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2004-04: Windenergie zwischen Euphorie und Widerstand

Windenergienutzung in Österreich

Die Windkraft ist markantes Symbol der neuen Energiewirtschaft. Im Nordburgenland erlaubte das - noch geltende - Ökostromgesetz den Bau von 200 Windmühlen. Sie erzeugen mehr Strom, als Burgenlands Haushalte verbrauchen.

Energiewende Aufbau Ost
Wind im Burgenland und die Zukunft der Energie

Von Ulfert Höhne*

Bedingungen und Hintergründe des burgenländischen Wind-Booms sind jedoch einzigartig. Die oekostrom AG ist mit dem oekostrompark Parndorf dabei und arbeitet als konsequent ökologischer Stromanbieter für die nachhaltige Energiezukunft.
Der 17. September 2004 öffnete einen Blick in die ökologische Zukunft. Einen halben Kilometer von dem Güterweg entfernt, der Parndorf mit dem einstmals aktionistischen Friedrichshof verbindet, sind die Windradbauer von GE Energy, die Anlagenbetreiber der oekostrom AG, der regionale Finanzlandesrat Helmut Bieler, die grüne Spitzenfrau Eva Glawischnig und der Bürgermeister von Parndorf zusammengekommen, um gemeinsam mit 50 Leuten aus der Umgebung den Spatenstich für das 155. Windrad auf dieser windigsten Ebene Österreichs zu feiern. Das Magazin "Universum" war dabei und berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über den Spatenstich des oekostrompark Parndorf 2 der oekostrom AG und über die - möglicherweise bereits wieder beendete - Erfolgsstory des Booms der Windkraft in Österreich.

Eldorado der Windkraft

Tatsächlich ist die Parndorfer Platte so etwas wie die Kinderstube der modernen Windkraft in Österreich. Als erster größerer Windpark des Landes gingen bereits 1997 - gegen den langjährigen Widerstand des lokalen Stromversorgers BEWAG - in Zurndorf sechs 500 kW-Anlagen in Betrieb. Zwei Jahre später kamen weitere vier Anlagen desselben Typs sowie eine Versuchsanlage mit 1,5 MW hinzu.
Auch als Ende 2000 die oekostrom AG dem Parndorfer Gemeinderat ihren Plan vorstellte, auf dem Gebiet der Gemeinde 46 moderne Windturbinen zu errichten, herrschte noch Skepsis vor. Man einigte sich auf einen stufenweisen Ausbau, zunächst sollten nur fünf Windräder entstehen. Zehn weitere wurden für eine zweite Ausbaustufe vorgemerkt. Erst wenn diese stehen und von der Bevölkerung akzeptiert wären, so die Gemeindevertreter, könnte über Ausbaupläne gesprochen werden.
Die Parndorfer Platte weist hervorragende Windverhältnisse auf. Die mittlere Windgeschwindigkeit von mehr als 6,5 m/s in 70 Meter Höhe wird durch relativ gleichmäßige Winde erreicht. Sturmspitzen, die das Material extrem belasten und die Windanlagen besonders stark verschleißen, sind selten. Zum besten Windmühlenstandort Österreichs wird die Region, weil weitere Pluspunkte hinzukommen: Neben dem guten Wind tragen die bestehende Erschließung durch Straßen und Güterwege, die guten geologischen Bodenbedingungen für Fundamente und Verkabelung ebenso wie die leicht zugängliche Netzsituation zur Wirtschaftlichkeit der dortigen Windparks bei.

Ökostromgesetz wirkt

Doch erst die Vorgaben der EU zum Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Umsetzung in österreichische Landesgesetze schufen die Voraussetzungen für den Boom. Die politischen Vorgaben weckten im Burgenland einen neuen Player. Die landeseigene Stromgesellschaft BEWAG entschied Anfang 2002, den windigen Stier bei den Hörnern zu nehmen. Das Wind-Eldorado sollte nicht den nun verstärkt auftretenden unabhängigen Unternehmern und Beteiligungsgesellschaften überlassen werden. Die eigene Windkraft-Tochter AWP GmbH (Austrian Wind Power) trat offensiv an, sicherte Windstandorte und trieb mit Macht Planungen und Genehmigungen voran.
Die Burgenländische Landesregierung tat das ihre dazu, um einen effizienten und unstrittigen Ausbau der Windkraft zu sichern, und ließ ein umfassendes Raumordnungskonzept erstellen. Unter Berücksichtigung von Natur- und Vogelschutz, Landschafts-Ästhetik und Raumplanung wurden weniger als 10% der Landesfläche zwischen Neusiedl, Halbturn und Kittsee als ‚Eignungszone' für Windkraftnutzung zugelassen (siehe Abbildung 1). Als Netzbetreiber erstellte die BEWAG ein Konzept, mit dem alle geplanten Windparks zum Abtransport der Energie geeignete Anschlüsse ans Stromnetz erhalten sollten. Mit diesem waren nicht alle Windmüller gleichermaßen gut behandelt.

