Zeitschrift EE

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2008-03: Neue Trends in der Solarthermie

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Projektbeispiel Wiesbaden nach der Modernisierung (Foto: IWU)

Außendämmung ist bei der weit überwiegenden Zahl der Wohngebäude technisch möglich, bauphysikalisch unproblematisch, in Verbindung mit Ohnehin-Maßnahmen an der Fassade regelmäßig wirtschaftlich attraktiv, und sie bietet sogar eine Chance für qualitätssteigernde Neugestaltung. Im Zusammenhang mit der Innendämmung treten dagegen eine Reihe von Schwierigkeiten auf, denen der Planer begegnen muss.

Innendämmung im denkmalgeschützten Bestand
Innendämmung? Außendämmung? Oder gar keine Dämmung?

Von Rainer Pfluger*

Wenn man die Wahl hat, sollte demnach bei einem Altbau die Wärmedämmung auf der Außenseite der Außenwände angebracht werden.
Innendämmung ist aber immer noch besser als keine Dämmung: Die inneren Oberflächentemperaturen steigen, damit wird die thermische Behaglichkeit verbessert und die Gefahr von Feuchteschäden, insbesondere hinter Möbeln, verringert. Und auch in Bezug auf die Verbesserung der Energieeffizienz in Altbauten lässt sich mit der Innendämmung einiges erreichen, wenn diese mit hochwertigen Komponenten wie Passivhausfenstern und Komfortlüftungsanlagen kombiniert wird – nicht im gleichen hohen Umfang wie mit der Außendämmung, aber immer noch mit spürbaren positiven Gesamteffekten: In typischen Objekten im Bestand sind ohne Dämmung der Außenwände, aber mit Passivhauskomponenten an allen anderen Bauteilen und bei der Lüftung, Heizwärmebedarfswerte um 140 kWh/(m²a) erreichbar. Mit einer qualitativ hochwertigen Innendämmung sind sogar etwa 55 kWh/(m²a) zu schaffen, also mehr als ein Faktor 4 gegenüber dem Istzustand. Wenn eine Außendämmung möglich ist, lässt sich mit ihr der Verbrauch gegenüber Innendämmung noch einmal mehr als halbieren („Faktor 10“ im Bestand). Passivhausstandard ist im allgemeinen im Bestand wegen verbleibender Wärmebrücken, ungünstiger Orientierungen und Verschattung nur sehr schwer zu erreichen, obwohl einige Projekte dies bereits erfolgreich demonstrieren.
Voraussetzung für ein positives Ergebnis ist bei der Innendämmung jedoch eine sorgfältige, sachgemäße Planung und Ausführung. Aus dem bislang gesagten ergibt sich, dass eine naiv geplante Innendämmung erhebliche Schäden nach sich ziehen kann.

Schutz gegen aufsteigende Feuchte und Schlagregen

Gibt es in einem Gebäude aufsteigende Feuchte, dann muss dies zunächst durch Einziehen einer Horizontalsperre abgestellt werden. Das gilt ohnehin im Fall einer baulichen Modernisierung, weil ein gesundes Wohnen in Gebäuden mit aufsteigender Feuchte nicht möglich ist.
Befindet sich das Gebäude in einem Gebiet mit hoher Schlagregenbelastung (Beanspruchungsgruppe III nach DIN 4108-3, d.h. über 800 mm Jahresniederschlag bzw. Hochhäuser, exponierte oder windreiche Lagen auch bei niedrigeren Niederschlagsmengen), ist außerdem eine wasserabweisende Fassade erforderlich. Auf die Einhaltung von [DIN 4108-3] und [DIN 18550-1] (u.a. diffusionsoffener Aufbau der wasserabweisenden Fassade) muss geachtet werden. Auch diese Voraussetzung ist an sich unabhängig von der Innendämmung. Auch bei geringerer Schlagregenbeanspruchung müssen der Außenputz bzw. die Fassade intakt sein, d.h. es sollten sich keine Fehlstellen, Abplatzungen, sichtbaren Risse etc. zeigen.
Selbstverständlich müssen auch andere besondere Feuchtebelastungen (lecke Dachrinnen oder Sanitär-, Heizungs- und Abwasserleitungen) abgestellt werden. Auch dies ist eine Selbstverständlichkeit bei einer Altbausanierung.

