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2004-01: Wasserstoff und Brennstoffzellen

Wasserstoff in der Mobilität

Wasserstoff gilt als der Energieträger der Zukunft. Umweltfreundlich aus erneuerbaren Energieträgern hergestellt, könnte er uns von den schwindenden Erdölreserven unabhängig machen. Oder vielleicht doch nicht? Woher kommt der Wasserstoff tatsächlich? Welche Rolle spielen erneuerbare Energieträger bei seiner Gewinnung? Und was sind die Voraussetzungen, damit wir tatsächlich eines Tages mit Wasserstoff fahren können?

Wasserstoff für die Mobilität der Zukunft

Von Kurt Pollak*

Wasserstoff wird heute vorwiegend in der Chemie eingesetzt. Als eine der Komponenten im Synthesegas ist er Ausgangsstoff bei der Herstellung von Düngemitteln, Kunststoffen wie Melamin, Chemierohstoffen wie Methanol und anderen Chemieprodukten.
Faszinierend am Wasserstoff ist, dass bei seiner Verbrennung weder CO2 noch CO oder unverbrannte Kohlenwasserstoffe entstehen. Außerdem ist Wasserstoff der ideale Treibstoff für Brennstoffzellen. Sie haben praktisch keine Schadstoffemissionen und einen wesentlich besseren Wirkungsgrad als heutige Verbrennungsmotoren.
Sicherheitstechnisch ist Wasserstoff durch das Hindenburgunglück emotional negativ besetzt. Tatsächlich ist Wasserstoff zumindest nicht gefährlicher als Benzin. Er brennt an der Stelle, an der er aus dem System entweicht und bildet keine brennenden Lachen wie Benzin. Allerdings brennt Wasserstoff unsichtbar; man kann sich daher leicht an einer Wasserstoffflamme verbrennen oder sogar anzünden. Knallgas bildet sich nur, wenn Wasserstoff ausströmt ohne zu verbrennen und sich mit Luft mischt. Auch das Hindenburg-Luftschiff ist nach dem Blitzschlag bei der Landung nicht wirklich explodiert, sondern abgebrannt.

Herstellung aus fossilen Energieträgern

Wasserstoff ist kein Primärenergieträger, der in der Natur direkt gewonnen werden kann. Er muss erst aus Primärenergieträgern wie etwa Erdgas hergestellt werden. Wird er aus elektrischem Strom hergestellt, dann ist er überhaupt ein Tertiärenergieträger, weil auch elektrischer Strom erst aus einem Primärenergieträger wie Wasserkraft oder Kohle hergestellt werden muss.
Wasserstoff ist ein erneuerbarer Energieträger, wenn er aus Strom hergestellt wird, der aus Sonnenenergie, aus Wasserkraft oder aus anderen erneuerbaren Energieträgern gewonnen wurde. Es ist allerdings nicht wirklich möglich, den Mobilitätsbedarf dieser Welt aus Wasserkraft, Wind- und Solarenergie zu befriedigen. Und schon gar nicht ist es möglich, in unseren Breiten Wasserstoff über die Photovoltaik in nennenswerten Mengen herzustellen. In der Sahara photovoltaisch erzeugten Wasserstoff entweder als elektrischen Strom oder als Flüssigwasserstoff nach Europa zu bringen ist technisch möglich, aber von der Größenordnung des Projektes, von der technischen Umsetzung (Stromtransport in tiefkalten Supraleitern) und von den geopolitischen Implikationen her nicht wirklich rasch zu realisieren.
In der Praxis wird Wasserstoff aus Erdgas oder aus Benzin hergestellt und ist damit ein fossiler Brennstoff, der aus einem Chemiewerk oder aus einer Raffinerie kommt. Die Technologie zur Wasserstoffherstellung aus Erdgas oder Benzin ist reif und wird in der Chemie in großem Maßstab zur Herstellung von Synthesegas und in Raffinerien zur Entschwefelung von Erdölprodukten verwendet.
Die Verflüssigung von Wasserstoff ist sehr energieaufwendig. Zur Verflüssigung wird etwa dieselbe Energiemenge gebraucht wie zur Herstellung des Wasserstoffs.

Sechs Atomkraftwerke zur Versorgung des Straßenverkehrs in Österreich?

