Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2005-02: Energieeffiziente Klimatisierung

Aktives solares Kühlen


Mit dem zunehmenden Einsatz von größeren Solaranlagen auch im Wohnungsbau zur solaren Heizungsunterstützung und der Installation von Niedertemperaturheizsystemen - wie Wand- oder Fußbodenheizung - stellt sich oft die Frage, wie die überschüssige Wärme im Sommer genutzt werden kann. Die Verwendung einer Sorptionswärmepumpe als Zusatzgerät zum Heizkessel kann im Winter nicht nur die Nutzung der Primärenergie des Heizkessels durch Umweltwärme aufwerten, sondern sie kann - bei geeigneter Größe der Solaranlage - zu einer zusätzlichen Nutzung der Solaranlage und des Sorptionsreaktors für die sommerliche Raumkühlung führen.

Sorptionsreaktor zur solaren Heizung und Kühlung

Von Thomas Nùnez, Walter Mittelbach und Hans-Martin Henning*

Dies setzt voraus, dass das Design des Sorptionssystems sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen geeignet ist. In dieser Konstellation wird nicht nur das Sorptionssystem sondern auch die Solaranlage das ganze Jahr besser genutzt. Der Wunsch von vielen Anwendern im Wohnungsbereich die solar erzeugte überschüssige Wärme im Sommer zur Raumklimatisierung einzusetzen ist bislang grundsätzlich daran gescheitert, dass es auf dem Markt kein geeignetes System zu kaufen gibt. Um diesen Anwendungen eine Chance zu geben wird von der Firma SorTech AG in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ISE ein Sorptionsreaktor für kleine Leistungen entwickelt, der sowohl zu Wärmepumpenzwecken als auch zur Raumkühlung eingesetzt werden kann.

Entwicklung des Sorptionsreaktors

Der derzeit entwickelte Prototyp besteht aus zwei identischen Modulen, in denen jeweils ein Adsorptionswärmetauscher und ein weiterer Wärmetauscher als Verdampfer/Kondensator enthalten sind. In beiden Fällen handelt es sich um Lamellenwärmetauscher, wobei der Adsorptionswärmetauscher mit dem Adsorbensgranulat - bei der vorliegenden Entwicklung handelt es sich um Silikagel - gefüllt ist. Beide Wärmetauscher sind in eine vakuumdichte Hülle aus Edelstahl eingeschweißt und bilden eine geschlossene Einheit, die nur noch hydraulisch angeschlossen werden muss. Das Prozesswasser befindet sich in der Bodenwanne und bedeckt teilweise den Verdampfer/Kondensator. In Abbildung 1 ist der Aufbau eines Moduls dargestellt.

Abbildung 1: Aufbau des Adsorptionsreaktors

Die beiden Module werden antizyklisch betrieben: während das eine Modul regeneriert wird, befindet sich das zweite Modul in der Adsorptionsphase. Mit dieser Betriebsweise wird eine quasikontinuierliche Kälte- bzw. Nutzwärmebereitstellung gewährleistet. Eine Hydraulik-Einheit übernimmt die interne hydraulische Verschaltung der Module und die Verbindung der Wärmepumpe zu den drei externen Temperaturniveaus. Zur Steuerung der Anlage wurde eine integrierte Regelung auf Basis eines Micro-Controllers entwickelt, die die interne Dynamik und Zyklendauer des Sorptionssystems an den externen Bedarf (aktuelle Leistung und Heizungs- bzw. Kühlungsvorlauftemperatur) anpasst. Der Sollwert der Vorlauftemperatur der Nutzwärme (Heizen oder Kühlen) kann durch einen externen Regler nach der Außentemperatur oder anderen Kriterien vorgegeben werden. In Abbildung 2 ist ein Schema des Adsorptionssystems dargestellt. Zwei identische Module werden durch eine hydraulische Schalteinheit an die Wärmequellen und Wärmesenke angeschlossen. Eine interne Regelung übernimmt die Steuerung der Anlage.
Der Prototyp wurde in der Werkstatt der SorTech AG gefertigt und auf dem Teststand des Fraunhofer ISE vermessen. Für den Heizbetrieb im Winter wird die Adsorptionswärmepumpe mit Wärme auf hohem Temperaturniveau z. B. aus einem Heizungskessel betrieben. Dabei wird Wärme von dem niedrigen Temperaturniveau, vorzugsweise Umweltwärme, auf das mittlere Temperaturniveau angehoben und stellt die Nutzenergie dar. Beim Betrieb als Kältemaschine zur solaren Kühlung wird die Wärmepumpe mit Solarwärme angetrieben. Die dem Raum entzogene Wärme wird auf das mittlere Temperaturniveau angehoben und muss als Abwärme abgeführt werden. Für den hier vorgestellten Prototypen sind im mittleren Temperaturniveau Werte zwischen 25 °C und 45 °C geeignet, im tiefen Temperaturniveau ca. 10 °C bis 20 °C. Zum Antrieb sind Temperaturen ab 75 °C bis 95 °C vorgesehen.

