Zeitschrift EE

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2004-01: Wasserstoff und Brennstoffzellen

Einführung ins Thema

Die Forschungsthemen Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie wurden insbe-son-de-re seit dem Jahr 2001 verstärkt von den führenden Volkswirtschaften (U.S.A., Japan, EU) und den führenden internationalen Forschungseinrichtungen (wie zum Beispiel der inter-nationalen Energieagentur IEA) massiv aufgewertet.

Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Klimaschutz versus Versorgungssicherheit und Technologiepolitik

Von Günter R. Simander und Georg Trnka*

Diese Entwicklungstrends sind auch in der österreichischen FTE Landschaft nicht spurlos vorübergegangen. Verglichen mit den 90er Jahren hat sich die Anzahl der Projekte, der Forscher und die Forschungs-volumina vervielfacht.

Wasserstoff im internationalen Kontext

In den U.S.A. sieht insbesondere die derzeitig amtierende Bush-Administration in der Implementierung von Wasserstofftechnologien (inkl. dem Aufbau der notwendigen Infrastruktur) in den nächsten ein bis zwei Dekaden positive Beiträge in der derzeitigen Klimaschutzdiskussion. Die Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie /Lit 1/) und Programminitiativen wie "Future Gen"¹ , "Hydrogen Fuel Initiative" ², "Freedom Car"² und "IPHE"³ werden hierbei als zentrale Vorhaben genannt. Die veranschlagten Budgetmittel für diese Programmlinien umfassen mehrere hundert Millionen US Dollar pro Jahr. /Lit 2/

Abbildung 1: Trends im Ölverbrauch der USA (Quelle: R. Dixon, Sept. 2003)

Neben dem Klimaschutz spielt die Versorgungssicherheit eine wesentliche, wenn nicht sogar die gewichtigere, Rolle in diesen Strategien. Die sinkende inländische Erdölproduktion versus den gesteigerten Erdölimporten aus sogenannten "unsicheren" Drittstaaten wird als zentrales Problem nicht nur für die Versorgungssicherheit, sondern auch für die nationale Sicherheit der U.S.A. erkannt (siehe hierzu auch Abbildung 1).

Parallel zu den nationalen Anstrengungen haben die U.S.A. in den vergangenen zwei Jahren durch den Aufbau von multilateralen Partnerschaften weitere Vorstöße in der internationalen Technologiepolitik unternommen. Neben der bereits erwähnten IPHE, wurden zwei weitere "Leadership"-Foren initiiert. Der Informationsaustausch, die Kooperationen im FTE-Bereich und gemeinsame Normen bzw. Rechtsvorschriften stehen im Zentrum der Aktivitäten. Diese sind:

  • das "Carbon Sequestration Leadership Forum - CSLF" mit den Ländern Australien, Brasilien, Kanada, China, Kolumbien, EUK, Indien, Italien, Japan, Mexiko, Norwegen, Russland, Südafrika, UK und USA (seit Juni 2003).
  • das "International Forum of nuclear power generation IV" mit den Ländern Argentinien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Japan Korea, UK und USA (seit Juli 2001),

Die Internationale Energieagentur IEA hat durch die Schaffung der "Hydrogen Coordination Group" ebenfalls auf die geänderten Prioritätensetzungen reagiert. Die Harmonisierung der internationalen FTE-Programme/-Politiken und in weiterer Folge die Ausarbeitung von Empfehlungen bzw. Positionen werden mit dieser Arbeitsgruppe verfolgt. Initiiert wurde diese Initiative ebenfalls von den U.S.A..

Initiativen der EU-Kommission

In der EU Kommission forciert neben den EU-Kommissaren Busquin (DG RESEARCH) und Loyola de Palacio (DG TREN) insbesondere auch Präsident Prodi das Wasserstoffthema. Sowohl in seiner Eröffnungsrede in einer Konferenz /Lit 3/ im Juni 2003 als auch in der Konferenz /Lit 4/ im Januar 2004 betonte Prodi seine Vision hin zu einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft. Auszugsweise wird hieraus zitiert:
"... a step-by-step shift towards a fully integrated hydrogen economy, based on renewable energy sources, by the middle of the century".
Prodi führt insbesondere die steigende Ölimportabhängigkeit der EU und den Klimaschutz als Pro-Argumente für seine Position an.

