Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Solarthermie

Abbildung 1:Fresnelkollektorfeld vor Showcase-Fußballstadion in Doha / Katar Quelle: Industrial Solar GmbH

Katar hat sich erfolgreich für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 beworben. Da die Temperaturen in diesem Wüstenstaat im Sommer durchaus 50°C erreichen können, wurde als Kernstück der Bewerbung ein mit erneuerbaren Energien versorgtes und solar gekühltes Fußballstadion präsentiert. Ein Fresnelkollektorfeld der Freiburger Industrial Solar GmbH liefert Prozesswärme für den Antrieb einer Absorptionskältemaschine.

Solargekühlter Fußball in der Wüste

Von Christian Zahler *

Während der Sommermonate in Katar oder einem benachbarten Emirat kommt ein Mitteleuropäer kaum in Versuchung das klimatisierte Hotel oder Auto tagsüber freiwillig zu verlassen - Temperaturen von teilweise über 50°C verleiden den kürzesten Spaziergang. An körperliche Betätigung im Freien oder gar Sport ist nicht zu denken. Fußball zu spielen ist gänzlich abwegig.
Umso verwunderlicher schien es, als die Entscheidung der FIFA bezüglich der Fußball-WM 2022 zugunsten des Wüstenstaates Katar verkündet wurde.
Doch die Bedenken hinsichtlich der Spielbedingungen angesichts der unerträglich hohen Außentemperaturen sind unbegründet: die WM-Fußballstadien in Katar sollen allesamt klimatisiert werden.
Zudem sollen die gigantischen Klimaanlagen, die zur Kühlung von Stadien benötigt werden, nicht mit Strom aus fossilen Energieträgern - von welchen Katar mehr als genug besitzt - sondern vollständig mit erneuerbaren Energien versorgt werden.
Das Konzept eines nachhaltig versorgten, CO2-neutralen Fussballstadions wurde vom renommierten Architektur- und Planungsbüro ARUP Associates entwickelt.
Der Beweis, dass es wirklich machbar ist, wurde vor einigen Monaten mit einem Showcase-Stadion erbracht, welches mit 500 Sitzplätzen zwar deutlich kleiner als typische WM-Stadien ist, aber eine adäquate Größe hat um die relevanten Technologien einzusetzen und zu testen.
Dieses Stadion wurde von der britischen Firma ES Group und zahlreichen Unterauftragsnehmern aus Großbritannien und anderen europäischen Ländern in weniger als 4 Monaten realisiert. Aufgrund der extrem hohen Außentemperaturen tagsüber musste vorwiegend nachts gearbeitet werden.
Das atemberaubende Design des Stadions birgt etliche technische Finessen um komfortable klimatische Bedingungen in seinem Innern für Spieler und Zuschauer zu schaffen.
Das Dach des Stadions besteht aus zwei gegeneinander verdrehbaren Kugelschalensegmenten, welche es erlauben das Stadion zu öffnen. Im geschlossenen Zustand spendet das Dach sowohl Schatten als auch thermische Isolation. Erlauben es die Außenbedingungen kann das Dach geöffnet werden, so dass Spieler und Fans von der natürlichen Ventilation profitieren können.
Im geschlossenen Zustand kann das Stadion im Vorfeld eines Spieles effizient durch die solare Kühlunganlage über mehrere Tage heruntergekühlt werden.
Kernstück des solaren Kühlungssystems ist ein 1400 m² großes Feld konzentrierender Solarkollektoren, sogenannter Fresnelkollektoren, der in Freiburg ansässigen Firma Mirroxx, welches Wasser unter 16 bar Druck auf 180°C aufheizt. Die Wärme wird entweder in einem Druckwasserspeicher mit 40 m³ Volumen zwischengespeichert oder direkt einer sogenannten zweistufigen Wasser-Lithiumbromid Absorptionskältemaschine mit einer Kälteleistung von 650 kW zugeführt.
Die so erzeugte Kälte wird entweder in einem speziellen Kältespeicher, einem PCM-Speicher zwischengespeichert oder direkt über die Lüftungsanlage in das Stadion unterhalb der Bestuhlung eingeleitet. Die Verwendung eines Phasenwechselmaterials (engl. Phase Change Material, kurz PCM) birgt die Vorteile, dass im Phasenwechsel, z.B. vom flüssigen zum festen Zustand, sehr viel Energie pro Volumen gespeichert werden kann, und dass beim Belade- bzw. Entladevorgang die Temperatur konstant bleibt, solange das Speichermaterial in beiden Phasen vorliegt.
Die beiden Speicher ermöglichen es die Kältemaschine während Zeiten extrem hoher Umgebungstemperaturen, bei welchen es schwierig ist die Abwärme an die Umgebung abzugeben, abzuschalten, wobei der Kollektor weiterhin den Heißspeicher belädt und das Stadion über den Kaltspeicher gekühlt werden kann.

Abbildung 2: Industrial Solar Kollektor im Betrieb

Neben dem Fresnelkollektorfeld ist zudem eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage installiert, welche die elektrischen Verbraucher im Stadion und die Gebäudetechnik mit Energie versorgt.
Diese moderne Stadionarchitektur mit fortschrittlichster Solartechnologie ermöglicht einerseits die erste Fußball-WM in dieser Region und zeigt andererseits neue Perspektiven der Solarenergienutzung auf.
Konzentrierende solarthermische Kollektoren können Wärme bei hohen Temperaturen bereitstellen, welche zum Antrieb von effizienten Absorptionskältemaschinen, aber auch für industrielle Produktionsprozesse oder Wasserentsalzung verwendet werden kann.
Besonders bemerkenswert beim Design des Industrial Solar-Kollektors sind die hohen Betriebstemperaturen von bis zu 400°C, welche durch den Einsatz eines Vakuumabsorberrohres ermöglicht werden, das für Parabolrinnenkraftwerke entwickelt wurde. Im Gegensatz zu diesen kann der Freiburger Fresnelkollektor jedoch aufgrund seiner geringen Windangriffsfläche auf Flachdächern von Großgebäuden wie Produktionshallen oder Einkaufszentren montiert werden.

Abbildung 3: Diagram: Schema der solaren Kühlungsanlage

*) Dipl.-Phys. Christian Zahler ist Mitgründer und einer der Geschäftsführer der Industrial Solar GmbH [^]

Top of page