Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2008-02: Sommerkomfort im Büro- und Verwaltungsbau

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Herstellung von Energiepfählen

Im Rahmen von Forschungsprojekten untersucht das IGS - Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU-Braunschweig, Univ.-Prof. Dr. Ing. M. N. Fisch - die Energieeffizienz und den Komfort zukunftsweisender Bürogebäude in der Praxis. Ziel ist es, gesicherte Kenntnisse über die tatsächliche Performance der Gebäude hinsichtlich Energieverbrauch, Nutzerkomfort und Betrieb zu erlangen und zu dokumentieren.

Wärme- und Kältespeicherung im Gründungsbereich von Bürogebäuden

Von Franziska Bockelmann, Herdis Kipry und M. Norbert Fisch*

Unter dem Gesichtspunkt der Nutzung regenerativer Energien kommt in modernen Bürogebäuden zunehmend die oberflächennahe Geothermie zum Einsatz. Eine messtechnische Evaluierung von Gebäuden mit entsprechenden Heiz- und Kühlsystemen führt das IGS im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojekts WKSP - Wärme- und Kältespeicherung im Gründungsbereich von Bürogebäuden - durch.

Saisonale Wärmespeicherung im Untergrund

Bei der thermischen Nutzung des Erdreichs zum Heizen und Kühlen von Gebäuden wird im saisonalen Wechsel über ein in Rohrschleifen zirkulierendes Wärmeträgerfluid Wärme aus dem Boden entzogen bzw. in den Boden eingetragen. Vorteil bei der Nutzung des Erdreichs zum Heizen und Kühlen von Gebäuden ist das relativ konstante Temperaturniveau des Erdreichs über das Jahr. So kann das Erdreich beispielsweise auch bei hohen Außentemperaturen im Sommer noch effizient im freien Kühlbetrieb, ohne den Einsatz von Kältemaschinen, genutzt werden. Das im Gebäude erwärmte Wärmeträgerfluid wird im Erdreich wieder heruntergekühlt und bildet damit den Grundstock der Wärmespeicherung im Untergrund (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Prinzip der saisonalen Speicherung im Untergrund

Voraussetzung für die langfristige Funktionalität des Systems ist allerdings, dass das im Sommer infolge des Wärmeeintrags erwärmte Erdreich über den Winter wieder abgekühlt wird und umgekehrt. Der Wärmeentzug im Winter erfolgt mittels einer Wärmepumpe, welche das Wärmeträgermedium auf das zum Heizen erforderliche Temperaturniveau anhebt. Um die erforderlichen Heiz- und Kühlleistungen dauerhaft erreichen zu können, ist eine sorgfältige Anlagenplanung, eine der Planung entsprechende Umsetzung sowie eine Betriebskontrolle erforderlich.

Erdwärmespeichersysteme

Ein Erschließungsweg zur Nutzung der Wärme- und Kältespeicherfähigkeit des Untergrunds besteht in der Abteufung von Erdwärmesondensystemen im unmittelbaren Umfeld oder unterhalb der Gebäude. Um Synergieeffekte zu nutzen, also auch Kosten und Arbeitsaufwand zu reduzieren, sollte bereits bei der Gründung des Gebäudes die Nutzung des thermischen Potenzials des Erdreichs zur Heizung und Kühlung berücksichtigt werden. In der Regel werden Pfahlgründungen oder Fundamentplatten als Wärmeübertrager zum Einspeichern von thermischer Energie in den Untergrund zu so genannten „Energiepfählen“ bzw. „Fundament-/ Bodenabsorbern“ aktiviert. Gründungsstatische Gesichtspunkte begrenzen in diesen Fällen die Wärme übertragende Fläche (Abbildung 3).

Abbildung 3: Prinzipschema Erdwärmespeichersysteme: Erdwärmesonde, Energiepfahlanlage und Fundament-/Bodenabsorber

Erdwärmesondenspeicher bestehen aus einer einzelnen oder einem Netz von Sonden. Die erreichbare Tiefe von Erdwärmesonden ist praktisch unbeschränkt, jedoch hat sich eine Abteufung zwischen 50 m und 150 m als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen. In Deutschland werden Erdwärmesonden meist nur bis zu einer Tiefe von 100 m ausgeführt, da für Bohrungen größer 100 m eine bergbaurechtliche Genehmigung sowie die Ausführung der Bohrungen durch eine für diese Tiefen qualifizierte Bohrfirma erforderlich werden.
Bei Energiepfählen werden die Sondenrohre in die Gründungspfähle des Gebäudes integriert. Die Herstellung von Energiepfählen weicht bis auf das Einlegen des notwendigen Leitungssystems zur Führung des Wärmeträgers in den Pfahlkörper nicht weiter von der Herstellung normaler Gründungspfähle ab (Abbildung 1).
Auch bei Fundament- und Bodenabsorbern wird die Gründung, in diesem Fall die Bodenplatte des Gebäudes, zur kombinierten Wärme- und Kältespeicherung genutzt. Zur Aktivierung der Speicherfähigkeit des angrenzenden Erdreichs werden in oder unterhalb der Bodenplatte horizontale Leitungsschlaufen verlegt.
Bei allen drei Systemen wird in der Regel eine Sole (Wasser-Frostschutzgemisch z.B. mit Glykol) als Wärmeträgermedium verwendet.

