Zeitschrift EE

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2003-03: Bioenergie

Energiepolitische Aspekte

Palz_Abb0 Der Begriff >Biomasse< wurde lange Zeit restriktiv angewandt, mal für nachwachsende Rohstoffe oder nur für Biogas. Im internationalen Sprachgebrauch umfasst Biomasse die ganze Palette biologischer Rest- und Abfallstoffe, die spezifisch in der Land- und Forstwirtschaft produzierten "Nicht-Nahrungsmittel", sowie alle daraus abgeleiteten Produkte.

Bioenergie - ein vielversprechender Markt

Von Wolfgang Palz*


Die althergebrachte Biomasse hat etwas "Anrüchiges"angesichts früherer Nutzung bei uns, die mit viel Mühe und Schmutz verbunden war. Meist gilt dies heute noch in der "Dritten Welt", wo Holz und Mist noch etwa 30% der gesamten Energieversorgung ausmachen. Worum es jetzt geht, ist die Entwicklung moderner, sauberer und nachhaltiger Bioenergie und Industrierohstoffe.
Der heutige Beitrag der Biomasse am Energieverbrauch entspricht in Bayern mit knapp 4% dem Durchschnitt in der EU, in Deutschland insgesamt ist es nur die Hälfte. In der EU entspricht der Biomasseanteil etwa 50% des gesamten Aufkommens aller erneuerbaren Energien. Mittel- und langfristig wird die Bioenergie ihren relativen Anteil unter den Erneuerbaren in der EU noch beträchtlich verstärken. So sieht etwa die europäische Kommission in ihrem Weißbuch über die Erneuerbaren für 2010 deren Anteil am gesamten Energieverbrauch auf 12% steigen, mit dem Löwenanteil für die Bioenergie.

Treibende Kraft

Das globale Interesse an umwelt- und klimafreundlicher Energie, wie sie die Erneuerbaren darstellen, ist auch eine treibende Kraft bei der Entwicklung der Biomasse. Sie ist CO2-neutral, ist anders als Mineralöl schwefelfrei und in vielen Anwendungen weniger umweltbelastend als herkömmliche Energien. Die Initiative der EU und vieler Staaten Europas und Lateinamerikas für die erneuerbaren Energien in Johannesburg ist das neueste Beispiel für die wachsende Rolle, die ihnen in der Bekämpfung des "global change" eingeräumt wird.
Hinter dieser Politik steht eine Mehrheit in der Bevölkerung, in der Gesellschaft insgesamt. Immer weniger wird die Zahl derer, die bezweifeln, dass wir auf dem Weg ins "Solarzeitalter" sind. Dazu kommt das Anliegen, die Energieversorgung insgesamt möglichst auf heimische Ressourcen umzustellen, also sicherer, sowie in dezentraler Produktion überschaubar zu machen. Letzteres gilt auch für die Stromproduktion, wo die Herausforderung besonders groß ist. Jedem ist klar, dass wir es hier, anders als bei der geplatzten ·bubble· der Informatik, mit einem nachhaltigen neuen Markt zu tun haben. Die Wachstumsmöglichkeiten sind fast unbegrenzt. Entsprechend groß ist die Perspektive für neuen Wohlstand und Arbeitsplätze, Technologieexport und Kooperation mit der Welt.