Machen wir ein Gedankenexperiment: Der gesamte Straßenverkehr in Österreich soll nur noch mit Brennstoffzellenfahrzeugen abgewickelt werden, die mit Wasserstoff betrieben werden.
Nehmen wir an, in Österreich werden rund 6 Mio. t Mineralölprodukte pro Jahr für den Fahrzeugantrieb verbraucht, das entspricht rund 70 Mrd. kWh. Durch den hohen Dieselanteil kann der Wirkungsgrad der Fahrzeuge mit rund 15% angenommen werden. Brennstoffzellenfahrzeuge sollten einen Wirkungsgrad von 40% erreichen (heute sind sie allerdings noch nicht so weit). Sie würden deshalb statt der heute erforderlichen 70 Mrd. kWh nur noch ca. 26 Mrd. kWh brauchen, der durch Elektrolyse aus Atomstrom hergestellt werden könnte. Ein Atomkraftwerk der Standardgröße von 1000 MW produziert im Jahr bestenfalls 8 Mrd. kWh. Um 26 Mrd. kWh im Jahr herzustellen, brauchen wir also gut drei Atomkraftwerke. Damit haben wir den Wasserstoff aber erst hergestellt (und dabei gar keine Verluste angesetzt). Jetzt müssen wir ihn noch verflüssigen, und dazu braucht man nochmals etwa die gleiche Energiemenge, wie zur Herstellung des Wasserstoffs. Und damit sind wir dann bei sechs Atomkraftwerken, die nötig wären, um den Straßenverkehr in Österreich mit Wasserstoff zu versorgen.
Damit soll auf keinen Fall gesagt werden, dass Wasserstoff aus Atomstrom hergestellt werden sollte. Aber es sollte damit klar werden, dass erneuerbare Energieträger inklusive Wasserkraft absolut unzureichend sind, wenn man Wasserstoff in der Mobilität einsetzen und daneben auch noch Österreich mit Strom versorgen will!

Daimler & Co: Zukunft mit Brennstoffzelle?

Für die Fahrzeugindustrie ist es zu einer Prestigefrage geworden, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen und/oder Wasserstoffantrieb zu entwickeln. Diese Entwicklungsarbeiten werden daher mit viel Aufwand publiziert. Prototypen gibt es heute praktisch bei allen größeren Herstellern. Am weitesten dürfte die Entwicklung bei BMW, DaimlerChrysler, General Motors und bei Toyota fortgeschritten sein.
Zurzeit werden Kleinstserien gefertigt und damit das Versprechen eingelöst, 2004 auf den Markt zu kommen. Daimler baut 60 Stück vom Typ F-Cell, einem A-Klasse Mercedes mit Brennstoffzellenantrieb (siehe Abbildung 1). Der Wasserstoff wird dabei in Hochdruckbehältern bei 350 bar gespeichert und reicht für 150 km. Die eher bescheidene Beschleunigung von 16 Sekunden für 0-100 km/h bei einer Leistung von ca. 100 PS zeigt, dass Brennstoffzelle und Wasserstofftank schon noch einiges an Gewicht mit sich bringen. Kosten, Gewicht, Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Betankungsinfrastruktur sind daher die Herausforderungen, die DaimlerChrysler Ende 2003 als kritisch für den Weg zur Großserie nannte. Da die 60 Fahrzeuge in einer Kleinstserie hergestellt werden, sind die Kosten nicht wirklich aussagekräftig.
In der Kommunikation der Fahrzeughersteller ist es um das Brennstoffzellenauto in der letzten Zeit ruhiger geworden. DaimlerChrysler wird Brennstoffzellenfahrzeuge vor 2010 nur in sehr kleinen Stückzahlen auf den Markt bringen, in nennenswerter Anzahl werden Brennstoffzellenfahrzeuge erst gegen 2020 erwartet.
Die Fahrzeugkosten müssen noch um den Faktor 1:10 reduziert werden und es ist unklar, ob der Kunde die Brennstoffzelle annimmt. Ihr zischendes Geräusch vermittelt nicht das Gefühl der Kraft und das Gewicht von Brennstoffzelle und Wasserstofftank macht die Fahrzeuge ziemlich lahm.
BMW ist der einzige PKW-Hersteller, der im Auto einen Verbrennungsmotor und nicht eine Brennstoffzelle mit Wasserstoff betreiben will. BMW speichert flüssigen Wasserstoff in tiefkalten Tanks und hat die Möglichkeit, mit Benzin weiterzufahren, wenn der Wasserstofftank leer ist (bivalenter Betrieb). Natürlich bemüht auch BMW das Umweltargument als Motivation für Wasserstoff als Fahrzeugtreibstoff. Aber wenn man Wasserstoff zuerst mit hohem Aufwand aus Erdgas herstellt und verflüssigt und dann mit einem Wirkungsgrad von 10% in Mobilität umsetzt, bleibt die Effizienz schon einigermaßen auf der Strecke.