Praxiserfahrungen

Im Rahmen des Forschungsprojekts WKSP werden vom IGS sechs Gebäude mit Erdsondenspeichern, Energiepfahlanlagen oder Fundament- bzw. Bodenabsorbern genauer untersucht. Die Erfahrungen aus dem Betrieb zeigen, dass es möglich und sinnvoll ist, Anlagen zur Wärme- und Kältespeicherung im Untergrund in innovative Energiekonzepte von Büro- und Verwaltungsgebäuden zu integrieren. Es bedarf allerdings einer Einregulierungsphase, während der das direkte Zusammenspiel zwischen Anlagen zur Wärme- und Kältespeicherung im Untergrund, dem Gebäude, weiteren Anlagen zur thermischen Konditionierung und nicht zuletzt den Nutzern optimiert wird. Fehlende Erfahrungen bei ausführenden Firmen und den Betreibern der Anlagen verlängern diese Einregulierungsphase häufig deutlich.
In Kombination mit Niedertemperatur-Heiz- und Hochtemperatur-Kühlsystemen wie Thermische Bauteilaktivierungen (TBA) oder Heiz- und Kühldecken können erdgekoppelte Wärmepumpen sehr effizient eingesetzt werden. Die bereitgestellte Wärme beträgt mehr als das vierfache der aufgewendeten Elektroenergie. Die Effizienz des freien Kühlbetriebs ist noch einmal deutlich höher. Hier wird Elektroenergie in der Regel lediglich für die Umwälzung des Wärmeträgers im Erdreich benötigt.
Um einen langfristigen Betrieb sicherstellen zu können, ist eine ausgeglichene saisonale Energiebilanz der Anlagen von großer Bedeutung. Besonders wichtig ist, dass die erste Inbetriebnahme der Anlage in einer Heizperiode liegt. Während der Heizperiode muss dem Erdreich genügend Wärme entzogen werden, um für den Betrieb im Sommer eine Wärmesenke mit ausreichend niedrigem Temperaturniveau gewährleisten zu können. Nur so steht im Sommer genügend Kühlleistung für den freien Kühlbetrieb zur Verfügung.

Regelung

Häufig werden träge Heizsysteme wie die thermische Bauteilaktivierung zur Grundlastdeckung über die Erdwärme herangezogen und zur Abdeckung von Spitzen mit flinken Systemen wie der statischen Heizung kombiniert. Da das flinke System deutlich schneller auf Temperaturänderungen reagieren kann, besteht die Gefahr, dass die Bauteilaktivierung nur selten zum Zuge kommt und dem Erdreich deutlich weniger Wärme entzogen wird als erforderlich bzw. in der Planung angenommen. Auf Grund der saisonalen Funktion steht dann im nächsten Sommer möglicherweise keine ausreichende Wärmesenke zur Verfügung. Zur Gewährleistung des auslegungsgemäßen Betriebes der Bauteilaktivierung in der Grundlast und Vermeidung der Übersteuerung des Systems durch flinkere Systeme sind entsprechende Regelstrategien umzusetzen. Eine auf diese Problematik abgestimmte Qualitätssicherung sollte die Planung und Ausführung der beschriebenen Hybridsysteme begleiten sowie als messtechnische Begleitung im Betrieb erfolgen.
Insbesondere die Betriebsphasen in der Übergangszeit Frühling und Herbst mit den resultierenden stärkeren Außentemperaturschwankungen stellen hohe Anforderungen an den Betrieb der Anlagen. Während dieser Zeit führen fehlerhafte Regelstrategien häufig zu Problemen. Nicht selten kommt es vor, dass ein Gebäude in der Nacht über die thermische Bauteilaktivierung beheizt wird und am Tage aufgrund der internen Lasten im Gebäude wieder heruntergekühlt werden muss. Die Folge ist ein unnötiger Energieverbrauch für den Betrieb von Wärme- und Umwälzpumpen. Dieses Problem kann durch ein so genanntes „Todband“ vermieden werden. Zum Beispiel kann in der Regelung festgelegt werden, dass weder geheizt noch gekühlt wird, wenn die gemittelte Außentemperatur in einem bestimmten Temperaturbereich (Todband) liegt.
Insgesamt reagieren die beschriebenen Anlagen auf Grund ihrer Trägheit und der geringen Temperaturspreizungen zwischen Erdwärmespeicher und Heiz- und Kühlsystem im Gebäude sehr sensibel auf Betriebsfehler und Störungen. Fehler haben häufig langfristige Folgen und schränken die Funktionsweise der Systeme im schlimmsten Fall über mehrere Jahre stark ein. Um Probleme im Betrieb zu vermeiden, sollten Regelstrategien mit größter Sorgfalt geprüft und das Gebäude bis zum Erreichen des Regelbetriebs – üblicher Weise rund zwei Jahre – messtechnisch begleitet werden.

Fazit

Die im Rahmen des Forschungsprojekts WKSP durchgeführte messtechnische Begleitung von Gebäuden und deren Anlagen zeigen bereits jetzt, wie wichtig es ist, die Funktion von Gebäuden und Anlagen zur Wärme- und Kältespeicherung im Gründungsbereich im realen Betrieb aufzunehmen und zu dokumentieren. In Zusammenarbeit mit dem Gebäudemanagement konnten so bei den untersuchten Gebäuden und Anlagen Optimierungspotenziale Schritt für Schritt identifiziert, der Betrieb optimiert und die Einregulierungsphase verkürzt werden. Die Qualitätssicherung über die Planungs- und Ausführungsphasen hinweg ist bei der saisonalen Wärme- und Kältespeicherung von entscheidender Bedeutung für die dauerhafte Funktionalität und die Energieeffizienz der Systeme sowie den thermischen Komfort im Gebäude.

*) Univ. Prof. Dr.-Ing. M. N. Fisch ist seit 1996 Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik an der Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften der TU Braunschweig, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.tu-bs.de/institute/igs
Dipl.-Ing. Herdis Kipry ist seit 2002 wiss. Mitarbeiterin am Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig.
Dipl.-Ing.
Franziska Bockelmann ist seit 2007 wiss. Mitarbeiterin am Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig [^]

Top of page