Agrarpolitik

Anders als bei Solar-, Windenergie und anderen Erneuerbaren stehen hinter der Biomasse aber noch andere geopolitische Belange, insbesondere die Agrarpolitik. An den Toren der "Agrarfestung EU" wird zunehmend gerüttelt. Langfristig wird schwer zu verhindern sein, dass die europäischen Nahrungsmittelmärkte sich nach außen öffnen. Hier gibt es die klassische Kontroverse, was dann mit dem frei werdenden Agrarland geschehen soll. Extensiver biologischer Landbau oder "non-food", also Biomasse. Wahrscheinlich wird sich beides bei uns entwickeln. Kleinbetriebe gilt es zu schützen, wobei die biologische Produktion eine wachsende Rolle spielen sollte, großflächige Agrarproduktionen dagegen könnten sehr wohl teilweise auf Biomasse umstellen.
Schließlich muss die Entsorgung als eigener Bereich der Biomasse hervorgehoben werden. Entsorgung ist eine Notwendigkeit an sich; sie mit Energiegewinnung zu verbinden macht ökonomisch Sinn. Das gilt für Restholz, Altholz, Stroh, Gülle, etc., soweit sie nicht anderweitig genutzt werden. Das Bewusstsein hierfür ist allerdings noch stark entwicklungsbedürftig. Beispiel Biogas. Mit viel Mühe und Enthusiasmus wird die Nutzung von Biogas in der Landwirtschaft entwickelt, die heute im Vergleich zu Deponie- und Klärgas in der EU nur eben mal ein paar % erreicht · ein Bruchteil von dem, was anderweitig einfach abgefackelt wird.
Es kann nicht bestritten werden, dass die Märkte für die modernen Formen der Bioenergie in einigen europäischen Ländern noch in den Anfängen stecken. Dabei ist normal, dass die üblichen Probleme von mangelnden Qualitätsstandards und Zertifizierung, Anlaufkosten, Genehmigungen etc. noch nicht voll behoben sind. Aber man ist wohl dabei, die europäischen Vorreiterländer wie etwa Dänemark und Österreich ein-, bzw. zu überholen, wobei z. B. die neuerdings bessere Förderung in Deutschland durch Bund und Länder eine Rolle spielt. Brüssel hat zwar durch mehrere Initiativen (Weißbuch EE, Direktive für Erneuerbaren Strom, Vorschlag von zwei Direktiven betreffend Biokraftstoffe, die am 25. Oktober 2003 vom EU-Rat angenommen werden sollen 1) wichtige Weichen gestellt, aber entscheidend bleibt die nationale Legislative.
Diese Anschubfinanzierungen haben einen sehr realen wirtschaftlichen Hintergrund, ist die Wettbewerbsfähigkeit der Biomasse am Markt doch klar abzusehen. Kostet die Tonne Heizöl am Weltmarkt heute 250 €/t, Tendenz steigend, so sind z. B. die Holzpellets mit etwa 300 €, auf den gleichen Heizwert gerechnet, in etwa konkurrenzfähig, wenn man insbesondere einen Bonus für den Wegfall des Schwefels einbezieht.

Deutscher Markt

Mengenmäßig stellen sich die teils sehr neuen Märkte in Deutschland in etwa so dar: 5 mio t Holz als konventioneller Markt zu dem sehr schnell etwa 2,5 mio t Altholznutzung in Kraftwerken sowie mehrere 100.000 t Hackschnitzel und Pellets kommen, sodann etwa 0,5 mio t äquivalent Klär- und Biogas, sowie 0,3 mio t Biodiesel. Es wäre falsch, zu glauben, dass die Energiepflanzen heute in Deutschland noch keine Rolle spielen. 400.000 ha werden schon für Energiepflanzen genutzt mit einem Wert von 250 mio € für die landwirtschaftlichen Betriebe.
Schauen wir nun kurz an, wie die Zukunft aussehen könnte. Die Möglichkeiten für den Einstieg in einen Massenmarkt stehen jedenfalls bereit. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, die Logistikprobleme klein zu halten, d. h. der dezentralen Natur der Biomasse gemäss, kleine lokale Einheiten zu favorisieren.
Abgesehen vom Altholz, ist das Nutzungspotenzial für Waldrestholz und feste Abfälle aus der Landwirtschaft ein Vielfaches des heutigen Verbrauchs. Das gleiche gilt für Biogas.
Das Anbaupotenzial für Biomasse in der Landwirtschaft ist enorm. Dabei sind schnellwachsende Arten, etwa C4-Pflanzen, von Interesse (Pflanzen mit C4-Ausstattung nehmen sehr effektiv C02 aus der Luft auf, können es in ihrem Gewebe gut bevorraten und brauchen deshalb die Spaltöffnungen ihrer Blätter nicht so weit zu öffnen. Das wiederum ist wasserökologisch bedeutsam. Zu den C4-Pflanzen gehören Mais, Zuckerrohr, Hirsearten und Chinaschilf. Sie sind den meisten anderen (C3-)Pflanzen deutlich überlegen, weil sie CO2 und Wasser wesentlich ökonomischer nutzen können, siehe Abbildungen 1 und 2) [2]. Es versteht sich, dass die Pflanzenauswahl auf niedrigen Verbrauch von Dünger und Pestiziden zu achten hat und Monokulturen vermieden werden. Für die Produktion von Biosprit könnten Zuckerhirse eher geeignet sein als die Zuckerrüben des konventionellen Zuckermarktes (siehe Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Hirse ist eine C4-Pflanze, aus der nicht nur Zellulose, sondern auch Körner, Zucker und Alkohol als Treibstoff gewonnen werden können. [^]

