Zeitschrift EE

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2008-02: Sommerkomfort im Büro- und Verwaltungsbau

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Passivhausqualität ist auch bei Mehrfamilienhäusern umsetzbar

In den vergangenen Jahren fand die Passivhaustechnologie immer weitere Anwendungsbereiche im Bauwesen. Die Programmlinie „Haus der Zukunft“ initiiert vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie unterstützt diesen Markteinführungsprozess.

Große Wohnanlagen in Passivhausqualität

Von Waldemar Wagner*

Die hier beschriebenen Wohnanlagen befinden sich alle im Großraum Wien und wurden Ende 2006 bzw. Anfang 2007 fertiggestellt und bezogen. Im Folgenden wird eine Übersicht über die einzelnen Bauwerke und die darin enthaltenen Haustechniksysteme dargestellt.

Messergebnisse

Die bisherigen Messungen ergaben, dass die Raumtemperaturen nicht nur deutlich zwischen den einzelnen Wohnanlagen, sondern auch unter den einzelnen Wohnungen innerhalb der Bauwerke variieren. Diese gebäudeinternen Differenzen resultieren vor allem aus unterschiedlichem Nutzerverhalten und Lagen der Wohneinheiten im Gebäude.

Abbildung 2: Mittlere Raum- über Außentemperaturen als Komfortparameter für das Raumklima

Abbildung 2 zeigt einen Vergleich der mittleren Stundenwerte der Raumtemperaturen in den Wohnanlagen Rochegasse, Utendorfgasse und Mühlweg mit den entsprechenden Außentemperaturen, wobei der Komfortbereich orange unterlegt ist.
Die Raumfeuchten in den Messwohnungen zeigen im Jahresverlauf in den Wintermonaten ein Minimum, sind aber mit 30 bis 40 % noch im komfortablen Bereich.

Abbildung 3: Raumtemperaturen während einer Hitzeperiode im Sommer 2007

Abbildung 3 zeigt den Schwankungsbereich der Raumtemperaturen in den unterschiedlichen Wohnungen der einzelnen Anlagen während der wärmsten Periode im Sommer 2007 (17. Juli bis 23. Juli). Auffallend ist vor allem, dass die Schwankungsbreite innerhalb des gleichen Wohnkomplexes sehr unterschiedlich ist. Die Gründe dafür liegen einerseits an gebäudespezifischen Faktoren wie Ausrichtung, wirksame Speichermassen in den Räumen, interne Lasten usw., andererseits wird fallweise gerade in solchen Extremsituationen, wie es in dieser Hitzeperiode auch der Fall war, auch tagsüber über das Fenster oder die Balkontüren quergelüftet. Dies führt durch den Luftzug zwar zu einem subjektiv angenehmeren Temperaturempfinden, heizt aber objektiv gesehen die Wohnungen sehr stark auf.

Endenergieverbrauch

Abbildung 4: Monatlicher Endenergieverbrauch und Globalstrahlung vom Mühlweg im ersten Messjahr

Abbildung 4 zeigt den Endenergieverbrauch pro Quadratmeter Wohnnutzfläche im Projekt Mühlweg für das erste Messjahr. Im Gegensatz zum Heizenergiewärmebedarf beinhaltet der Endenergieverbrauch auch sämtliche systembedingten Verluste wie Kesselwirkungsgrad, Speicherverluste, Verteilverluste usw. In der Heizperiode wurden in Summe 17,73 kWh/(m²a) Endenergie für die Raumheizung verbraucht. Der Endenergieverbrauch für die Warmwasserbereitung beträgt in Summe 22,4 kWh/(m²a) und wird je zur Hälfte aus der Solaranlage und dem Gaskessel gedeckt. An Haushaltstrom wurde in diesem Zeitraum 17,92 kWh/(m²a) verbraucht, was mehr als die Hälfte des Gesamtstromverbrauches darstellt. Die restlichen Stromflüsse teilen sich auf Lüftungsstrom, Technikstrom und Allgemeinstrom auf.
Abbildung 5: CO2 Konzentration in einer Wohnung

