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2005-03: Solare Prozesswärme

Thema

Einer der großen Effekte menschlichen Handelns auf die Zukunftsfähigkeit ist die globale Erwärmung verursacht durch klimarelevante Gasemissionen. Der Großteil dieser Gase kommt aus Verbrennungsprozessen, an welchen die industriellen Produktionen wiederum einen großen Anteil haben. Hier kann eine signifikante Veränderung nur durch eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger erfolgen, die aber simultan mit einer Erhöhung der Energieeffizienz umgesetzt werden muss.

Kosteneinsparung durch Energieeffizenz

Von Christoph Brunner und Hans Schnitzer*

Einer der großen Effekte menschlichen Handelns auf die Zukunftsfähigkeit ist die globale Erwärmung verursacht durch klimarelevante Gasemissionen. Der Großteil dieser Gase kommt aus Verbrennungsprozessen, an welchen die industriellen Produktionen wiederum einen großen Anteil haben. Hier kann eine signifikante Veränderung nur durch eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger erfolgen, die aber simultan mit einer Erhöhung der Energieeffizient umgesetzt werden muss.
In vielen Industrieländern auch in moderaten Klimaten bietet sich die Nutzung der Sonnenenergie in thermischen Anlagen als CO2-freie Alternative an. Nach dem Bereich der Wärme für den Wohnbereich geht es nunmehr darum, die industrielle und gewerbliche Prozesswärme als nächsten hoffnungsträchtigen Markt für Solarkollektoren zu eröffnen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Potenzial für solare Prozesswärme in Österreich und stellt am Beispiel einer Molkerei eine konkrete Einsatzmöglichkeit dar.
In Österreich betrug 2000 der industrielle Energieeinsatz 205 PJ und war damit für 21% des nationalen Endenergieeinsatzes von 965 PJ verantwortlich. [Energieverwertungs-agentur, 2004]. Die Solarenergie könnte theoretisch in Österreich kurzfristig 3,3 PJ und mittelfristig 5,4 PJ Prozesswärme ersetzen [Müller et al., 2003] und ist mit einem unmittelbaren Potenzial von ca. 2,6 Mio. m² bzw. 4,3 Mio. m² Kollektorfläche sicherlich ein wesentli-cher zukünftiger Markt für die Solarthermik (zum Vergleich: in Österreich sind Ende 2003 2,7 Mio. m² im Bereich Warmwasser und Raumheizung installiert [Faninger 2004]). Der Einsatz von Solarenergie für Prozess-wärme ersetzt hauptsächlich fossile Energieträger wie Öl und Gas und vermindert sowohl klassische Emissionen (Staub, NOx, SO2) als auch CO2 als das wesentliche treibhauswirk-same Gas.
Der vorliegende Beitrag ist ein Teil der von JOANNEUM RESEARCH im gemeinsam mit der AEE INTEC und dem Institut RNS der TU Graz durchgeführten Forschungsarbeiten des Projektes SolProBat in der Programmlinie „Energiesysteme der Zukunft“ des BMVIT. In einer ebenso unter „Energiesysteme der Zukunft“ finanzierten Teilnahme am Task 33 „Industrial Solar Heat“ des SHC-Programms der IEA werden diese Ergebnisse international abgeglichen (www.iea-ship.org).
Industrielle Energiesysteme
Die meisten industriellen Herstellungsprozesse benötigen thermische Energie (Wärme), die in Kesselanlagen bereitgestellt und sodann in der Produktionsanlage verbreitet wird.

Abbildung 1: Elemente eines typischen industriellen Energiesystems

Ein industrielles Energiesystem (vgl. Abbildung 1) besteht aus mehreren Subsystemen,

  • der Energiebereitstellung
  • der Energienutzung
  • allfälligen Rückgewinnungseinheiten
  • allfälligen Rückkühlsystemen

Besonders das Kühl- und Rückgewinnsystem sind meist in der Anlage integriert und räumlich nicht separiert. In Einzelfällen werden Produktionsanlagen auch direkt beheizt.