Von oben: Samen, junge Pflanzen, heranwachsende Pflanzen, Stützwurzeln, hervortretender Fruchtstand, reifender Fruchtstand

Anders als die Nutzung der "Lebensmittel" Öl als Biodiesel und Zucker für Biobenzin stößt die direkte Verbrennung von Getreide, die vom Bauernverband vorgeschlagen wird, auf ethische Vorbehalte. Unbestreitbar ist, dass es sich wirtschaftlich rechnet. Der Zuwachs an Holz in den deutschen Wäldern übersteigt bei weitem die Nutzung. Auch hier eröffnet sich ein bis heute ungenutztes Potenzial für den Energiemarkt.

Ungenutzte Möglichkeiten

Auch bei den Umwandlungstechniken stehen wir noch am Anfang vieler ungenutzter Möglichkeiten. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist besonders attraktiv für Biomasse, nicht nur bei den MW-Anlagen, die in der heutigen Planung weitgehend darauf verzichten, sondern auch bei den kleinen inklusive derer für den "Hausgebrauch". Für die Feuerungstechnik ist Fliessbettverbrennung bei den großen Anlagen sehr attraktiv während es bei den kleinen Anlagen nicht unbedingt die teuren Brennstoffzellen sein müssen, Mikroturbinen, kleine Dampfmaschinen etc. werden neuerdings auch interessant.
Eine große Rolle in der Biomasseentwicklung hat von jeher die Vergasung gespielt. Allerdings lassen nach jahrzehntelanger Forschung greifbare Ergebnisse immer noch auf sich warten. Ähnlich ist es bei der Pyrolyse zur Direktumwandlung von fester Biomasse zu Öl. Heute gibt es neue Ansätze, bei denen Pellets eine zentrale Rolle spielen. Zunächst ist wichtig, zu beachten, dass diese nicht nur aus Holz gepresst werden können, sondern auch aus jedem zellulosehaltigen Material, auch nassem Abfall aus der Landwirtschaft. Nach einer Verkokung kann man zunächst Holzkohle herstellen, die schon einen eigenen interessanten Markt hat. In einem weiteren Schritt kann daraus Gas gewonnen werden, genauso wie man früher in großem Stil aus Steinkohle Stadtgas erzeugte. Dieses Gas ist dann wieder die Grundlage zur Methanolgewinnung bis hin zum Biobenzin.
Insgesamt gibt es zur Gewinnung von Flüssigtreibstoffen, einem Marktsegment von besonderem Interesse also, gleich mehrere Möglichkeiten: Ethanolgewinnung aus Zucker (Anlagen von insgesamt mehr als 0,5 mio. t sind in Planung), Ethanol aus Zellulose mit einem ersten Schritt der Hydrolyse, enzymatisch (breite Forschung in den USA), oder durch Säure (bereits in der Schweiz großmaßstäblich angewandt), Methanol über Vergasung von fester Biomasse, sowie Pyrolyse.

Fazit

Für den Einsatz von Biomasse im großen Maßstab stehen wir heute am Wendepunkt; der Weg ist offen für ein faszinierendes neues Geschäftsfeld.

Abbildung 2[^]
Miscanthus ist eine schnell-wachsende C4-Pflanze
Frischer Setzling, junges Feld, angewachsene Pflanze, Ähre, Ernte, reifes Feld.

1) Die EU-Richtlinien, welche bezüglich der Biokraftstoffe mögliche Mengen in der EU festlegen sowie die Möglichkeit einer 100%igen Steuerbefreiung neu eröffnen, sind im Ministerrat und im EU-Parlament im Prinzip genehmigt.

 

Literatur:
[1] Festvortrag (Kurzfassung) am "11. Symposium Energie aus Biomasse", Nov. 2002, Kloster Banz, Deutschland
[2] Industrieverband Agrar,
http://www.iva.de/wissenswertes/ Profil4_2002/pr_energie.asp[^]
 

 

*) Dr. Wolfgang Palz [^] hauptverantwortlich bei der europ. Kommission für die Entwicklung der Bioenergie in der EU (1977 - 1997), Mitglied der Enquete-Kommission ENERGIE des Deutschen Bundestages (1999 - 2002)

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