Zeitschrift EE

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2007-03: Vorbei an Kioto

Solarthermie

Abbildung 1: Angepasste Ausführung einer biomassebefeuerten Heizzentrale mit Solarwärmenutzung Quelle: energy cabine

In dicht besiedelten Gebieten kommt in Österreich der netzgebundenen Wärmeversorgung eine zentrale Aufgabe zu. Erfolgt in Ballungszentren die Wärmeversorgung größtenteils über Fernwärmenetze, wird sie in Gebieten mit Dorfcharakter häufig über Nahwärmenetze durchgeführt. Im Gegensatz dazu sind sogenannte Mikronetze eine junge Technologie, die aufgrund der Bau- und Modernisierungsaktivitäten im Neubau und im Bestand ein enormes Potenzial besitzen.

Modular erweiterbare Wärmenetze auf Basis Solarwärme und Biomasse

Von Christian Fink, Johann Breidler und Richard Heimrath *

Trotz des großen Potenzials ist es bisher nicht gelungen, Mikronetze in Österreich als Standardwärmeversorgung zu etablieren. Neubausiedlungsgebiete werden in Bauabschnitten errichtet, daher muss die Wärmeversorgung modular aufgebaut sein. Dies bringt technische und organisatorische Probleme mit sich. Mit diesen Fragestellungen beschäftigte sich das von AEE INTEC, dem Institut für Wärmetechnik an der TU Graz sowie dem TB Kaufmann (Graz) durchgeführte Forschungsprojekt „MOSOL-NET“ („Entwicklung von modular erweiterbaren technischen Lösungen, die eine Wärmeversorgung von Neubaugebieten über solarunterstützte Nahwärmenetze ermöglichen“). Dieses Projekt wurde im Rahmen der Programmlinie „Energiesysteme der Zukunft“ - einer Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) - durchgeführt.

Neubausiedlungsgebiete und Potenzialabschätzung

Das Potenzial von Mikronetzen wird von Experten als groß eingeschätzt. Um realistische Aussagen tätigen zu können, wurde eine Potenzialabschätzung durchgeführt. Mittels Fragebogenaktion in der Steiermark und in Salzburg wurde erhoben, wie viele neue Siedlungsgebiete geplant sind bzw. welche Eckdaten diese Gebiete aufweisen. Von den 665 Gemeinden in den beiden Bundesländern beabsichtigen 113 Gemeinden Neubausiedlungsgebiete zu errichten und sind größtenteils an einer netzgebundenen Wärmeversorgung interessiert. In einer Hochrechnung auf das Bundesgebiet (2.359 Gemeinden) ergaben sich rund 400 in Vorbereitung bzw. Planung befindliche Neubausiedlungsgebiete.
Diese Ergebnisse sowie die recherchierten Daten (Siedlungsgebietgröße, Anzahl der Bauabschnitte, Bebauungsdichte, Eigentumsverhältnis, etc.) bildeten die Basis für die Definition von drei typischen Siedlungsgebieten, anhand derer Simulationsrechnungen durchgeführt wurden. Aus der Analyse geht hervor, dass der häufigste Siedlungstyp von der reinen „Einfamilienhausbebauung“ gebildet wird (46%), gefolgt vom Siedlungstyp „Geschoßwohnbau“ (34%), der Kategorie „kombinierte Bebauung“ (Einfamilienhaus, Reihenhaus und Geschoßwohnbau) mit 11,5% und der Kategorie „Reihenhausbebauung“ (8,5%).

Hydraulik, Netzbetriebstemperaturen und Jahreswärmebilanzen

Werden modular errichtete Siedlungsgebiete netzgebunden mit Wärme (aus Solarsystemen und Biomasse) versorgt, müssen diese hinsichtlich Lastausgleich und dezentraler Einspeisemöglichkeit von Solarsystemen flexibel aufgebaut sein. Abbildung 2 zeigt hierzu ein Hydraulikkonzept, das die kombinierte Versorgung von Einfamilienhäusern, Reihenhäusern und Geschoßwohnbauten ermöglicht. Die Energiespeicher sind dezentral angeordnet und übernehmen den Lastausgleich seitens der Biomasseheizung sowie die Speicherung der Solarwärme. Die Vorteile liegen darin, dass das Leitungsnetz um bis zu 35% kleiner ausgelegt werden kann (reduzierte Kosten und Wärmeverluste) und Solarwärme entsprechend des Baufortschrittes dezentral über Vorlaufeinspeisungen nachgerüstet werden kann.

Abbildung 2: Hydraulikkonzept mit dezentralen Lastausgleichsspeichern und der dezentralen Einspeisemöglichkeit von Solarsystemen für Einfamilienhäuser und Geschoßwohnbauten.

