Zeitschrift EE

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2008-02: Sommerkomfort im Büro- und Verwaltungsbau

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Gebäude mit flexiblem Verschattungssystem, horizontal und vertikal regulierbar

Statt in einem fertigen Gebäude ein Splitgerät für die Klimatisierung zu installieren, sollten sorgfältige Planungsschritte und eine energetisch vernünftige Architektur dazu führen, dass aktives Kühlen auf ein Minimum reduziert wird oder überhaupt nicht mehr notwendig ist. Den Markt vom „Kühlen“ zu „nachhaltigem Sommerkomfort“ für Nicht-Wohnbauten umzuwandeln, ist das Ziel von dem im Jänner 2008 gestarteten EU-Projekt „KeepCool II“.

Nachhaltiger Sommerkomfort im Projekt KeepCool II
Sommerlösungen für den Nicht-Wohnungsbau

Von Charlotta Winkler*

Der Energiebedarf steigt, weltweit und in Europa: für den Verkehr, für die Industrie, für das Heizen und Kühlen. Die Majorität der moderne Büro- und Verwaltungsbauten wird mit Glasfassaden gebaut und die Büros sind mit diversen Bürogeräten ausgestattet. Diese Art zu bauen führt zu hohen internen und externen Lasten, welche die Raumtemperaturen in den Sommermonaten drastisch erhöhen. Die heutige Technik bietet aber schnell zu realisierende Möglichkeiten, die Innentemperaturen im Sommer zu reduzieren: Splitgeräte werden nach dem Bauabschluss installiert, um das gewünschte Raumklima sicher zu stellen. Ein klimatisiertes Dienstleistungsgebäude wird nicht mehr als Luxus betrachtet, sondern wird von Käufern und Mietern als Standard gesehen. Kraftwerke und Stromnetze sind im Sommer in vielen Ländern inzwischen enorm belastet und in der Folge sind teure Ausbauten notwendig. Eine Hitzewelle im März 2008 im Bundesland South Australia, Australien, trieb die Strompreise auf Grund der Engpässe der Kraftwerke wegen der vielen in Betrieb genommen Kühlanlagen innerhalb von acht Stunden von 12 AUS$ (7,06 €) auf 10.000 (5.900 €) AUS$ pro MWh! [1]. In Nordamerika sind fast 80 % der Wohnhäuser mit Klimaanlagen ausgerüstet [2]. In Europa liegt der Schwerpunkt von sommerlicher Kühlung in Nicht-Wohnbauten (Büro- und Verwaltungsgebäude, Kliniken, Schulen, etc.). Das wirtschaftliche Wachstum der letzten 20 Jahre in den südeuropäischen Ländern hatte eine starke Zunahme an installierten Klimageräten für den wichtigen Nicht-Wohnbau-Sektor zur Folge [3]. Ein Szenario, publiziert in [4], geht davon aus, dass 2020 der Anteil an Gewerbe- und Bürogebäuden des Gesamtgebäudeneubaus 70 % ausmachen wird. Im Jahr 1990 betrug die gekühlte Gebäudefläche der EU-Staaten (EU-15) 540 Millionen Quadratmeter. Bis 2005 stieg die Zahl auf 1.800 Mio m² und eine Prognose für 2020 sagt eine Zunahme dieser Fläche auf 2.700 Mio m² voraus [3]. In Abbildung 2 ist der prognostizierte jährliche Kühlenergiebedarf der EU 15 Länder in GWh dargestellt.

Abbildung 2: Steigender Kühlenergiebedarf in Europa mit Zukunftsprognose für 2015 und 2020 [3]

In Abbildung 3 ist ein Szenario für Österreich dargestellt, welches den prognostizierten Strombedarf für die Klimatisierung von 2005 bis 2030 zeigt [5].