Abbildung 2: Schema der Adsorptionswärmepumpe

Messergebnisse

Es wurden Messungen zur Ermittlung der Wärmeverhältnisse durchgeführt. Das Wärmeverhältnis (Verhältnis der Nutzwärme bzw. Nutzkälte zur eingesetzten Antriebswärme, engl. COP coefficient of performance) kann sowohl für die Nutzung während der Heizperiode zur Bereitstellung der Heizwärme als auch für die Nutzung des identischen Systems zur Kühlung während der Sommermonate angegeben werden. Das Wärmeverhältnis COPHeizen wird aus der bereitgestellten Energie auf dem mittleren Temperaturniveau, Qmittel, und der Antriebsenergie auf hohem Temperaturniveau, Qhoch, über einen Zyklus berechnet. Das Wärmeverhältnis COPKühlen entsprechend aus dem Verhältnis der Energie Qtief auf tiefem Temperaturniveau und der Antriebsenergie Qhoch auf hohem Temperaturniveau.
Für die Leistungen bei den drei Temperaturniveaus wird die mittlere Leistung über einen Zyklus berechnet. Diese Berechnet sich aus der umgesetzten Energie geteilt durch die Zyklusdauer.
Eine weitere wichtige Größe ist der Temperaturhub DThub. Der Temperaturhub ist die Temperaturdifferenz zwischen mittlerem Temperaturniveau und tiefem Temperaturniveau und gibt die Temperaturanhebung der Wärmepumpe an. Dabei wird je nach Anwendung die Vorlauf- bzw. die Rücklauftemperatur angesetzt. Für Kühlanwendungen ist Ttief die Rücklauftemperatur aus der Maschine, Tmittel ist die Vorlauftemperatur in die Maschine. Bei Wärmepumpenbetrieb wird für Ttief die Vorlauftemperatur in die Maschine, für Tmittel die Rücklauftemperatur aus der Maschine angesetzt.
In Abbildung 3 sind die Messergebnisse für die beiden Wärmeverhältnisse COPHeizen und COPKühlen als Funktion des Temperaturhubes DThub dargestellt. In Abbildung 4 ist der Leistungsbereich der Adsorptionswärmepumpe über dem Temperaturhub dargestellt. Die unterschiedlichen Leistungen in diesem Diagramm werden allein durch die Temperaturbedingungen festgelegt. Es wurden Antriebstemperaturen von 80-95 °C, Nutztemperaturniveaus von 25-45 °C und Niedertemperaturniveaus von 10-20 °C eingesetzt.

Abbildung 3: Wärmeverhältnis im Heizbetrieb COPHeizen und im Kühlbetrieb COPKühlen als Funktion des Temperaturhubs DThub

Abbildung 4:
Mittlere Zyklenleistung der Anlage über dem Temperaturhub DThub für den Heiz- und Kühlbetrieb.

Untersuchung des Einsatzpotenzials

Basierend auf den Leistungsdaten des vermessenen Prototypen wurde das Einsatzpotenzial der entwickelten Technik untersucht, um attraktive Anwendungsfelder zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurde ein einfaches Simulationsmodell einer gesamten Anlage erstellt; eine entsprechende Anlage wird derzeit im Rahmen des von der EU geförderten Projektes MODESTORE (Modular High Energy Density Sorption Storage) geplant und anschließend eine Anlage für Feldtests gebaut. Ein Schema zeigt Abbildung 5. Zum Antrieb der Adsorptionswärmepumpe AdWP im Winter ist ein Heizkessel vorgesehen, als Niedertemperaturwärmequelle wird eine Erdreichsonde eingesetzt.

Abbildung 5: Gesamtsystem mit Solaranlage, Solarpufferspeicher, Warmwasserspeicher und Adsorptionswärmepumpe (AdWP)

Nutzungskonzept

Dem System liegt folgendes Nutzungskonzept zu Grunde:

Heizung:

  • Bei genügend hoher Temperatur im Pufferspeicher kann das Niedertemperaturheizsystem direkt durch Solarwärme betrieben werden.
  • Reicht die Temperatur im Pufferspeicher nicht als Vorlauftemperatur der Heizung aus, wird die Adsorptionswärmepumpe mit dem Heizkessel betrieben; die Erdsonde liefert Niedertemperaturwärme, deren Temperaturniveau entsprechend angehoben wird.

Kühlung:

  • Im Sommer wird nur dann gekühlt, wenn die Temperatur im Pufferspeicher ausreicht um die Adsorptionswärmepumpe zu betreiben. Die den Räumen entzogene Wärme wird dazu im Temperaturniveau angehoben und in das Erdreich abgeführt. Je nach benötigter Temperatur kann ggf. die Erdsonde auch direkt zur Kühlung eingesetzt werden.

