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2004-04: Windenergie zwischen Euphorie und Widerstand

Energiepolitik

Die Vereinigung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber UCTE veröffentlicht alljährlich eine Statistik über die Stromerzeugungsstrukturen (www.ucte.org). Umfasst sind alle Länder Kontinentaleuropas, die in diesem Übertragungsnetz-Verbund zusammen geschlossen sind.

Beitrag Windenergie zur Elektrizitätsversorgung

Von Christian Schönbauer*

Im Jahr 2003 war demnach folgende Erzeugungsstruktur gegeben: Thermische Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern mit 1.299 TWh (54%), Stromerzeugung aus Nuklearenergie mit 788 TWh (33%) und Stromerzeugung aus Wasserkraft mit 305 TWh (13%). Das macht insgesamt 2.393 TWh. Die Windkrafterzeugung wird in dieser Statistik noch nicht getrennt ausgewiesen (das ist in den nächsten Jahren vorgesehen), sie dürfte gegenwärtig etwa 2% der Erzeugung abdecken.

Ziel der EU

Die Europäische Union hat sich als Ziel gesetzt, den Stromerzeugungsanteil aus erneuerbaren Energieträgern bis 2010 von 14% im Basisjahr 1997 auf 22% im Zieljahr 2010 anzuheben. Nach den vorliegenden Programmen soll dieser Anstieg vor allem durch Windkraftzubau erreicht werden. Nach einem aktuellen Evaluierungsbericht der Europäischen Kommission wird das 22% Ziel verfehlt werden, es werden im Jahr 2010 dagegen etwa 17% bis 18% der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern erwartet.

Stromversorgung in Österreich

Österreich ist in einer Sonderrolle betreffend Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. In einem durchschnittlichen Wasserjahr werden in Österreich etwa 39 TWh aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt, das sind etwa 65% des derzeitigen Gesamtverbrauchs. Damit besitzt Österreich einen etwa fünfmal so hohen Stromerzeugungsanteil aus erneuerbaren Energieträgern wie die Europäische Union. Aufgrund der topographischen Situation Österreichs ist insbesondere die Wasserkraft von entscheidender Bedeutung für die Gesamtversorgung und für den Anteil an erneuerbaren Energieträgern, nämlich mit 37,3 TWh.
Das EU-Ziel "Anhebung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern von 70% auf 78%" ist nur unter Berücksichtigung der in der Richtlinie ausgeführten Anmerkung realistisch, dass dieses Ziel nur bezogen auf einen konstanten Bezugswert von 56,1 TWh erreichbar ist. Aufgrund des Strombedarfswachtums kann der außergewöhnlich hohe bereits bestehende erneuerbare Anteil in Österreich nämlich nicht gehalten werden, weil die Wasserkraftpotenziale weitgehend ausgeschöpft sind und die "neuen" erneuerbaren Energieträger Wind, Biomasse und Photovoltaik nur einen Bruchteil der Wasserkrafterzeugung beitragen können.

Abbildung 1: Einflussparameter auf die Stromversorgungsstrukturen Österreichs bis 2015

Abbildung 1 zeigt die entscheidenden Einflussparameter auf die Stromversorgungsstrukturen Österreichs in den kommenden 10 bis 20 Jahren, nämlich

  • das Strombedarfswachstum und
  • die Entwicklung der Wasserkrafterzeugung.

Alle Prognosen gehen davon aus, dass der Strombedarf weltweit, in Europa und in Österreich weiter zunehmen wird. Für Österreich gehen die meisten Annahmen von einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 1,6% bis 2% aus. In Abbildung 1 mit einer Darstellung 2002 bis 2015 ist zu erkennen, dass dieser Bedarfszuwachs deutlich größer ist, als die erwarteten zusätzlichen Stromerzeugungen aus Windkraft, Biomasse und Photovoltaik.
Für Österreich besonders wirksam ist außerdem die Vorgabe der Europäischen Union in einer eigenen Richtlinie ("Wasserrahmenrichtlinie"), dass die Umweltbeeinflussungen von Gewässerbauten zu minimieren sind. Dadurch kann die Stromerzeugung aus Wasserkraft um 5% bis 15% abnehmen.
Die zu erwartenden Stromerzeugungsanteile aus Windkraft, Biomasse und Photovoltaik werden diese beiden Entwicklungen Strombedarfswachstum und Stromerzeugungsminderung aus Wasserkraft nur zum Teil kompensieren können.

Windkraftentwicklung

Mit dem Inkrafttreten des Ökostromgesetzes zu Jahresbeginn 2003 kam es in Österreich zu einem in diesem Ausmaß unerwarteten Windkraft-Ausbauboom. Waren zu Jahresbeginn 2003 etwa 140 MW Windkraft in Betrieb so waren es zu Jahresende 2003 bereits etwa 415 MW und mit Stand Anfang Oktober 2004 sind bereits etwa 570 MW Windkraft genehmigt.