Abnehmerseitig sorgen Warmwasserbereitungssysteme im Durchflussprinzip (Frischwassermodule bei Einfamilienhäusern und Wohnungsstationen bei Geschoßwohnbauten) in Verbindung mit einer Heizflächenauslegung von maximal 65/40 für geringe Rücklauftemperaturen und somit für höchste Effizienz bei Solarsystemen sowie generell für geringe Netzwärmeverluste. Abbildung 3 zeigt die Jahreswärmebilanzen der drei Modellsiedlungsgebiete im Vergleich. Vorweg genommen werden kann, dass alle drei Siedlungsgebiete hinsichtlich ihrer Jahressystemnutzungsgrade (liegen zwischen 75 und 93%) ausgezeichnete Ergebnisse liefern.

Abbildung 3: Jahreswärmebilanzen der Modellsiedlungsgebiete im Vergleich (SI Siedlungsgebiet 1, SII Siedlungsgebiet 2, SIII Siedlungsgebiet 3)

Die spezielle Systemhydraulik führt zu geringen mittleren Betriebstemperaturen des Versorgungssystems. Die Netzvorlauftemperaturen liegen in der Heizperiode nahezu konstant bei 64°C, die Netzrücklauftemperaturen bei rund 34°C.
In der Übergangszeit und in den Sommermonaten steigen aufgrund der höheren Solarerträge (führt zu höheren Speichertemperaturen) sowohl die Rücklauftemperatur als auch die Vorlauftemperatur an. Deutlich zeigt sich auch der unterschiedliche Betrieb (aufgrund der unterschiedlichen hydraulischen Integration) von zentralen und dezentralen Solarsystemen. Wird die Vorlauftemperatur beim dezentralen Netz aufgrund der Vorlaufeinspeisung (Einspeisung nur, wenn mindestens die Netzvorlauftemperatur erreicht wird) übers Jahr hindurch nahezu konstant betrieben, so liegt die Vorlauftemperatur des zentralen Kollektorfeldes (aufgrund der Rücklauftemperaturanhebung) in der einstrahlungsarmen Zeit unter der nötigen Vorlauftemperatur.

Solare Deckungsgrade und Solarerträge

Die Solarsysteme der drei Modellsiedlungsgebiete wurden im betriebswirtschaftlichen Optimum (solarer Deckungsgrad etwa 15%) dimensioniert. Unterschiede ergeben sich in Abhängigkeit der Betriebstemperaturniveaus der Solaranlagen und in Abhängigkeit der Systemverluste. Siedlungsgebiet 1 und Siedlungsgebiet 2 erreichen aufgrund der höheren Systemverluste (geringerer Systemnutzungsgrad) sowie der personenbezogenen Dimensionierung etwas geringere solare Deckungsgrade (13%), bei Siedlungsgebiet 3 beträgt der solare Deckungsgrad 15%.
In Bezug auf eine zentrale, netzgebundene Wärmeversorgung ist der erzielbare solare Deckungsgrad in den Sommermonaten ein wichtiges Kriterium. Damit ein häufiger Schwachlastbetrieb bzw. häufige Startphasen des Heizkessels vermieden werden können, soll der solare Deckungsgrad in den raumheizungsfreien Monaten über 70% sein. Die in den drei Siedlungsgebieten erreichten solaren Deckungsgrade liegen in den heizungsfreien Monaten (Juni bis August) zwischen 70% und 85%. Weiters zeigt sich, dass eine Vergrößerung der zentralen Kollektorfläche leichte energetische Vorteile mit sich bringt. Aufgrund der hydraulischen Integration als Rücklaufanhebung ergeben sich geringere mittlere Kollektortemperaturen. Daraus lässt sich die Empfehlung ableiten, nach Möglichkeit zuerst möglichst große zentrale Kollektorflächen zu installieren und diese erst danach bei Bedarf mit dezentralen Flächen zu ergänzen.

Dimensionierung von Kollektorfläche und Speichervolumen

Anhand der Modellsiedlungsgebiete wurden Kollektorflächenvariationen in Verbindung mit der „Auslastung“ durchgeführt. Die Auslastung ist ein Maß für die Dimensionierung einer Solaranlage und beschreibt, mit welcher Last (jährlicher Wärmeverbrauch in kWh) ein Quadratmeter Kollektorfläche beaufschlagt wird. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, wurden für jedes Modellsiedlungsgebiet über eine repräsentative Bandbreite von solaren Deckungsanteilen (10 bis 30 %) Kennzahlen errechnet. Mit dem daraus resultierenden Nomogramm (Abbildung 4) ist es möglich, für unterschiedliche Siedlungsgebiete Kollektorfläche bzw. solaren Deckungsgrad sowie spezifischen Solarertrag einfach und rasch zu ermitteln.
Aufgrund der unterschiedlichen Netzeinbindungsstrategien bei zentralen und dezentralen Kollektorflächen ergibt sich ein breites Band für die spezifischen Solarerträge. Der spezifische Ertrag der zentralen Kollektorfläche wird im oberen Bereich, der Ertrag der dezentralen Flächen wird im unteren Bereich liegen.