Typische Niedertemperaturprozesse

Von ihrer technischen Einsetzbarkeit her sind Solarkollektoren zumindest in moderaten Klimaten auf Niedertemperaturprozesse beschränkt (kurzfristig Anwendungen mit Temperaturen bis 100°C, mittelfristig bis 250°C). Die Betrachtung und Analyse dieser Prozesse kann nicht generell durchgeführt werden, zu unterschiedlich sind Randbedingungen und Anforderun-gen z.B. für Reinigungsanlagen oder Flaschenwaschanlagen in der Lebensmittelindustrie, das Waschen von Textilien oder das Reinigen bzw. Entfetten metallischer Werkstücke vor einer Oberflächenbehandlung.
Bei einer Analyse des industriellen Energieeinsatzes im Niedertemperaturbereich stößt man aber auf immer wiederkehrende verfahrenstechnische Grundoperationen, von denen einige nachfolgend aufgezählt sind.

  • Bereitstellung von Heißwasser und Dampf
  • Trocknungs- und Entwässerungsverfahren
  • Einsatzstoff- und Materialvorwärmung
  • Eindampfen
  • Pasteurisieren und Sterilisieren
  • Waschen und Reinigen
  • Chemische Reaktionen
  • Heizung für Industrieanlagen

Vielversprechende Industriebranchen

Obwohl die oben angeführten Verfahren in praktisch jeder Industriesparte vorkommen, zeichnen sich doch einige Branchen durch ein besonders großes Potenzial aus.
Aus dem bekannten Endenergieverbrauch der Branchen des produzierenden Bereiches [Statistik Austria 2000] und deren Verteilung auf die Nutzenergie-Kategorien lässt sich gut erkennen, dass es einige Branchen gibt, in denen Hochtemperaturprozesse dominieren (Eisen- und Stahlerzeugung, Glas, Steine und Erden, Metallerzeugnisse, NE-Metalle). In diesen Betrieben ist die Versorgung der Niedertemperaturprozesse durch Ab-wärmenutzung bzw. Wärmerückgewinnung sinnvoller als die Investition in eine zusätzliche, wenn auch CO2-neutrale Energieversorgung aus Solarenergie.
Aus anderen Prozessen und Branchen mit hohem Energieeinsatz ist bekannt, dass die hohen Durchsätze nur durch große Temperaturunterschiede in den Apparaten zu gewährleisten sind; ein Beispiel dafür sind Papier- & Pappeherstellung.
Die folgende Diskussion bezieht sich daher auf die Branchen, die für die Anwendung von Solarwärme erfolgversprechend sind.

  • Lebensmittel
  • Chemie
  • Kunststoffverarbeitung
  • Textilindustrie
  • Baustoffindustrie
  • Gewerbebetriebe

Wärmeintegration

In vielen Produktionsprozessen steht dem Wärmebedarf ein Angebot an Abwärme gegen-über. Die Nutzung der Abwärme bietet den Vorteil, dass das Angebot mit dem Bedarf weit-gehend konform geht. Bei der Wärmerückgewinnung muss darauf geachtet werden, dass die Energie auf einem möglich hohen Temperaturniveau wieder genutzt wird. Die energietechnisch korrekte Vorgangesweise bei der Planung von Wärmetauscher-Netzwerken beschreibt die PINCH-Theorie [Ferner, Schnitzer, 1990]. Diese teilt die Produktionsanlagen in einen kälteren Teil, der einen Wärmeüberschuss aufweist und somit Kühlbedarf hat und einen heißeren, der einen Wärmebedarf hat. Dies geschieht durch eine thermodynamische Addition der Ströme in einem Energie-Temperaturdiagramm.

Abbildung 2: Darstellung je zwei heißen und kalten Prozessströmen in einem Diagramm

Aus dieser Darstellung lassen sich die wesentlichen Aussagen über die Größe der möglichen Wärmerückgewinnung und den externen Wärmebedarf treffen. Getrennt wer-den diese Teile durch den „PINCH“, den thermodynamischen Flaschenhals (vgl. Abbildung 2).
In der Praxis werden die optimalen Werte nie erreicht, da viele Prozessströme schwierig zu handhaben sind (verschmutzt, korrosiv, große Volumina, schlechte Örtlichkeiten…).