Systemsimulationen

Die Solaranlage wird ganzjährig zur Erwärmung des benötigten Warmwassers genutzt. Im Simulations-Programm werden alle Komponenten mit Ausnahme des Pufferspeichers und des Erdreichs als stationäre Kennlinienmodelle beschrieben; für den Kollektor wurden die Daten eines üblichen Flachkollektors mit selektiver Beschichtung verwendet. Das Gebäude in Niedrigenergiestandard (Nutzfläche 200 m², Heizenergiebedarf von 65 kWh/(m² a)) wurde in Form einer Lastzeitreihe beschrieben, die mit TRNSYS ermittelt wurde. In Tabelle 1 sind Ergebnisse für unterschiedliche Systemkonfigurationen (Größe Solarsystem, mit/ohne AdWP, Standort) zusammengefasst.

Tabelle 1: Ergebnisse von Systemsimulationen.

AdWP-Typ: ohne = Solarkombisystem ohne Adsorptionswärmepumpe und Erdsonde;
aktuell = Adsorptionswärmepumpe der Fa. SorTech AG entsprechend dem heutigen Stand;
erreichbar = realistisch erreichbare Kennwerte der Adsorptonswärmepumpe (Entwicklungsziel).

Standort
Kollektor-fläche
Speicher-volumen
nutzbare Solar-gewinne
AdWP-Typ
Einsparung Brennstoff
Einsparung Brennstoff
Kühlung
 
[m²]
[Liter]
[kWh/m²]
-
[kWh]
[%]
[kWh]
Freiburg
15
1000
274,5
ohne
3489
20,1
0
419,6
aktuell
5344
30,9
1713,9
419,7
erreichbar
7259
41,9
1754,5
20
1300
213,3
ohne
4025
23,2
0
404,4
aktuell
5836
33,7
2459,4
403,9
erreichbar
7691
44,4
2564,4
25
1600
203,1
ohne
4502
26,0
0
395,4
aktuell
6258
36,1
3089,2
394,3
erreichbar
8052
46,5
3270
Madrid
15
1000
419,5
ohne
5559
32,3
0
698,9
aktuell
6790
39,5
3086,8
697,3
erreichbar
8626
50,1
3174
20
1300
367,9
ohne
6680
38,8
0
682,7
aktuell
7828
45,5
4115,1
680,9
erreichbar
9485
55,1
4356,3
25
1600
330
ohne
7620
44,3
0
667,2
aktuell
8690
50,5
4812,1
663,6
erreichbar
10192
59,2
5243,6

Zunächst zeigt sich, dass die nutzbaren Solargewinne bei den Varianten mit AdWP mit steigender Kollektorfläche nur gering abnehmen, während diese bei reinem Solarkombisystem deutlich abnehmen. Grund ist die Nutzung der Solaranlage zur Raumkühlung im Sommer bei Variante mit AdWP, während bei einem System ohne AdWP die Solaranlage im Sommer erhebliche nicht verwendbare Überschüsse produziert. Der zusätzliche Nutzen eines Systems mit AdWP gegenüber einem System ohne AdWP liegt demnach einerseits in einer größeren Minderung des Brennstoffverbrauchs durch Ausnutzung des Wärmepumpeneffekts zum Heizen und zum anderen in der Bereitstellung eines zusätzlichen Nutzens, nämlich der Kühlung im Sommer. Dabei wird deutlich, dass mit der aktuellen Version der AdWP ("aktuell" in Tabelle 1) die technisch erreichbaren Werte ("erreichbar" in Tabelle 1) noch unterschritten werden.
In Abbildung 6 ist die mittels Simulation ermittelte monatliche Verteilung der Energien für den Standort Freiburg für eine Größe der Solaranlage von 25 m² (Pufferspeicher 1600 Liter) und eine optimierte AdWP dargestellt.

Abbildung 6: Ergebnisse der Systemsimulation: monatliche Energieverteilung (Freiburg) Solaranlage 25m², 1600 Liter Pufferspeicher und AdWP

Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Einsatz der Adsorptionswärmepumpe der Nutzen der Solaranlage im Vergleich zu reinen Solarkombi-Anlagen deutlich erhöht wird, da neben dem Wärmeverbrauch - Brauchwassererwärmung und Heizung - ein zusätzlicher Nutzen in Form der sommerlichen Kühlung erbracht wird.
Danksagung
Die Entwicklung des Adsorptionsreaktors wurde im Rahmen eines Verbundprojektes (Förderkennzeichen 0327278B) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) und die Simulationsrechnungen von der EU im Rahmen des Projektes MODESTORE (NNE5-2001-00979) gefördert.

*) Dr. Tomas Nùnez ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Deutschland, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dr.
Hans-Martin Henning leitet am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE die Abteilung Thermische Anlagen und Gebäudetechnik, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.ise.fhg.de
Dipl.-Phys.
Walter Mittelbach ist Geschäftsführer der SorTech AG in Halle a. d. Saale, Deutschland [^]

Top of page