Abbildung 4: Bandbreiten des solaren Deckungsgrades, des Kollektorertrages und der Netzverluste über der Auslastung

Bei den Netzverlusten ist das Wissen um die vorhandene Wärmebelegung von Bedeutung. So bedingt die geringste Wärmebelegung die größten Netzverluste (Siedlungsgebiet 1 mit ca. 10-12% Netzverlusten) und die größte Wärmebelegung die kleinsten Netzverluste (Siedlungsgebiet 2 mit etwa 5%).

Dynamische Kostenvergleiche

Anhand des Ansatzes der Kapitalwertmethode wurde im gegenständlichen Projekt für die speziellen Rahmenbedingungen bei modular errichteten Siedlungsgebieten ein Berechnungstool als Excel-Sheet entwickelt. Dieses erlaubt eine Gesamtkostenermittlung über die Lebensdauer bei unterschiedlichen Investitionszeitpunkten, Energieformen und Förderquoten.
Erfolgt die Wärmeversorgung der definierten Modellsiedlungsgebiete nicht über ein Mikronetz, werden konventionelle dezentrale Wärmeversorgungssysteme in den Gebäuden errichtet. Innerhalb dieses Projektes wurden übliche dezentrale Wärmeversorgungskonzepte, basierend auf den Energieträgern Öl und Gas (inkl. einer Solaranlage zur Warmwasserbereitung) definiert und dafür die Investitionskosten und die betriebsgebundenen Kosten ermittelt.
Für alle Wärmeversorgungssysteme der Modellsiedlungsgebiete wurden basierend auf einem Ausschreibungsverfahren die Investitionskosten ermittelt. Gleichzeitig wurden die gewährten Investitionsförderungen recherchiert und als Bundesdurchschnitt den Berechnungen zugrunde gelegt.
Beispielhaft für Modellsiedlungsgebiet 2 sind die Ergebnisse der Kostenanalyse über einen Zeitraum von 25 Jahren dargestellt. Modellsiedlungsgebiet 2 besitzt mit 4.030 kWh/m Trassenl. (pro Jahr) eine ausgezeichnete Wärmebelegung. Andererseits ist die installierte Leistung mit 150 kW als eher kleines Wärmenetz einzustufen. Abbildung 5 zeigt hierzu die kumulierten Kostenverläufe für fünf unterschiedliche Wärmeversorgungskonzepte. Aufgrund der günstigen Wärmebelegung bringen die netzgebundenen Wärmeversorgungen sowohl mit Hackgut als auch mit Pellets entscheidende Vorteile im Vergleich mit den dezentralen Versorgungen auf Basis Gas und Öl.
Für die beiden Hackgutvarianten (ohne und mit Solarsystem) bedeutet dies, dass Solarenergie gegenüber dem Brennstoff Hackgut konkurrenzfähig ist. Neben einer Kostengleichheit stellen sich noch weitere Vorteile durch das Solarsystem ein, wie beispielsweise die Reduktion des Schwachlastbetriebs des Kessels in den Sommermonaten. Weiters ist die „Entlastung“ des Einsatzes von Hackgut bei der Wärmegenerierung energiepolitisch sinnvoll.

Abbildung 5: Kumulierte Kosten der Wärmeversorgungsvarianten in Modellsiedlungsgebiet 2

Betrachtet man alle drei Modellsiedlungsgebiete, kann man einen unmittelbaren Zusammenhang zur Projektgröße bzw. zur Wärmebelegung erkennen. Bei Modellsiedlungsgebiet 1 (vergleichsweise geringe Wärmebelegung und kleine Spitzenleistung) ist die netzgebundene Versorgungsvariante auf Basis Hackgut und Solarenergie zumindest gleichpreisig mit dezentralen Gasthermen (inkl. dezentraler Solaranlagen zur Warmwasserbereitung). Bei Modellsiedlungsgebiet 3 hingegen erzielen die netzgebundenen Wärmeversorgungen (sowohl Hackgut als auch Pellets) noch wesentlich bessere Ergebnisse als bei dem in Abbildung 5 dargestellten Siedlungsgebiet 2.

Abbildung 6: Temperaturverlauf

*) Ing. Christian Fink ist Projektleiter von MOSOL-NET und Mitarbeiter der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, DI (FH) Johann Breidler ist Mitarbeiter der AEE INTEC, DI Dr. Richard Heimrath ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik an der TU Graz [^]

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