Abbildung 1: Nur knapp 10% der Fläche des Nordburgenlands sind als Eignungszone für Windkraft ausgewiesen

"Ökologische Ölfelder"

Das Ökostromgesetz trat am 1. Januar 2003 in Kraft und gewährleistete für Strom aus Windkraft einen Mindesttarif von 7,8 Cent pro Kilowattstunde garantiert auf 13 Jahre. Bereits am 15. Februar 2003 wurde der Grundstein für die ersten fünf Anlagen des oekostromparks Parndorf der oekostrom AG gelegt. Landeshauptmann Niessl nutzte den Anlass und unterstrich das Ziel, dass das Burgenland zu eine Vorzeigeregion werden könnte, die sich schon bald zu 100% aus eigenen Energiequellen versorgt. Die Wind- und Biomasse-Ressourcen machen das Burgenland zu einem der neuen - ökologischen! - "Ölfelder".
Wenig mehr als 18 Monate später, am windigen 27. August 2004, war es erstmals soweit: Die Windparks der Region übertrafen mit 186,5 MW Einspeiseleistung kurzzeitig die Abnahmelast aller burgenländischen Verbraucher.
Und der Ausbau geht weiter. Am Jahresende 2004 werden voraussichtlich fast 200 Windanlagen mit rund 340 MW Nennleistung im nördlichen Burgenland arbeiten. Die Eignungszonen des Nordburgenlandes sind damit weitgehend ausgenutzt.

Ort Leistung [MW] Anzahl
Gols A 36 18
Gols B 13,75 11
Kittsee 21,6 12
Mönchhof 14 7
Neuhof 18 9
Neusiedl 79,2 44
Pama 10 8
Parndorf A 19,5 13
Parndorf B 41,4 23
Zurndorf 8,3 14
Gesamt 305,45 191

Tabelle 1: Windparks im Nordburgenland

Ökostromgesetz abgewürgt?

Es überrascht, wie schnell eine Vision wahr werden kann, wenn Rahmenbedingungen passen. Dass aus dem Erfolg des Ökostrom-Gesetzes jedoch im Sommer 2004 eine Kampagne gegen den Ausbau von Ökostrom im Allgemeinen und Windkraft im Besonderen wurde, und dass daraufhin gar eine Gesetzesnovelle vorbereitet wird, um den weiteren Ausbau radikal zu stoppen, ist die zweite - negative - Überraschung.
Unterstützt von Darstellungen der E-Control, die als unabhängig Regulierungsbehörde agieren soll, verbreiteten Sozialpartner und Medien die Angst vor einer Kostenexplosion der Windkraft. Die vom Gesetz gesteckten Mindestziele würden übererfüllt. Deshalb seien die Mehrkosten, die jeder Endverbraucher als Zuschläge auf die Netzpreise zu tragen hat, nicht mehr zu verantworten.
"Eine bespiellose Desinformationskampagne", ist noch eine der milderen Bewertungen, die aus der Branche der Erneuerbaren zu hören war. Fakt ist, dass selbst der "explosionsartige" Zubau der vergangenen Jahre nicht den Zuwachs des Stromverbrauchs aufwiegt, geschweige denn den Anteil von Ökostrom erhöht: Im ersten Halbjahr 2004 wurden in Österreich exakt 864 GWh (Millionen Kilowattstunden) mehr verbraucht als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Sämtliche Ökoanlagen Österreichs von Biomasse bis Wind, alte und neu gebaute zusammen, schafften von Jänner bis Juni genau 676 GWh (davon 466 GWh Wind). Fakt ist außerdem, dass die Eignungszonen der Parndorfer Platte vollständig ausgeschöpft sind.

