Zeitschrift EE

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2007-02: Hochwertige Sanierung von Gebäuden

Solarthermie

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden im Jahr 2030 bei einer weltweit gestiegenen Energienachfrage wesentlich weniger Öl und Gas zur Verfügung stehen als heute. Die Verknappung von fossilen Energieträgern wird die Öl- und Gaspreise weiter ansteigen lassen.

Wärmeversorgung ohne fossile Energieträger - Vision für 2030

Von Werner Weiss*

Da es im Verkehrsbereich wenig Alternativen zu fossilen Energieträgern gibt, werden die noch zur Verfügung stehenden Ressourcen vor allen Dingen der Mobilität dienen und ihr Einsatz in der Wärmeversorgung von Gebäuden überproportional stark sinken. Unabhängig davon macht der voranschreitende Klimawandel eine drastische Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energiequellen erforderlich.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde im Rahmen der Europäischen Solar Thermie Technologie Plattform (ESTTP) von den führenden europäischen Solarforschungsinstituten und der Solarindustrie die Solarthermie-Vision 2030 entwickelt, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll.

Möglichkeiten der Solarwärme unterschätzt

Die Solarthermie wurde bislang von vielen Kreisen als ausgereifte Technik ohne weiteres Entwicklungspotenzial angesehen und ihr Anwendungsbereich meist nur im Bereich der Warmwasserbereitung mit Kleinanlagen gesehen. Diese Einschätzung hat sich eindeutig als falsch und zu eng erwiesen. In den vergangenen Jahren wurden die heute vornehmlich eingesetzten Solarsysteme zur Trinkwassererwärmung und teilweise zur Heizungsunterstützung deutlich in Bezug auf Effizienz, Zuverlässigkeit und Integration sowohl der Kollektoren in die Dachhaut oder Fassade als auch des Solarsystems in die konventionelle Heizungstechnik verbessert. Dabei konnten die Kosten kontinuierlich gesenkt werden. Der Kostenreduktionsprozess wird sich verstärkt fortsetzen, wenn die Innovationspotenziale in der Produkt- und der Produktionstechnologie gezielt erschlossen werden, zum Beispiel durch den Einsatz neuer Materialien und einer industriellen Massenfertigung.
Der Anteil der Solarwärmeanlagen zur Raumheizungsunterstützung nimmt kontinuierlich zu. Diese haben heute in Österreich in der Regel eine Kollektorfläche zwischen 12 und 20 m² und decken in einem gut gedämmten Haus bis zu 40% des Gesamtwärmebedarfs. Allerdings werden auch Gebäude mit deutlich größeren Kollektorflächen und größeren Solarspeichern gebaut, die beispielsweise 50% bis 70% des Gesamtwärmebedarfs decken oder eine solare Vollversorgung ermöglichen. Die durchschnittliche Anlagengröße und damit die solare Deckungsrate weist eine kontinuierliche Steigerung auf.
In künftigen Solarsystemen wird die Solarwärme die Hauptwärmequelle des Gebäudes darstellen und weitere Wärmequellen nur noch als Backup vorhanden sein. Die Reduzierung der Rolle konventioneller Heizgeräte auf reine Backupsysteme entspricht einer qualitativen Änderung des Wärmeversorgungskonzeptes.

Das Solarhaus

Die Gebäudeheizung wird bis 2030 weitgehend ohne fossile Energiequellen erfolgen. Ein Teil der Neubauten wird als Passivhäuser mit einem minimierten Wärmebedarf ausgeführt werden. Die Mehrzahl der Neubauten und vor allem die Mehrzahl des Gebäudebestands wird jedoch weiter aktiv beheizt werden.
Die Solarbranche hat das Ziel, bis 2030 das 100% mit Solarenergie beheizte Haus zum Standard zu machen. Hocheffiziente, innovative und intelligente Solarsysteme werden einen hohen Komfort bieten bei geringem Platzbedarf. Die Solarheizung wird die kostengünstigste Form der Gebäudebeheizung darstellen.