Abbildung 5 zeigt den Verlauf der CO2-Konzentrationen in einer Wohnung der Rochegasse mit Lüftungsanlage im Vergleich mit einem Einfamilienhaus ohne Lüftungsanlage. Der gemessene Zeitraum erstreckt sich von Juli 2007 bis Dezember 2007. Der Chemiker und Hygieniker Max Josef von Pettenkofer hat bereits im Jahr 1858 den Grenzwert von 1000 ppm CO2-Konzentrationen festgelegt bei dem Beschwerden wie Müdigkeits- bzw. Konzentrationsschwächen auftreten können. Eine Übertretung der Pettenkoferzahl wurde in der Passivhauswohnung nur an 2 % des kompletten Messzeitraums registriert. Der Mittelwert lag bei 636 ppm. Nach heutigem Standard ist der Grenzwert nach DIN 1946-2 definiert und liegt bei einer CO2-Konzentrationen von 1500 ppm.

Passivhaus- Wohnanlagen aus der Programmlinie „Haus der Zukunft“
Mühlweg
Utendorfgasse
Rochégasse

 

Allgemein Passivwohnhaus in Holzbauweise Passivwohnhaus im sozialen Wohnbau Passivgenossenschafts-Wohnhaus
Anschrift Mühlweg, A- 1120 Wien Utendorfgasse 7, A-1140 Wien Rochégasse 20, A-1110 Wien
Gebäudetyp Mehrfamilienwohnhaus Mehrfamilienwohnhaus Mehrfamilienwohnhaus
Bauweise Mischbauweise Massivbauweise Massivbauweise
Wohnnutzfläche 6.800 m² 2.987 m² 9.900 m²
Gebäudeeinheit 4 autarke Gebäude 3 autarke Gebäude 9 Stiegen
Wohneinheiten 70 Wohneinheiten 39 Wohneinheiten 114 Wohneinheiten
Bauträger BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH Heimat Österreich :ah! Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf - Hetzendorf
Architektur Dietrich / Untertrifaller Architekten Schöberl & Pröll OEG mit Architekt DI Franz Kuzmich Treberspurg und Partner Architekten ZT GesmbH
Fachingenieure
  • Schöberl& Pröll OEG
  • JR-Consult ZT GmbH
  • ALLPLAN GmbH
  • KLH Massivholz GmbH
  • IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und –ökologie
  • Holzforschung Austria
  • Technisches Büro Vasko & Partner
  • Technisches Büro DI Christian Steininger Werkraum ZT OEG
  • TU Wien
  • Ingenieurbüro Wilhelm Hofbauer
  • Ingenierbüro Helmut Redl
    HKLS
  • Thermo Projekt Haustechnische Planungs GmbH
  • Hollinsky & Spreitzer ZT GesmbH
Gebäudekonzept
Baukonstruktion
  • KLH Massivholzbauweise kombiniert mit betoniertem Stiegenhauskern Tragstruktur: massives Kreuzlagenholz
  • Außenwände: Vorfertigung ab Werk (Fenster, Dämmung...)
  • Tragende Außenwände: 9,5 cm Kreuzlagenholz (KLH), außenseitig mit 24 cm Mineralfaserdämmung zwischen Holzständern versehen, danach Beplankung aus 5 cm Holzwolleleichtbauplatten und 2,5 cm Putzschicht, die als wetterfeste Schicht dient.
  • Außenwand: 18-20 cm Stahlbeton mit Wärmedämmverbundsystem
  • Oberste Geschoßdecke: Stahlbeton mit 45 cm Dämmung
  • Unterste Geschoßdecke: Stahlbeton mit 35 cm Dämmung
  • Thermische Entkopplung: Porenbeton und Stahlbetonlager
  • Tiefgarage: Fundamentplatte
  • Tragende Bauteile: Stahlbeton und Macuphon-Steine Außenwände EG: 18 cm Stahlbeton und 26 cm bis 35 cm Dämmung (EPS-F Platten)
  • Wetterfeste Außenschicht: 0,5 cm Kunststoffdünnputz.
  • Nicht tragenden Innenwände: Gipskartonständerwände
  • Thermische Trennung der Baukörper vom Tiefgeschoß: 20 cm starke Dämmlage, statische über punktweise Elastomerlager angebunden
U-Werte
[W/(m2K)]
  • Außenwand: 0,15 Kellerwand: 0,10 Decke/Dach: 0,08
  • Decke gegen Erdreich: 0,10
  • Bodenplatte: 0,10
  • Fenster gesamt: 0,80
  • Außenwand/ Luft: 0,12
  • Außenwand/TG: 0,23 Schrägdach Wohnungen und Stiegenhaus: 0,10
  • Flachdach (Terrasse): 0,12 Decke/ Erdreich: 0,11 Decke/Tiefgarage: 0,09 Fenster gesamt: 0,87 – 0,99
  • Decke/ Dach: 0,10
  • Außenwand: 0,13 Kellerdecke/Boden: 0,14
  • Fenster gesamt: 0,79