Abbildung 3
: Szenario des Stromverbrauches für Klimatisierung in Österreich [5]

Ergebnisse von „KeepCool“

Diese Trends und die steigende Problematik für den Energiemarkt in Europa lagen dem EU Projekt „KeepCool“, welches von 2005 bis 2007 unter der Koordination von der österreichische Energieagentur lief, zugrunde. „KeepCool“ hatte als Hauptziel, die Marktdurchdringung für nachhaltige Kühlkonzepte und Technologien in den teilnehmenden Ländern zu vereinfachen und Aktivitäten durchzuführen, die eine weitere Steigerung des Kühlbedarfs in Nicht-Wohnbauten verhindern. Da die Bauherren die wesentliche Rolle bei der Investition spielen, richtete sich das Projekt hauptsächlich an diese Gruppe. Ziel der Aktivitäten war es, die Bauherren über die Leistungen und Möglichkeiten nachhaltig zu kühlen zu informieren und sie durch Vermarktung und Verbreitung vorhandener Technologien, dem zugehörigen Know-how und den Planungswerkzeugen davon zu überzeugen, nachhaltiges Kühlen auch umzusetzen.

Online-Tool

Um die Kenntnisse über den Stand der Technik passiver Kühlkonzepte für Planer und Bauherren nutzbar zu machen, wurde der Planungs-Pfad „Nachhaltiger Sommerkomfort“ definiert, um mit dessen Hilfe den Kühlbedarf in Gebäuden zu reduzieren. Dieser Ansatz galt als Unterlage für ein online-Tool, das sich an die Zielgruppen Bauherren, Wartungspersonal, Gebäudebenutzer und Berater richtet. Hier können Informationen auf verschiedenen technischen Niveaus gefunden werden. Das Tool bietet Technologiebeschreibungen für passive Kühlkonzepte (wie Außenverschattung, Nachtlüftung und Tiefsonden), „best practice“ Beispiele und eine Analyse über die nationale Komfortgesetzgebung. Weiters sind im Tool Experten und Lieferanten passiver Kühlkonzepte in den beteiligten Ländern aufgelistet. Dieses Tool ist unter www.ceeeta.pt/keepcool zu finden.

Abbildung 4:
Erdreichwärmetauscher als passive Kühltechnologie

Ein Pfad, der zu einem passiven Kühlkonzept eines Gebäudes führen soll, wurde in mehreren Schritten definiert: Definition des Innenraumklimas, wenn möglich die Auswahl eines günstig positionierten Baugeländes, Reduktion von inneren und äußeren Lasten, die Reduktion des Wärmetransportes durch die Gebäudehülle sowie das Erlauben flexiblen Nutzerverhaltens (angepasste Kleiderverordnung, flexible Arbeitszeit, Möglichkeit Fenster zu öffnen). Als weitere Schritte sollen, wenn notwendig, passive Kühlkonzepte eingesetzt werden. Wenn trotz dieser Maßnahmen ein Kühlbedarf verbleibt, sollen Kühlmaschinen mit thermischem Antrieb (Solarwärme, Abwärme, etc) oder konventionelle Kühltechnologien mit sehr hoher Effizienz für die Abdeckung der Spitzenkühllasten verwendet werden. Wichtige Aspekte wie Betrieb, Wartung und Monitoring von Bürogebäuden mit installierten passiven Kühlkonzepten sind ebenfalls im Tool beschrieben.
Abbildung 5 zeigt ein Modell des Büros von ENERGYbase Bürobau in Wien. Der geplante Termin für die Fertigstellung ist Sommer 2008. Das Kühlkonzept sieht mehrere Maßnahmen vor. Hier werden PV-Module auch als Außenverschattung, Grundwasser für die Kühlung mittels Bauteilaktivierung und eine solare Kühlanlage für Frischluftkühlung eingesetzt. Pflanzen dienen zur natürlichen Befeuchtung und wurden bei der Planung mit produzierter Feuchte per Zeiteinheit abhängig vom Tageslichtangebot im Gesamtsystem mitoptimiert.