Die EU-Positionen wurden von der im Herbst 2002 von der EU-Kommission (EUK) ins Leben gerufenen "high-level group" weitestgehend untermauert. Diese Expertengruppe, die vorwiegend aus Industrievertretern und "pro-aktiven" Wasserstoff-FTE-Institutionen bestand, hat im Juni 2003 eine zukünftige Vision hinsichtlich "Hydrogen Energy and Fuel Cells" präsentiert. /Lit 5/

Die Forcierung und verstärkte Implementierung von wasserstoffbasierenden Energiesystemen durch die EU-Kommission ist dabei eine der wesentlichen Empfehlungen dieser Gruppe. Strukturell wurde die Einrichtung einer "Technology Plattform" empfohlen, die auf operativer Ebene die Empfehlungen der "high level group" umsetzen soll. Im Unterschied zu Kommissionspräsident Prodi wird in dieser Strategie für die Wasserstoffproduktion allerdings auf den gesamten Primärenergieträgermix (und nicht mehr vorrangig auf erneuerbare Energieträger) verwiesen (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Wasserstoff- rimärenergiequellen, Umwandlung und Anwendungen. Die Größe der Sektoren steht nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen oder zukünftigen Marktanteilen (Quelle: Lit 5)

Zahlreiche EU-Aktivitäten im Wasserstoffbereich sind mittlerweile im Gange. Neben den FTE-Aktivitäen im 5. und 6. FTE-Rahmenprogramm, der Teilnahme an der IPHE, diversen Teilnahmen der EUK an H2-relevanten Implementing Agreements der IEA, zahlreichen den letzten Jahren abgeschlossenen FTE Abkommen mit den U.S.A., unterstützt die EUK mit der Initiative "A European initiative for growth - investing in networks and knowledge for growth and jobs" ebenfalls zwei hoch dotierte Wasserstoffprojekte (siehe Tabelle 1).

Projektbereich Spezifisches Projekt
(Start: 2004, Ende: 2015)
Gesamtkosten Synergien mit EU-Förderungen
Wasser-
stoff-
wirt-
schaft
Hypogen - Large-Scale-Test für die Produktion von Wasserstoff und Strom

Hypogen:
1,3 mia. €
Hycom:
1,5 mia. €

Projektphasen:
2005 - 2007
(500 mio. €)
2007 - 2012
(1,5 bio. €)
2013 - 2015
(800 mio. €)

Mögliches Forschungsrahmenprogramm und Strukturförderung
Hycom - Etablierung einer limitierten Anzahl von "Wasserstoff-Gemeinschaften" in der EU; Verwendung von H2 als Energiequelle für Heizen, Strom und Treibstoff

Tabelle 1: Vorgeschlagene Wasserstoffprojekte der Growth Initiative /Lit 6/

Die sehr hohen Erwartungen bzw. Perspektiven, dass die Wasserstoff- und die Brennstoffzellentechnologien bei den wichtigen energiepolitischen Zielsetzungen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit wesentliche Beiträge leisten können, unterstützen wesentlich die derzeitig positive Stimmung von Seiten der EUK.

Allerdings ließ sich bei der Januar 2004 Konferenz in Brüssel /Lit 4/ erstmals ein gewisser Realismus hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Beitrag zum Klimawandel unter den derzeitig vorherrschenden Rahmenbedingungen erkennen. Hierzu wird auszugsweise aus der Rede von Frau Kommissar Loyola de Palacio zitiert:

... "the European Commission sees hydrogen as important contribution to a future where oil and gas will be more expensive and reductions in CO2 emissions will move to a level with higher cost. But currently it is not the solution to our more immediate concerns on how we meet the commitments we have signed up in the Kyoto Protocol" ....