Abbildung 1: Daimler verwirklicht mit dem F-Cell den Traum von der Serienproduktion eines Brennstoffzellenfahrzeuges. (Quelle: DaimlerChrysler)

Betankungsinfrastruktur teuer

Wasserstoff aus Erdgas oder Benzin herzustellen ist wie gesagt kein Mirakel, sondern großtechnische Praxis. Wasserstoff aus Erdgas kostet zwar (ab Werk) etwa drei Mal soviel wie Benzin oder Diesel, aber der höhere Wirkungsgrad (und damit niedrigere Verbrauch) von Brennstoffzellen könnte diesen Nachteil wieder ausgleichen.
Auch der Transport von Wasserstoff ist machbar, aber hier beginnen schon die ökonomischen Hürden. Ein konventioneller 40-Tonnen Tankwagenzug transportiert im Sattelauflieger etwa 30 Tonnen Benzin oder Diesel. Ein Tankwagen für flüssigen Wasserstoff transportiert etwa 3 Tonnen Nutzlast, der Rest ist Tank und Isolierung. Und ein 40-Tonnen Wasserstoff-Trailer kann gerade noch 530 kg gasförmigen Hochdruck-Wasserstoff transportieren, der Rest ist Verpackung.
In der Praxis der Wasserstoffversuchstankstelle am Münchener Flughafen wird der Wasserstoff flüssig angeliefert und vor Ort verdampft und komprimiert. Die Tankstelle gibt tiefkalten flüssigen Wasserstoff (für BMW PKWs) und gasförmigen Hochdruckwasserstoff (für die Flughafenbusse) ab.
Linde, ein deutscher Hersteller technischer Gase, hat ein fertiges Konzept für Wasserstoffzapfsäulen an konventionellen Tankstellen. Eine komplette Betankungseinrichtung für Wasserstoff kostet bis zu 3 Mio. Euro. Gebraucht werden jedenfalls immer zwei Abgabestellen für Wasserstoff, weil BMW auf Flüssigwasserstoff setzt und Daimler auf gasförmigen Wasserstoff mit (künftig) 700 bar.
Auch wenn BMW noch in diesem Jahrzehnt den 7er H2-BMW in Kleinserie auf den Markt bringen will, weiß niemand, wer die Errichtung der (Tank-)Infrastruktur bezahlen soll.

Abbildung 2: Die Energieeffizienz von Wasserstoffautos kann über die gesamte Kette betrachtet auch schlechter sein, als wenn man mit fossilen Treibstoffen fährt. (Quelle: K. Pollak, OMV AG)

Einführungsstrategie mit Lücken

Wasserstoff wird generell als Treibstoff der ferneren Zukunft gesehen. Eine Strategie zur Umstellung auf Wasserstoff als Kraftstoff könnte wie folgt aussehen:
Erster Schritt ist der Einsatz von Wasserstoff in Busflotten und in bivalent (wahlweise mit Wasserstoff oder Benzin) betreibbaren PKWs in Taxiflotten, wie dies zurzeit ja auch bei CNG (komprimiertes Erdgas als Fahrzeugtreibstoff) passiert. Wenn es dann genügend öffentliche Zapfsäulen gibt, könnten Wasserstofffahrzeuge auch Monovalent (d.h. ausschließlich mit Wasserstoff) betrieben und für den Privatkunden propagiert werden. Allerdings: Es gibt heute keinen bivalenten, als Taxi geeigneten PKW. Das einzige bivalent betreibbare Fahrzeug ist derzeit der 7er BMW. Da auch kein entsprechendes Fahrzeug in Entwicklung ist, fehlt eine entscheidende Komponente auf dem Weg zur Wasserstoffwelt. Die Ansicht von VW, dass Brennstoffzellenfahrzeuge erst in 20 bis 30 Jahren auf der Straße zu erwarten sein werden, ist daher vielleicht nicht ganz unrealistisch.

Biotop und H2 Anlage.jpg
Abbildung 3: Höchste Umweltverträglichkeit dank modernster Technik: Die neue Wasserstoffanlage in der Raffinerie Schwechat (Quelle: OMV Aktiengesellschaft 2003)

Wasserstoff als Problemlösung?

Will man die Emissionen von CO2 und von klassischen Schadstoffen aus dem Verkehr und darüber hinaus auch noch unsere Abhängigkeit von Erdölimporten reduzieren, führt kein Weg an einer größeren Effizienz im Straßenverkehr vorbei. Wasserstoff kann dazu einen Beitrag leisten, weil Brennstoffzellenfahrzeuge weder CO2 noch klassische Schadstoffe emittieren und auch das Potenzial zu einer drastischen Verbrauchsreduktion haben. Um die Welt zu retten, genügen aber Nischenanwendungen nicht. Zukunftsfähige Technologie muss in ebenso großem Maßstab anwendbar sein, wie heute der Otto- und der Dieselmotor. In großem Maßstab ist Wasserstoff allerdings nur aus fossilen Energien herstellbar und die Energieeffizienz der gesamten Kette ist nicht viel besser, als wenn man ein modernes Dieselfahrzeug fährt (siehe Abbildung 2).

Ökologisch sinnvoll ist Wasserstoff also nur, wenn er aus CO2-freien Energien hergestellt wird - und manch einer favorisiert in diesem Zusammenhang leider die Kernenergie…

*) Dipl.-Ing. Kurt Pollak ist Mitarbeiter der Abteilung Corporate Strategy der OMV AG, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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