Abbildung 5:
EnergyBase Bürobau in Wien (Bildquelle: Wiener Wirtschaftsförderungsfond (WWFF))

Änderungs-Behaglichkeits-Modell

Weiter war das Projektkonsortium in der Überarbeitung des Europäischen Standard EN 15251 („Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden - Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“) involviert. Es konnte erreicht werden, dass das so genannte „Adaptive Comfort Model“ („Änderungs-Behaglichkeits-Modell“) in dieser Norm berücksichtigt wurde. Das Modell ist ein Verhaltensansatz, der darauf baut, dass Menschen im täglichen Leben nicht passiv in Beziehung zu ihren Umgebung sind, sondern tendieren, es sich behaglicher („comfort“) zu machen, indem sie Änderungen („adaptive“) an ihrer Kleidung, ihren Aktivitäten und ihrer Körperhaltung, wie auch an ihrer thermischen Umgebung ausüben. So könnten „Änderungsmöglichkeiten“ zur Verfügung gestellt werden, indem die Fenster geöffnet werden können, Ventilatoren vorhanden sind oder dass die Kleiderordnung am Arbeitsplatz für den Sommer entspannter ist.
Abbildung 6 zeigt Behaglichkeitstemperaturen gegenüber Außentemperaturen mit dem „Änderungs-Behaglichkeits-Modell“ im Vergleich zum so genannten „Fanger Model“, wobei Letzteres auf Gleichungen der ISO 7730 mit fixierten Konstanten basiert.

Abbildung 6: Innentemperaturen gegenüber Außentemperaturen für die Fanger- und Adaptive-modelle [4]

Umsetzung in Österreich

Im Rahmen der Umsetzung der neuen europäischen Gebäuderichtlinie in Österreich konnten Obergrenzen beim Kühlbedarf für Neubauten und große Sanierungsprojekte von Nicht-Wohnbauten in der neuen Gebäuderichtlinie eingeführt werden. Bei Wohngebäuden müssen laut der Gebäuderichtlinie Maßnahmen gegen Überhitzung im Sommer gesetzt werden und für den Nicht-Wohnbau sind maximale Werte für Kühllasten vorgegeben. Der Energieausweis wird die Energieeffizienz für Käufer, Vermieter und Mieter hervorheben und damit werden gut gedämmte Gebäude im Winter und Gebäude mit Maßnahmen für einen nachhaltigen Sommerkomfort für die Spieler am Markt ins Licht gestellt. Weitere Informationen zum aktuellen Stand der österreichischen Gebäuderichtlinie werden im Folgeartikel von W. Streicher der intensiv an den Richtlinien mitgearbeitet hat, vorgestellt. Weiters wurden vom Projektteam im „KeepCool“ Empfehlungen für die Berücksichtigung von energieeffizienten Maßnahmen für den Sommerfall in der Umweltförderung der Kommunalkredit Austria AG vorgeschlagen.

„KeepCool“ II - nachhaltiger Sommerkomfort

Jetzt führt das Nachfolgeprojekt „KeepCool“ II, das im Jänner 2008 gestartet wurde, die Arbeit des ersten Projekts weiter. 12 Partner aus acht europäischen Ländern beteiligen sich am Projekt, dessen Hauptziel es ist, den Markt für Nicht-Wohnbauten vom „Kühlen“ zum „nachhaltigen Sommerkomfort“ umzuwandeln. Mit „nachhaltigem Sommerkomfort“ ist gemeint, einen guten Sommerkomfort, ohne oder nur unter geringem Einsatz konventioneller Energiequellen und mit umweltverträglichen Materialien zu schaffen. Folgende Zielsetzungen werden im Projekt verfolgt:

  • Etablierung und Verbreitung von Technologien für „nachhaltigen Sommerkomfort“.
  • Zusammenstellung von Anreizen und Motivationsfaktoren für Planer um in Richtung integraler Planung zu gehen.
  • Einführung bzw. Stärkung von nachhaltigem Sommerkomfort in den nationalen Aktionsplänen für Energieeffizienz („Energy Efficiency Action Plans“ - EEAP) und Leitfäden für die öffentliche Beschaffung und nationale Gebäudestandards.
  • Transfer der Ergebnisse direkt zu den relevanten Zielgruppen, durch breite Verbreitungsaktivitäten auf nationalen und europäischen Ebenen.