Wasserstoff und Brennstoffzellen in Österreich

Zum Unterschied insbesondere zu den U.S.A. spielen die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien derzeit keine Rolle in der österreichischen Umwelt- und Energiepolitik, sondern in den mittel bis langfristig orientierten Forschungs-, Technologie- bzw. Innovationspolitiken insbesondere des BM für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT).

Dort haben diese Technologiefelder durch die Prioritätensetzungen der EU-FTE-Rahmenprogramme und durch die zahlreichen erfolgreichen österreichischen Projekt-beteiligungen in diesen Programmen eine bestimmte Bedeutung erlangt. Weiters wurden insbesondere von Seiten des BMVITs in den letzten Jahren folgende Initiativen gesetzt:

  • Die Programmlinien A3 "Austrian Advanced Automotive Technology" /Lit 7/ und das Impulsprogramm "Nachhaltig Wirtschaften" (http://www.nachhaltigwirtschaften.at/) sind offen für bestimmte Brennstoffzellen und Wasserstoff FTE Aktivitäten,
  • die Beteiligung Österreichs am Implementing Agreement on Advanced Fuel Cells ab dem Jahr 2004,
  • die Beteiligung Österreichs an der IEA Hydrogen Coordination Group ab dem Jahr 2003 (die Teilnahme Österreichs wurde sowohl vom BMVIT (CERT-Vertretung) als auch vom BMWA (Vertretung im Governing Board) mitgetragen),
  • diverse Disseminationsaktivitäten, welche die Mobilisierung und Aktivierung österreichischer Forscher für die Teilnahme an den EU FTE Rahmenprogrammen zum Ziel hatten und haben.

Den verstärkten Trend in der österreichischen FTE Landschaft - insbesondere bei Brennstoffzellen - wurde auch von der E.V.A. beginnend ab dem Jahr 1998 mit Disseminationsaktivitäten, mit techno- und sozio-ökonomischen Analysen und strategischen Positionierungen Rechnung getragen. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren verstärkt und wurde parallel zu den laufenden EU-Entwicklungen auf das Wasserstoffthema ausgedehnt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Österreichische FTE Institutionen aktiv im Brennstoffzellen und Wasserstoff FTE Bereich. Die verschiedenen Universitätsinstitute der TU-Graz und der TU-Wien wurden jeweils unter einem Punkt zusammengefasst (Quelle: E.V.A.)

Laufende Projekte

Quantitative "bottom-up"-Analysen der E.V.A. aus dem letzten Jahr gehen davon aus, dass derzeit rund 40 österreichische Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenprojekte mit einem Budget von rund 7,5 Millionen Euro durchgeführt werden. /Lit 8/ Rund 50 österreichische Institutionen befassen sich mit den verschiedenen Aspekten der Wasserstoff und Brenn-stoff-zellentechnologien (siehe hierzu Abbildung 3).

Die Schwerpunkte der derzeitigen FTE-Aktivitäten können folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Wasserstoffproduktion bzw. Gasreinigungsverfahren aus erneuerbaren Energieträgern (vorw. Biogas, feste Biomasse aber auch PV),
  • FTE- und Demonstrationsprojekte von verschiedenen Brennstoffzellen Applikationen (Heizgeräte, auxiliary power units (APU). etc.),
  • FTE Aktivitäten hinsichtlich Wasserstoffspeichersystemen und Speichermaterialien,
  • Wasserstoffmotoren für den Einsatz in stationären Systemen für industrielle Applikationen, und
  • FTE-Aktivitäten bei Niedertemperatur- (PEFC, DMFC) und Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFC).

Unter Berücksichtigung der internationalen und europäischen Entwicklungen sieht die E.V.A. insbesondere in jenen Applikationsfeldern ein Potenzial, die bestehende österreichische FTE-Felder bei den erneuerbaren Energieträgern inkludieren und Potenzial für die Erhöhung der Energieeffizienz aufweisen. Diese beiden Punkte sind letztendlich zentrale Kriterien für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von wasserstoff-basierenden Energiesystemen!