Ökostromabnahmemengen 2003
Einspeisemenge
in GWh
Vergütung netto
in €
Durchschnitts-
vergütung
in Cent/kWh
Kleinwasserkraft
3.386
149.157.646
4,41
Sonstige Ökoanlagen
597
53.035.402
8,89
Windkraft
366
27.751.752
7,59
Biomasse fest inkl. Abfall hbA
99
8.526.426
8,58
Biomasse gasförmig
42
4.729.515
11,37
Biomasse flüssig
2
220.851
10,94
Photovoltaik
11
6.764.435
64,30
Deponie- und Klärgas
75
4.845.244
6,49
Geothermie
3
197.180
6,64
Gesamt Kleinwasserkraft
und Sonstige Ökoanlagen
3.982
202.193.048
5,08

Tabelle 1: Ökostromabnahmemengen 2003 (Quelle: Meldungen der Öko-BGV an die Energie-Control GmbH)

Ökostromabnahmemengen 2003
1. Halbjahr 2004
Einspeisemenge
in GWh
Vergütung netto
in €
Durchschnitts-
vergütung
in Cent/kWh
Kleinwasserkraft *)
2.007
93.785.519
4,67
Sonstige Ökoanlagen
676
60.301.608
8,92
Windkraft
466
36.081.808
7,75
Biomasse fest inkl. Abfall hbA
116
11.298.622
9,72
Biomasse gasförmig *)
41
4.985.739
12,29
Biomasse flüssig
9
1.156.513
12,90
Photovoltaik
6
4.029.650
63,63
Deponie- und Klärgas
37
2.643.636
7,17
Geothermie
1
105.641
7,07
Gesamt Kleinwasserkraft
und Sonstige Ökoanlagen
2.683
154.087.198
5,74

Tabelle 2: Ökostromabnahmemengen im ersten Halbjahr 2004 (Quelle: Meldungen der Öko-BGV an die Energie-Control GmbH)

*) bei VKW-Werten: Standardlastprofile wurden nach vorläufigen Schätzungen zugeordnet

Die Tabellen 1 und 2 zeigen Auswertungen der gemäß Ökostromgesetz unterstützten Ökostrommengen gegliedert nach Energieträger sowie der in Form von Einspeisetarifen gewährten Vergütungsvolumina und Durchschnittsvergütungen pro kWh Ökostrom. Die Auswertungen zeigen, dass Windkraft wesentlich teurer als Kleinwasserkraft aber merkbar kostengünstiger als Stromerzeugung aus Biomasse ist. Allerdings ist bei einem solchen Vergleich zusätzlich zu berücksichtigen, dass im Kleinwasserkraftsegment auch viele ältere, bereits abgeschriebene Investitionen enthalten sind. Dagegen müssten für eine vollständige wirtschaftliche Bewertung der Windkraft zusätzlich die Aufwendungen für Ausgleichsenergie einbezogen werden, die wegen der Nicht-Speicherbarkeit und verhältnismäßig schlechten Prognostizierbarkeit anfallen. Diese beträgt etwa 1,0 Cent/kWh bis 1,5 Cent/kWh bei Stromerzeugung aus Windkraft.

Perspektive

Mit einer installierten Windkraftleistung von 500 MW können etwa 2% des Strombedarfs in Österreich gedeckt werden. Diese Leistung wird bereits im Jahr 2004 überschritten werden.
Mit 750 MW Windkraft können etwa 3% des Bedarfs erzeugt werden. Es ist zu erwarten, dass die Windkraftleistung in Österreich in den kommenden Jahren etwa diesen Wert erreichen wird.
Mit einer solchen Windkraftleistung werden die besseren Windkraftstandorte Österreichs weitgehend genutzt sein. Ob darüber hinaus ein weiterer Windkraftausbau in Österreich stattfinden wird, ist von mehreren Einflussfaktoren abhängig, und zwar vor allem von

  • einer politischen Entscheidung zum geplanten Stellenwert der Windkraft, unter anderem auch im Spannungsfeld zwischen Energiepolitik und Raum- und Regionalplanung und
  • technologische und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Windkrafttechnologie.

International betrachtet werden die Schwerpunkte des weiteren Windkraftausbaus in der Nutzung der Onshore-Standorte bestehen, die im Vergleich zu Österreich bessere Windqualitäten aufweisen (an Küstenstandorten ist der Windertrag um rund 20% höher als in Österreich), sowie in sehr groß angelegten Offshore-Programmen.

Abbildung 2: Bei gleichbleibendem Ausbau der Ökostromanlagen klafft 2015 voraussichtlich ein kräftiges Loch in der Inlandsstromaufbringung (Foto: IG Wind)

*) Dipl.- Ing. Christian Schönbauer ist Bereichsleiter Ökoenergie bei der Energie-Control GmbH, www.e-control.at [^]

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