Maßnahmen

Das Projektteam will diese Ziele in zwei Phasen erreichen. In der ersten Phase werden praktische Empfehlungen und Ergänzungsmaterial zusammengestellt, um die wichtigsten Marktbarrieren zu überwinden. Diese Barrieren sind z.B. die Verbreitung von falschen Planungsregeln oder Betriebsanleitungen von Gebäuden bzw. der Mangel finanzieller Honorierung für Fachleute, die Gebäude energieeffizient oder überhaupt ohne Kühlbedarf planen. Ein Überblick über die Energieeffizienzkriterien in den nationalen Gebäudestandards bezüglich Sommerkomfort bzw. konventionelle Kühltechnologien wird zusammengestellt. Hiervon wird ein Vergleich zwischen den Gebäudestandards gemacht und Empfehlungen vorgeschlagen, wie Maßnahmen zum nachhaltigen Sommerkomfort in Standards inkludiert werden können.
Weiter wird angestrebt, Prozeduren und Werkzeuge (mit Fokus auf die Umsetzung nachhaltigen Sommerkomforts) für die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der EU-Vorschrift „Energy End Use Efficiency and Energy Services“ Artikel 5 (EEE-ESD) für öffentliche Beschaffung und Gebäudemanagement zu finden. In diesem Artikel 5 werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, dass sowohl der öffentliche Sektor als auch Agenturen eine Vorreiterrolle in der Steigerung von Energieeffizienz spielen müssen. Weiters wird das Projekt in der ersten Phase nationale Institute bei der Vorbereitung des EEAP entsprechend der Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen („Direktive on energy end use efficiency and energy services“) unterstützen. Diese Unterstützung besteht vor allem aus der Entwicklung einer sogenannten „Bottom-Up“ Bewertung der Energieeinsparungen in Relation zu Lösungen des nachhaltigen Sommerkomforts.

Verbreitungskampagnen

In der zweiten Phase wird „KeepCool“ II zur Marktdurchdringung durch Verbreitungskampagnen unterschiedlicher Gruppen beitragen. Hier sind die Zielgruppen die ganze Marktkette angefangen von der Herstellerindustrie bis zu den Bauherren bzw. nationale Entscheidungsträger sowie Schlüsselspieler auf EU-Ebene. Diese Gruppen sollten u.a. durch bestehende Netzwerke erreicht werden.
Das Toolkit wird weiter als Plattform für das Projekt fungieren. Die Inhalte werden auch im Laufe des Projektes ständig aktualisiert.

Ausblick

Durch konkrete Vorstellungen und vorab definierte Ziele können bei einem Bauvorhaben umweltschonende Energiekonzepte für Heizen und Kühlen implementiert werden. Um vom steigenden Strombedarf für die Klimatisierung wegzukommen und der Energieautonomie näher zu kommen, sollten Gebäuden so geplant und gebaut werden, dass der Energiebedarf im Sommer wie auch im Winter minimal ist. Wenn noch Energiebedarf vorhanden ist, sollten passive Technologiekonzepte für die restliche Energie eingesetzt werden. Dafür gibt es fertige Lösungen. Letztendlich müssen aber auch noch das Bewusstsein und die Initiativen bei den Entscheidungsträgern steigen, um diese Konzepte umzusetzen zu können.

Literatur

  • [1] Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), Australien, 2008
  • [2] Low Energy Architecture Research Unit (LEARN), UK
  • [3]EECCAC Jérôme Adnot et al., 2002, 2003
  • [4] EU-Projekt „KeepCool“ Endbericht 2007
  • [5] Wärme und Kälte aus Erneuerbaren 2030, Reinhard Haas et al., 2007

 

*) Dipl.- Ing. Charlotta Winkler ist Mitarbeiterin der AEE INTEC, c. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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