Schlussfolgerungen

Bereits jetzt ist absehbar, dass - wenn überhaupt - die Entwicklungszeiträume ins-be-sondere für die Realisierung von wasserstoffbasierenden Energiesystemen unter ökonomischen Rahmenbedingungen weit über den Kyoto-Zeitraum von 2008 bis 2012 hinaus-gehen. Visionäre Post-Kyoto-Strategien sind erforderlich, um insbesondere auf europäischer Ebene die Chancen für österreichische Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen bestmöglich zu nutzen. Hierzu ist auch insbesondere auf die hohen budgetären Hebel aufmerksam zu machen, die erfolgreiche österreichische Beteiligungen in den FTE-Rahmenprogrammen erzielen können.

Letztendlich sind es auch die erzielten Ergebnisse in den EU-Projekten und EU-Arbeitskreisen, die über die tatsächliche Realisierung von Wasserstoff als zukünftigen Energieträger in Europa und in Österreich entscheidend sein werden. Und Österreich sollte bei diesen Entscheidungsprozessen aktiv teilnehmen, nicht zuletzt um "ureigenste" österreichische Positionen im Klimaschutz und in der Energiepolitik erfolgreich zu vertreten und um den Forschungsstandort (Stichwort: 3% Forschungsquote /Lit 9/) und Industriestandort Österreich weiter zu stärken.

Anmerkungen:

1) FutureGen "zero emission" Kraftwerke demonstrieren die Produktion von Strom und Wasserstoff aus Kohle in IGCC Kraftwerken mit angeschlossener Swquestration des Kohlendioxids in tiefe geologische Schichten (http://www.fossil.energy.gov/programs/powersystems/futuregen/; Februar 2004)
2) US Programminitiativen für Forcierung von mit Wasserstoff angetriebenen Fahrzeugen inklusive der Produktion, Verteilung und Speicherung von Wasserstoff (http://www.eere.energy.gov/hydrogenfuel/; Februar 2004)
3) Die "International Partnership for Hydrogen Economy" ist ein multilaterales FTE Abkommen zwischen Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Island, Italien, Japan, Kanada, Korea, Norwegen, Russland, UK, USA und der EUK, das die Forcierung und Implementierung von wasserstoffbasierenden Energiesystemen zum Ziel.

Literatur
Lit 1: http://www.eere.energy.gov/hydrogenandfuelcells/pdfs/national_H2_roadmap.pdf, Februar 2004
Lit 2: US DOE, US Climate Change Technology Program, "Research and current Activities", November 2003
Lit 3: EU Kommission, Conference: "The hydrogen economy - a bridge to sustainable energy", Brussels, 16th to 17th June 2003 (http://www.cordis.lu/sustdev/energy/H2.htm, Februar 2004
Lit 4: EU Kommission, Conference: "European Hydrogen and Fuel Cell Technology Platform General Assembly", Brussels, 20th to 21st January 2004 (http://europa.eu.int/comm/research/energy/nn/nn_rt_htp1_en.html; Februar 2004
Lit 5: EUK, "Hydrogen Energy and Fuel Cells: a vision of our future", Final report of the high level group", DG RESEARCH und DG TREN, 2003 (http://europa.eu.int/comm/research/energy/pdf/hlg_vision_report_en.pdf )
Lit 6: http://www.ueitalia2003.it/NR/rdonlyres/03652136-D259-478B-B4E5-77474E92DB7F/0/com2003_0690_EN.pdf, Februar 2004
Lit 7: www.bmvit.gv.at/sixcms/detail.php/template/i/_e1/5/_e2/3/_e3/3000/_relid/833/_relid2/834/_id/2486, Februar 2004
Lit 8: G. Simader, G. Trnka, "Fuel Cell and Hydrogen RTD in Austria", draft report, September 2003
Lit 9: KOM(2002) 499, "Mehr Forschung für Europa: Hin zu 3% des BIP", Mitteilung der EU Kommission, Brüssel, den 11.9.2002

*) Dipl.-Ing. Dr. Günter R. Simander und Georg Trnka sind Mitarbeiter der Energieverwertungsagentur E.V.A., Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.eva.ac.at [^]

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