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2008-02: Sommerkomfort im Büro- und Verwaltungsbau

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Gebäude der Biokatalyse der TU-Graz, Österreich

Durch die hohen inneren Lasten in Bürobauten sind die Minimierung der inneren Wärmequellen und die Reduzierung der technischen Komponenten meist relevanter als die Art der Heizung und Energieeinsparung im Winter.

Transparente architektonische Lösungen

Von Karl Höfler*

Ein notwendiger hoher technischer Aufwand verursacht nicht nur zusätzliche Herstellungskosten für das Gebäude und die Haustechnik sondern auch hohe laufende Betriebskosten. Ziel und Aufgabe der Planer muss es daher sein, ein möglichst kostengünstiges, jedoch behagliches Gebäude zu planen. Solche Lösungsansätze und ganzheitliche Betrachtungen sind trotz innovativer architektonischer Konzepte möglich und werden anhand von zwei Beispielen aufgezeigt.

Justizzentrum Leoben

Doppelfassaden (two face facade) sind in den letzten Jahren vorwiegend bei modernen Verwaltungsbauten in unterschiedlichen Bauarten als objektspezifische Sonderlösungen anzutreffen. Üblicherweise werden Bürobauten mit eingeplanter teilweiser Doppelfassade dieser Größe mit Kühlungen bzw. Klimatisierungen ausgeführt. Der Vorteil liegt ausschließlich in der Energieeinsparung im Winter und im zusätzlichen Schallschutz.

Abbildung 2: Justizzentrum Leoben

Der Abstand zwischen der eigentlichen Gebäudefassade und der äußeren Glashülle beträgt ca. 60 cm. Dieser Wärmepuffer trägt in den Wintermonaten wesentlich zur Energieeinsparung bei. Im Sommer würde es allerdings dadurch zu einer Überhitzung der Innenräume kommen. Um dem weitgehend entgegenzuwirken und die Architektur trotzdem den entsprechenden Stellenwert zu geben, mussten innovative, automatisierte Lösungen gefunden werden.
Ziel des Bauvorhabens sind geringe Heizkosten bei einem möglichst behaglichen Sommerklima ohne zusätzlich hohen Klimatisierungsgrad im Gebäude.

Doppelfassade

Aus ökonomischen und ökologischen Gründen sollte soweit wie möglich auf eine mechanische Lüftung und Klimatisierung des Gebäudes verzichtet werden. Es wurde daher zusammen mit dem Architekten und den Fassadenplanern eine Doppelfassade entwickelt, die eine natürliche Fensterlüftung des Gebäudes ermöglicht, gleichzeitig die Anforderung einer möglichst großen Energieeinsparung in der Heizperiode vorsieht und im Sommer nach Möglichkeit nicht überhitzt.
Mit einer dynamischen Gebäudesimulation konnte rechnerisch gezeigt werden, dass es bei einer geschlossenen äußeren Glasfassade im Winter zu hohen Energieeinsparungen kommt, aber gleichzeitig die sommerliche Überwärmung zu einem Problem ohne Klimatisierung werden kann.
Es wurden daher Szenarien und Konstruktionen entwickelt, welche einerseits die Abstimmung der Gläser und Sonnenschutzeinrichtungen berücksichtigen und andererseits die Öffnung der äußeren Fassade zu bestimmten Zeiten ermöglicht.
Somit soll die Gefahr einer sommerlichen Überwärmung, die normalerweise bei einem solchen Gebäudetyp möglich ist, reduziert werden.
Eine Automatisierung des außenliegenden Sonnenschutzes, ein großflächiges Öffnen der äußeren Glasfassade und ein richtiges Lüften sowohl am Tag als auch in der Nacht (Nachtlüftung) ist Voraussetzung für ein behagliches Sommerklima.

Abbildung 3: Justizzentrum Leoben: Geöffnete Doppelfassade [1]

Allerdings kann es trotz optimalem Betrieb durch den Nutzer bei extremen Hitzeperioden zeitweise zu einer geringfügig höheren Raumtemperatur bei Eckräumen mit zwei Fensterebenen kommen. Dies wäre allerdings nur durch eine Vollklimaanlage zu verhindern.