Solarempfangsflächen

Der steigende Bedarf nachhaltiger, dezentraler Energieversorgung wird dazu führen, dass bis 2030 die südlich orientierten Dachflächen (von Ost über Süd bis West orientiert) bis auf Dachfenster und Gauben vollständig mit Solarflächen belegt sein werden. Solarwärmekollektoren und Solarstrommodule in einheitlichem Design werden sich die vorhandenen Flächen teilen, wobei die Flächenanteile von der Solarwärmenutzung bestimmt werden, da die Netzkopplung die Installation von Solarstromanlagen wesentlich flexibler macht.
Zusätzlich zu den Dachflächen werden teilweise auch die südlich orientierten Fassaden als Solarempfangsflächen genutzt werden, teilweise werden sich auch Ost- und Westfassaden als Solarflächen eignen. Die Solarflächen werden vollständig in die Bauteile der Gebäudehülle integriert werden. Eine kompakte Bauweise und die intelligente Mehrfachnutzung von Gebäudeteilen wird neue Synergieeffekte erschließen.

Wärmespeicherung

Die vollständige Deckung des Wärmebedarfs im Gebäude wird in der Regel eine saisonale Speicherung der im Sommer erzeugten Solarwärme erfordern. Die Entwicklung von Speichern mit hohen Energiedichten ist daher eine der wesentlichen Herausforderungen bis zum Jahr 2030. Heute sind dazu Wasserspeicher mit einem großen Volumen von 30 und mehr Kubikmetern allein für ein sehr gut gedämmtes Einfamilienhaus erforderlich (siehe Abbildung 1, linkes Bild). Die saisonalen Speicher werden bis 2030 dieselbe Wärmespeicherkapazität bei wesentlich reduziertem Volumen zur Verfügung stellen auf Basis von einer stark verbesserten Wärmedämmung, z.B. mit Vakuumdämmung, die sowohl die Speicherverluste als auch das Volumen der Dämmschicht deutlich reduziert (siehe Abbildung 1, rechtes Bild). Neue Speichermedien und -technologien werden eine gegenüber Wasser wesentlich höhere Energiedichte zur Verfügung stellen. Ein zukünftiger Solarspeicher wird also mit kleinem Volumen Wärme für Warmwasser, Raumheizung und Kühlung zur Verfügung stellen. Das Ziel ist die Steigerung der Energiedichte um den Faktor acht.

Abbildung 1: Derzeitiger Saisonspeicher (links) und zukünftige Solarspeicher (rechts) für Einfamilienhäuser

Solarvision Gebäudebestand: Die Solaraktive Sanierung

Die sinkende Bevölkerungszahl, der hohe Flächenbedarf bei dezentralen Wohneinheiten und steigende Fahrtkosten werden dazu führen, dass in den kommenden Jahrzehnten der Neubau weiter an Bedeutung abnimmt. In bezug auf die Energieversorgung sind deshalb vor allem Lösungen für die energetische Sanierung des Gebäudebestands zu entwickeln.
Aktive Solarsysteme bieten, neben der verbesserten Wärmedämmung in der energetischen Gebäudesanierung, eine hervorragende Möglichkeit, das Gebäude mit einem nachhaltigen und emissionsfreien Wärmeversorgungssystem auszurüsten. Das Ziel ist es deshalb, bis 2030 die solare Sanierung des Gebäudebestands zum Standard der energetischen Gebäudesanierung zu machen.

Abbildung 2: Aktive Solarsysteme sollen ein selbstverständlicher Bestandteil der Gebäudesanierung werden
(Grafik: M. Zimmermann , Quelle: EMPA)

Hierzu werden konventionelle opake Bauteile (Dächer, Fassaden, etc.) praktisch mit aktiv solaren Elementen verschmelzen. Vorgefertigte Dachelemente (mit und ohne Tragkonstruktion) sowie Fassadenelemente ermöglichen die einfache Integration von Solarwärme in der Gebäudesanierung. Farbenvielfalt beim Erscheinungsbild nach außen ermöglicht ein breites Anwendungsspektrum in sämtlichen Bereichen der Architektur.
Hydraulische Versorgungsleitungen (Solaranlage und Wärmeverteilung) sind einfach und flexibel in vorgefertigten Dach- oder Fassadenelementen integriert.