 

Passivhaus- Wohnanlagen aus der Programmlinie „Haus der Zukunft“
Mühlweg
Utendorfgasse
Roschégasse

 

Gebäudekonzept
Heizung Je Gebäude:
4-Leiter Netz Niedertemperatur- Radiatoren (60/40), von zwei Gastherme gespeist.

Je Gebäude:
4- Leiter Netz für Warmwasser und Luft-Nachheizregister gespeist von Gastherme (45 kW)
Je Wohneinheit:
Warmwasserbereitung und Abdeckung des Restheizenergiebedarfs über Kleinstwärmepumpe in Kompaktlüftungsgerät, die der Fortluft Wärme entzieht Spitzenlastabdeckung: E-Radiatoren, Elektrostrahler
Warmwasser Je Gebäude:
60m² thermische Solaranlage und Nachheizung über Gas- Brennwertgerät
zentraler Warmwasserspeicher
Je Gebäude:
Brauchwarmwasserspeicher von Gastherme gespeist
Lüftung Zentrales Lüftungsgerät mit WRG; Frostfreihaltung durch das Gas- Brennwertgerät Semizentrales Lüftungssystem (zentraler Wärmetauscher, dezentrale Heizungsregister und Volumenstromregler) Dezentrale Kompaktlüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung; Vorwärmung/ Vorkühlung der Zuluft über Erdwärme (Tiefensonde)

 

Energetische Kenngrößen
HWBTFA berechnet *
HWBTFA = 13,1 kW/(m²a) HWBTFA = 15 kW/(m²a) HWBTFA = 15 kW/(m²a)
HWBTFA gemessen ** HWBTFA = 13,71 kW/(m²a) HWBTFA = 15,48 kW/(m²a) HWBTFA = 15,15 kW/(m²a)
HWBTFA ***   HWBTFA = 11,4 kW/(m²a)  

*Heizwärmebedarf, ** (Mittelwert der gemessenen Wohneinheiten bei den gemessenen Raumtemperaturen), *** Klima- und Raumtemperatur-bereinigt

Fazit

Die Entwicklung der Passivhaustechnologie hat mittlerweile in Österreich einen sehr hohen Standard erreicht. Vor allem die baulichen Maßnahmen zur Erreichung der Passivhausqualität wie ausreichende Wärmedämmung der Umschließungsflächen sowie der Fenster und Türen, die Vermeidung von Wärmebrücken, Luftdichtheit und die Wärmerückgewinnung, aus der durch eine mechanische Lüftungsanlage ausgetauschten Luft, sind in einem sehr hohem Maß erfolgreich umgesetzt. Bestätigt werden diese Aussagen durch die Ergebnisse des gemessenen Nutzenergieverbrauchs. Rechnet man den gemessenen Heizwärmebedarf auf die projektierte Raumtemperatur von 20°C und den Standardklimasatz von Wien um, bleiben die gemessenen Werte deutlich unter der Passivhausgrenze von 15 kWh/(m²a). Das bedeutet für die Utendorfgasse bei einer an den Heizgradtagen mittleren gemessenen Raumtemperatur von 22,97°C, dass sich statt dem gemessenen Heizenergiebedarf von 15,48 kWh/(m²a) ein bereinigter Heizenergiebedarf von 11,37 kWh/(m²a) ergibt. Umsetzungsdefizite gibt es teilweise noch bei der Erzeugung bzw. der Verteilung der benötigten Heizenergie bzw. bei der Energie zur Bereitstellung des Warmwassers. Verbesserungspotenzial gibt es auch in der Wahl der im Haushalt eingesetzten elektrischen Geräte. Eine gewaltige Steigerung der Wohnqualität gegenüber Niedrigenergiehäusern wird durch die verbesserte Luftqualität erreicht, was sich vor allem in der Nutzerzufriedenheit widerspiegelt.

*)Ing. Waldemar Wagner ist Leiter der Abteilung für Messtechnik der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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