Abbildung 4: Justizzentrum Leoben: Simulationsberechnung der Raumtemperatur im Sommer [2]

Sonnenschutzeinrichtung

Durch einen hinterlüfteten Sonnenschutz im Fassadenzwischenraum wird die einfallende Globalstrahlung reduziert. Dieser Sonnenschutz muss unbedingt hochwertig sein, das bedeutet, er muss einen möglichst hohen Reflexionsgrad besitzen und unter allen Umständen so früh wie möglich bei solarer Einstrahlung (max. 180 [W/m²] auf die Fassade) automatisch geschlossen werden.
Die Steuerung des Sonnenschutzes erfolgt über einen Strahlungsmesskopf (Pyranometer) einer zentralen Wetterstation. Trotzdem ist es besonders wichtig, dass der Benutzer das Steuersystem übersteuern und händisch seinen Bedürfnissen und Wünschen anpassen kann. Nach gewissen Zeitabständen wird die zum gegebenen Zeitpunkt optimale Einstellung wieder automatisch hergestellt.
Durch die großen Fensterflächenanteile muss trotz Sonnenschutzeinrichtung auf die Art der Verglasung besonders Rücksicht genommen werden. Speziell die Eckräume sind bezüglich einer sommerlichen Überwärmung gefährdet.
Die äußere Verglasung sollte möglichst als Einfachverglasung ausgeführt werden. Somit ist im Winter eine optimale Sonneneinstrahlung in den Pufferraum möglich, und in der Übergangszeit, in der die Doppelfassade noch geschlossen ist, wird eine Reflexion der Sonneneinstrahlung nach außen zugelassen. Ansonsten wird an der thermischen Hülle eine Sonnenschutzverglasung empfohlen.

Regel- und Steuerungstechnik

In Büro- bzw. Verwaltungsgebäuden, speziell bei teilweiser Büronutzung oder unregelmäßiger Arbeitszeit, ist unbedingt eine automatische Sonnenschutzeinrichtung vorzusehen. Nur so ist ein rechtzeitiges Schließen der Verschattung gewährleistet. Es soll die äußere Glasfassade unbedingt temperaturgesteuert automatisch und jahreszeitbezogen geöffnet bzw. geschlossen werden können. Bei Schlechtwetter (Gewitter, Sturm etc.) wird die Doppelfassade standardmäßig geschlossen, sodass keine Bruchgefahr für die Gläser besteht.

Natürliche Belüftung und Nachtauskühlung

Durch voreingestellte kurze Öffnungszeiten der Doppelfassade während des Tages kann Frischluft in den Zwischenraum der Doppelfassade gelangen und somit je nach Bedarf durch die Fensteröffnung ins Rauminnere gelüftet werden. In der Übergangszeit kann mit einer teilweise geöffneten Doppelfassade eine effektive Nachtlüftung aktiviert werden, ohne auf die Witterung Rücksicht nehmen zu müssen. Durch diese sinnvolle Maßnahme der Nachtlüftung ist rechnerisch eine Reduzierung der operativen Raumtemperatur von bis zu 2°C möglich.

Technische Universität Graz

Bei der Neuplanung des Büro- und Laborgebäudes der TU-Graz ging es vorwiegend um eine sehr transparente Grundrissgestaltung, allerdings auch um Berücksichtigung energetischer und behaglicher Gesichtspunkte. Bereits im frühen Planungsstadium wurde die Art und Implementierung der Gebäudetechnik in Abstimmung mit den bauphysikalischen und statischen Vorgaben sowie dem architektonischen Konzept mit den Fachplanern erarbeitet.
Während auf der Nordseite lediglich schmale Lichtbänder eingeplant wurden, welche allerdings für die natürliche Belichtung mit Tageslicht der Büro- und Laborräume ausreichen, wurden an der Südseite aus architektonischer Sicht geschoßhohe Verglasungen angeordnet. Somit sind geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der sommerlichen Überwärmung dringend notwendig.

Abbildung 5: Südfassade, TU-Graz Biokatalyse [3]

Abbildung 6: Klima- und Lüftungskonzept, TU-Graz Biokatalyse [3]

Als Tragkonstruktion wurde eine Stahlbetonmassivbauweise gewählt. Somit ist ein hoher Speichermassenanteil durch die nordseitigen Außenwände, Stahlbetondecke und Estrichkonstruktion gewährleistet.

Kühlung mittels Bauteilaktivierung

Überschüssige Wärmemengen durch hohe solare Einstrahlung und innere Wärmequellen werden in der Regel in den Decken und Böden zwischengespeichert und bewirken somit einen Anstieg der mittleren Deckentemperatur. Mit dem Einbau einer Bauteilaktivierung kann die Temperatur im Sommer kontinuierlich gesenkt werden. Daraus resultiert eine geringere operative Raumtemperatur und ein behaglicheres Raumklima.