Abbildung 2: Windkraftaufbau im Burgenland im Mai 2003

EU: Energie für die Zukunft

Österreich hat im Rahmen der EU Richtlinie 2001/77 die Verpflichtung übernommen, bis zum Jahr 2010 den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 78,1% zu steigern. Basis war das Jahr 1997, in dem Österreich 70% seines Stroms aus erneuerbaren Quellen produzierte.
Die Grundlage dieser Brüsseler Zielsetzung war Ende der neunziger Jahre in umfangreichen Studien und Diskussionen erarbeitet worden. Das Weißbuch "Energy for the Future: Renewable Sources of Energy" formuliert nicht nur das gesamteuropäische Ziel, den erneuerbaren Anteil der Stromerzeugung von 14% auf 22% anzuheben. Es listet auch die Gründe in fünf Themenbereiche auf:
· ökologischer Aspekt: Klimaschutz - nur mit dem Ausbau der Erneuerbaren ist die im Kyoto-Abkommen übernommene CO2-Reduktion zu erreichen,
· volkswirtschaftlicher Aspekt: Importabhängigkeit - nur mit dem Ausbau ist das Anwachsen der EU-Energieimporte auf 70% zu vermeiden,
· sozialer Aspekt: Regionalentwicklung und Arbeitsplätze - gemäß der Studien schaffen Investitionen in Erneuerbare fünfmal mehr Arbeitsplätze als konventionelle Energie,
· industriepolitischer Aspekt: Exportchancen und Weltmarkt - für den Weltmarkt erneuerbarer Energietechniken soll die europäische Industrie vorbereitet sein,
· energiepolitischer Aspekt: Versorgungssicherheit - die Erneuerbaren sollen bereitstehen, wenn die unweigerlichen Knappheiten und Preissteigerungen bei Erdöl und Erdgas infolge der Endlichkeit dieser fossilen Ressourcen sich abzeichnen.

oekostrom AG: Energiewende in Progress

Die im EU Weißbuch niedergelegten Entwicklungen sind deutliche Gründe für eine entschiedene Energiewende. Dazu sind Unternehmen neuen Typs notwendig, die neue Geschäftsmodelle erproben und unabhängig von den eingesessenen Interessen eine neue Kultur im Wirtschaften mit Energie entwickeln.
Die oekostrom AG wurde vor fünf Jahren gegründet, um genau in diesem Sinne tätig zu sein. Sie nutzt die Rahmenbedingungen, die aus dem Zusammenwirken der Liberalisierung der Energiemärkte und der gesellschaftlichen Zielsetzung zum Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen. Neben dem Bau und Betrieb von ökologischen Kraftwerken bietet sie als Stromlieferant österreichweit das Markenprodukt oekostrom® an. Als Beteiligungsgesellschaft ermöglicht sie mittlerweile 800 Aktionären sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen und davon zu profitieren.
Mit ihrer konsequent kontrollierten ökologischen Einkaufspolitik versorgt sie mittlerweile über 5000 Haushalte und Gewerbebetriebe in ganz Österreich. Zu den Kunden zählen neben allen namhaften Umweltorganisationen zunehmend auch Unternehmen, die ihrerseits auf ökologische und soziale Verantwortung achten: Von Herstellern von Biomasse- und Solaranlagen über Unternehmen der Lebensmittelbranche, Hotels, Druckereien, Banken bis zum Umweltministerium reichen die Referenzkunden.

Abbildung 3: Stromkennzeichnung gemäß Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union

Weil die Herausforderung des Energiemarktes durchaus europaweit ist, arbeitet die oekostrom AG seit über einem Jahr in einer wachsenden Kooperation mit dem deutschen Ökostrom-Anbieter Greenpeace energy e.G. zusammen. Gemeinsam haben die beiden Unternehmen im Juli 2004 - als erste Stromanbieter im deutschen Sprachraum - die Herkunftskennzeichnung ihres Stroms auf die Vorgaben der neuen EU Richtlinie umgestellt (siehe auch Abbildung 3). Als Antwort auf die Verzögerungen der großen Konzerne beweisen die beiden führenden Ökostrom-Anbieter in Österreich und Deutschland damit, dass Stromkennzeichnung, wie sie die EU-Richtlinie seit 1. Juli 2004 verlangt, ab sofort und ohne Kompromisse möglich ist.
Aus der Zusammenarbeit im Stromvertrieb und der dazugehörigen Politik hat sich zwischen oekostrom AG und Greenpeace energy e.G. mit dem Windpark Parndorf 2 eine weitere Kooperation ergeben. Neben den Stadtwerken Hartberg sind die Hamburger daran beteiligt. Die acht neuen Anlagen vom Typ GE 1,5sl werden Mitte November errichtet und im Dezember mit zusätzlichen 12 MW Windleistung ans Netz gehen.
Der oekostrompark Parndorf ist damit nicht nur Anlass zu visionären Festen, wie die eingangs erwähnte Spatenstich-Party (siehe Abbildung 4). Er ist auch ein Startpunkt einer internationalen Zusammenarbeit ökologischer Vorreiter.

Abbildung 4: Spatenstich oekostrompark Parndorf 2 am 17. Sept. 2004
(V.l.n.r.: Robert Werner, Vorstand Greenpeace energy e.G.; Martin Steininger, IG Windkraft; Dr. Eva Glawischnig, stv. Bundessprecherin Die Grünen; Helmut Bieler, Landesrat für Finanzen; Anton Gabriel, Bürgermeister; Andreas Wagner, GE Wind Energy; Mag. Ulfert Höhne, Vorstand oekostrom AG)

 

*) Ulfert Höhne ist Vorstand der oekostrom AG, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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