Beispielbranche Molkereien

In der Branche Milchverarbeitung gibt es in Summe einen Gesamtbedarf an Niedertempe-raturwärme von knapp 500 TJ, mehr als 400 TJ im Temperaturbereich zwischen 60 und 80°C.
Bei Betrachtung der Einzelprozesse erscheinen ca. 100 TJ für eine solarthermische Ener-gieversorgung geeignet. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die erforderlichen Energiemengen und deren Tem-peraturniveaus in der milchverarbeitenden Industrie in Österreich. Es zeigt sich, dass mit wenigen Ausnahmen alle Prozesse unter 100°C ablaufen und grundsätzlich zum Einsatz von Solarenergie geeignet sind.

Abbildung 3: Wärmerelevante Prozesse der österreichischen Betriebe im Bereich Milchverarbeitung nach Temperaturniveau und Jahresenergiebedarf

Es gibt in der Milchverarbeitung einige Prozesse, deren Randbedingungen für den Einsatz von Solarthermie sehr geeignet erscheinen. Sowohl in der Käseproduktion (Waschwasserbedarf) als auch für die verschiedenen Reinigungsprozesse (CIP-Systeme und Außenreinigung der gesamten Produktionsanlagen --> Hygiene!) wird viel Warm- und Heißwasser benötigt, für das es geringe Möglichkeiten der Vorwärmung durch Abwärmenut-zung aus anderen Prozessen gibt. Der Prozesswärmebedarf in der Milchverarbeitung ist sehr gleichmäßig. Sowohl tageszeit-liche, wie auch wöchentliche und jahreszeitliche Schwankungen sind eher gering. Diese konstanten Profile ergeben sich einerseits aus der gleichmäßigen Anlieferung der Rohstoffe und der Not-wendigkeit einer raschen Verarbeitung der Roh-milch und andererseits aus der Möglichkeit parallel laufende Produktionen zeitversetzt zu betreiben.

Schlussfolgerungen

Die Nutzung von solarer Wärme in Produktionsprozessen steht erst am Anfang und erfordert noch einen beträchtlichen Aufwand an Entwicklungs- und Motivationsarbeit zur Umsetzung. Erste realisierte Beispiele aber zeigen, dass die Chancen zu einer baldigen Umsetzung intakt sind und mit einer Verbreitung zu rechnen ist.
Ausgewählte Branchen mit ausreichenden Niedertemperaturprozessen bieten bereits heute wirtschaftliche Einsatzgebiete und werden den Anfang machen.
Die wichtigsten Folgerung aus den bisherigen Arbeiten sind:

  • es gibt in fast allen industriell-gewerblichen Sektoren Niedertemperaturprozesse,
  • oftmals wird Heizen und Kühlen gleichzeitig nachgefragt, was eine integrierte Betrachtungsweise erfordert,
  • eine direkte solare Heizung der Prozesse ist wirkungsvoller, eine solare Unterstützung eines existierenden Energiesystems aber risikoärmer und einfacher zu installieren,
  • trotz relativ langer Amortisationszeiten kann der Cashflow einer Solaranlage auch bei heutigen Energiepreisen positiv sein.

Die Autoren danken dem BMVIT für die Förderung der Forschungsprojekte im Rahmen der Impulsprogramme „Fabrik der Zukunft“ und „Energiesysteme der Zukunft“.

*) DI Christoph Brunner ist Leiter des Forschungsschwerpunkts Nachhaltige Techniken am JOANNEUM RESEARCH Institut für Nachhaltige Techniken und Systeme, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Prof. Dr.
Hans Schnitzer ist Leiter des JOANNEUM RESEARCH Institutes für Nachhaltige Techniken und Systeme, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.joanneum.at [^]

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