Abbildung 7: Einbau Bauteilaktivierung in Rohdecke, TU-Graz Biokatalyse [4]

Sämtliche außen liegende Räume wurden daher mit einer Betonkernaktivierung ausgestattet. Bei der Bauteilkühlung und Bauteilheizung werden in die Deckenkonstruktion wasserführende Leitungen integriert, um auf diese Weise die Speichermassen des Gebäudes thermisch zu aktivieren. Aus statischen und sicherheitstechnischen Gründen wurden die Rohre annähernd in Deckenmitte (neutrale Zone) eingebaut. Notwendige akustische Maßnahmen erfolgen durch abgehängte Akustikbaffels und Einrichtungsgegenstände.
Im Sommer ist mit dieser sehr wirtschaftlichen Methode eine wesentliche Reduzierung des Überwärmungsrisikos zu erwarten. Eine garantierte Einhaltung einer vereinbarten Höchsttemperatur ist jedoch bei hohen inneren Wärmen nicht möglich.
Eine „vorausschauende“ oder prognosegesteuerte Regelung vermag einem Absinken oder Ansteigen der Raumtemperatur entgegenzuwirken.

Sonnenschutzeinrichtung

In der Regel kommen keine der direkten Sonne ausgesetzten Fenster und Glasfassaden ohne wirksamen vollflächigen Sonnenschutz aus. Durch die exakte Nord/Südausrichtung des Gebäudes wurde auf einen Sonnenschutz im Norden verzichtet. Lediglich ein Blendschutz für die PC-Arbeitsplätze ist bei Bedarf vorgesehen.
An den großflächigen Südverglasungen wurden in einem Abstand von ca. 1 m außenliegende, windunabhängige perforierte Sonnenschutzelemente gewählt. Eine direkte Sonneneinstrahlung in den Sommermonaten und eine somit hohe Erwärmung der Raumluft wird dadurch reduziert und die Betriebskosten für die Kühlung somit wesentlich gesenkt. Im Winter und in der Übergangszeit kann tagsüber eine passive Sonnenenergienutzung und dadurch eine Reduzierung der Heizkosten erfolgen.
Diese im Abstand durch einen Gitterrost getrennten, vorgesetzten und daher hinterlüfteten perforierten, bunten Alu-Falt-Elemente werden manuell bedient. Somit ist der Betreiber für sein behagliches Raumklima großteils selbst verantwortlich, denn die Auslegung der Bauteilkühlung erfolgte in Verbindung mit einem rechtzeitig bedienten Sonnenschutz. Um eine gewisse Sicherheit gegen eine Überwärmung bei Abwesenheit des Benutzers zu gewährleisten, wurde zusätzlich südseitig eine hochwertige Sonnenschutzverglasung eingesetzt.

Fazit

Für die Reduzierung der Heizkosten im Winter ist ein vorgesetzter Pufferraum bei großen Verglasungen jedenfalls vorteilhaft.
Der sommerliche Wärmeschutz im Bürobau ist allerdings nur dann gegeben, wenn ein möglichst hinterlüfteter, reflektierender und automatischer Sonnenschutz betrieben wird. D.h. eine temperatur- und witterungsabhängige Grundeinstellung wird automatisch aktiviert, der Benutzer hat jedoch jederzeit die Möglichkeit, die Einstellung manuell zu übersteuern. Zusätzlich sind eine Sonnenschutzverglasung, große Speichermassen im Raum und eine Nachtlüftung i.d.R. erforderlich.
Ist mit höheren inneren Wärmelasten (PC, Drucker, Beleuchtung, Personen etc.) zu rechnen oder keine automatische Sonnenschutzsteuerung möglich, ist zumindest eine Bauteilaktivierung zur Kühlung sinnvoll und meist notwendig. Eine garantierte Lufttemperatur im Raum zu jeder Jahreszeit ist jedoch nur mit einer Vollklimaanlage möglich.

Literatur

  • [1] architektur hohensinn ZT-GmbH
  • [2]rosenfelder & höfler ce gmbh & co keg
  • [3]Ernst Giselbrecht + Partner architektur zt gmbh
  • [4] Prospekt Fa. Rehau

*) Dr. Karl Höfler ist Leiter der Abteilung für Nachhaltige Gebäude bei der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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