedoch deutlich höher - auch bedingt durch die erhöhte Preisstabilität der Biomasse, die sich durch einen frühzeitigen Aufbau von Produktionskapazitäten ergibt - die Belastung des Staatshaushaltes beträgt nur 235 M€.

Werden die am häufigsten gebrauchten Argumente um die Förderung von Biomasse jeweils den entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Größen gegenübergestellt, so zeigen sich durchaus starke Abweichungen hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Relevanz dieser Argumente: Im Falle einer sofortigen Biomasse-Forcierung kommt es bis 2020 zu einer Reduktion der gesamten österreichischen Treibhausgas·Emissionen der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten um knapp 6%. In Abhängigkeit von der Entwicklung des Ölpreises bis zum Jahr 2020 ergibt sich eine Entlastung der Handelsbilanz von knapp 4% bis etwa 6% und eine Reduktion der Arbeitslosenzahlen um über 4% bis 5,5%. Die Emission von Luftschadstoffen erhöht sich um etwa 2% und der Staatshaushalt wird um etwa 0,25% bis über 1,5% belastet. Der gesamtwirtschaftliche Einkommenseffekt ist - bezogen auf das BIP - sehr gering.

Abbildung 2
Volkswirtschaftliche Indikatoren für das Jahr 2020 im Verhältnis zu gesamtwirtschaftlichen Größen bei Annahme eines niedrigen (obere Grafik) bzw. hohen Ölpreises

Schlussfolgerungen

Von oberster Priorität sind langfristige strategische Auswirkungen, die aus dem Ersatz fossiler Energieträger durch Biomasse resultieren (siehe Abbildung 3). Sie sind zum Teil - wie beispielsweise beim Fall von Treibhausgasemissionen - verknüpft mit ethischen Fragestellungen. Diese Nutzeffekte lassen die Verwendung öffentlicher Mittel zur Förderung von Biomasse gerechtfertigt erscheinen.

Anzustreben ist jedoch in jedem Fall eine Reduktion sowohl der Emissionen, als auch der Belastung des Staatshaushaltes. Dies kann beispielsweise durch die Kombination von Biomasse mit effizienzsteigernden Maßnahmen im Gebäudebereich sowie der Nutzung von Solarenergie erreicht werden - forciert durch die stärkere Integration der Biomasse in die Wohnbauförderung. Dadurch kann sich im Jahr 2020 der wohlfahrtssteigernde Effekt der Biomasse um über 100% erhöhen, während die Belastung des Staatshaushaltes um 40% sinkt. Weiters kann die Anzahl der Wohneinheiten, die maximal mit Biomasse versorgt werden können, auf über 70% erhöht werden.

Abbildung 3
Gesamtwirtschaftliche Relevanz verschiedener Indikatoren zur Beurteilung einer Biomasse-Forcierung

Literatur
Bentzen, Jan, Valdemar Smith: Regional income effects and renewable fuels. - In: Energy policy Vol. 25 No. 2 pp 185-191. 1997.
Berger M., Haas R., Kranzl L.: Strategien zur weiteren Forcierung erneuerbarerer Energieträger in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des EU-Weißbuches für erneuerbare Energien und der Campaign for take-off. Im Auftrag von BMwA und BMLFUW. - Wien 2001.
Haas, R., Kranzl, L.: Analyse der volkswirtschaftlichen Bedeutung der energetischen Nutzung von Biomasse für Heizzwecke und Entwicklung von effizienten Förderstrategien für Österreich. Endbericht. Im Auftrag des BMVIT. - Wien 2002.
Kratena, K., Schleicher, S.: Energieszenarien bis 2020. Im Auftrag von BMWA und BMLFUW. - Wien 2001.

*) Dr. Reinhard Haas und Dr. Lukas Kranzl, Institut für elektrische Anlagen und Energiewirtschaft, TU Wien, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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