Solare Nahwärme

In verdichteten Räumen sind mit erneuerbaren Energieträgern beheizte solare Nahwärmesysteme im Einsatz, die in allen Größen existieren werden und wenige Gebäudeeinheiten bis große Wohnsiedlungen umfassen werden.
Hierbei werden sowohl Konzepte der zentralen wie der dezentralen Einspeisung von Solaranlagen und Backup-Kesseln verfolgt. Letztere Variante hat den Vorteil, dass Wärmenetze sukzessive ausgebaut werden können, ohne dass es zu Problemen mit Rohrleitungsquerschnitten und Pumpleistungen kommt.

Solare Kühlung

Solare Kühlung ist heute auf der Basis sorptiver Systeme im Demonstrationsstadium und wird weltweit immer häufiger eingesetzt. Es existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Systemansätze mit einer Reihe verschiedener Materialien und Konzepte (absorptive, adsorptive, offene, geschlossene, einstufige, zweistufige Systeme). Die notwendigen Antriebstemperaturen liegen je nach System im Bereich zwischen 60°C und 150°C, wobei nach oben hin keine Grenzen gesetzt sind. Bislang gibt es Kaltwassersysteme (geschlossene Verfahren) zum Anschluss an wassergestützte Raumeinheiten und Systeme zur Integration in Lüftungsanlagen (offene Verfahren).
Thermisch angetriebene Kühlsysteme können beliebige Wärmequellen mit ausreichendem Temperaturniveau nutzen. Sie eignen sich allerdings ideal für den Einsatz von Solarwärme aufgrund der Koinzidenz von solarer Einstrahlung und Kühlbedarf. Da in den meisten Fällen auf große Speicher verzichtet werden kann, wird die Solarwärme sehr effizient eingesetzt.

Gewerbe und Industrie

Unter den Sektoren Industrie, Transport, Haushalte und Dienstleistungssektor weist der Sektor Industrie in den Mitgliedsländern der Europäischen Union mit einem Anteil von rund 30% den höchsten Anteil am Energieverbrauch auf.
Rund 26 PJ des industriellen Wärmebedarfs im Niedertemperaturbereich in Spanien, Portugal und Österreich könnten solarthermisch abgedeckt werden /1/. Bis zum Jahr 2030 lassen sich voraussichtlich 15% dieses Potenzials erschließen, was allein für diese drei Länder zur Installation einer Kollektorleistung von 2,1 GWth (3 Mio m²) führt. Bezogen auf die EU 25 wird das bis 2030 umsetzbare Potenzial auf 20 - 30 GWth geschätzt.
Ähnlich wie in vollsolaren Gebäuden ist es auch für den Einsatz in Industrie und Gewerbe entscheidend den Energiebedarf vor dem Einsatz solarer Wärme auf ein Minimum zu reduzieren. Das bedingt, dass zuerst durch prozessintegrierte Maßnahmen (Einsatz von energieeffizienten Technologien) und Wärmerückgewinnung die Energie in einem Produktionsbetrieb effizient eingesetzt wird. Erst nach Optimierung des Energieverbrauchs wird der Einsatzbereich für solare Prozesswärme geprüft und eine Solaranlage in das System integriert.
Wesentliche Einsatzbereiche für solarthermische Anlagen bestehen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Chemieindustrie sowie bei Waschprozessen. Dies liegt vor allem an den Temperaturniveaus von 30°C bis maximal 90°C, die für die Prozesse dieser Branchen erforderlich sind. Neben der Prozesswärmebereitstellung werden künftig in Gewerbe und Industrie auch die Produktionshallen in großem Umfang mit Solarwärme beheizt werden.
Über die Niedertemperaturprozesse bis 90°C hinaus besteht ein beachtliches Potenzial für die Solarwärmenutzung im mittleren Temperaturbereich bis ca. 250°C. In den kommenden Jahren sind hierfür Kollektoren zu entwickeln, die dieses erforderliche Temperaturniveau mit hohem Wirkungsgrad erreichen. Entsprechende Technologiekonzepte sind vorhanden, beispielsweise Flachkollektoren mit Mehrfachverglasung und Antireflex-Beschichtung, stationäre CPC-Kollektoren oder kleine Parabolrinnenkollektoren.

*) Dipl.-Päd. Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.aee-intec.at [^]

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