Wärmebrückenreduzierung

An allen Anschlusspunkten der Innendämmung (z.B. zu Decken, Innenwänden, Fenstern) sind wärmebrückenreduzierte Details zu planen. Dies dient primär der Vermeidung von Bauschäden, daneben auch der Verringerung von Wärmeverlusten.
Die Dämmkonstruktion muss so geplant werden, dass Temperaturabsenkungen an allen Anschlusspunkten (wo das vorkommen kann, auch mit platzierten Möbeln) bei ( 5 °C; 20 °C) auf minimal 12.5 °C begrenzt bleiben.
Bedeutend für solche Anschlüsse sind:

  • Die Fensterlaibungen: Hier ist bei Innendämmung eine Begleitdämmung bis an den Fensterrahmen ≥ 20 mm unverzichtbar. Ein Beispiel für einen noch akzeptablen Einbau, bei dem die Position des Fensters in der Wand unverändert bleibt, zeigt Abbildung 2. Wichtig ist, dass die Wärmedämmung nicht nur mit einer Ecke an den Fensterrahmen angrenzt, sondern die Dämmschicht in der Mindestdicke durchläuft. Bezüglich Wärmeschutz und Oberflächentemperaturen ideal wäre natürlich ein Einbau in der Dämmebene. Vorteilhaft wirkt sich in jedem Falle eine möglichst große Bautiefe des Fensters aus, z.B. durch Einsatz eines Passivhaus-Fensters, das gleichzeitig auch die Wärmeverluste des Fensters selbst erheblich verringert. Gute Lösungen sowohl bezüglich eines unveränderten Erscheinungsbildes der Fassade als auch bezüglich des Wärmeschutzes lassen sich mit Kastenfenstern erreichen (Abbildung 3): Die Zarge des Fensters fasst die Laibungsdämmung ein. Die Dämmebenen von Fenster und Wand gehen ineinander über. Der Luft-Zwischenraum des Kastenfensters ist nach außen zu belüften und nach innen luftdicht auszuführen, z.B. durch kleine Bohrungen im Rahmenprofil. Damit wird Tauwasserausfall im Luft-Zwischenraum vermieden.
  • Die Geschoßdecken (Betondecken): der Anschluss an die normale ( ≥25 mm) Trittschalldämmung auf der Oberseite ist ausreichend. Auf der Deckenunterseite wird ein Dämmkeil benötigt.
  • Einmündende Innenwände: Einfach an Innenwänden endende Innendämmungen führen dort zu grenzwertig niedrigen Temperaturen; wird dort noch ein Möbelstück gestellt, sind Schäden nicht auszuschließen. Abbildung 4 zeigt Beispiele, wie diesem Problem wirkungsvoll zu begegnen ist: Durch Dämmkeil (minimal 10 mm x 200 mm), Begleitdämmung (auch „eingefräst“, minimal 10 mm x 120 mm) oder Temperaturleitblech (minimal 160 mm-Schenkel) lässt sich die Temperatur im kritischen Bereich auf Werte anheben, die Schimmelpilzwachstum ausschließen. Der Wärmebrückenverlustkoeffizient aller Lösungen bleibt in bedeutender Höhe, es handelt sich nicht um „wärmebrückenfreie“ Konstruktionen. Alle Maßnahmen sind praktikabel und haben sich in Beispielprojekten bewährt.

Die genannten Bauteilanschlüsse sind übrigens in bauphysikalischer Hinsicht häufig bereits im Bestand als kritisch einzustufen; sie können bei korrekter Detailausbildung durch die Innendämmung in den zulässigen Bereich gebracht werden.


Abbildung 2: Fensteranschluss mit dünner Laibungsdämmung (20 mm)
ΨEinbau = 0,132 W/(mK), Uw,eingebaut = 1,2 W/(m²K).
Minimale Oberflächentemperaturen oben: Φmin = 12,9 °C, unten: Φmin = 12,8 °C)

Luftdichtheit

Wie oben bereits erwähnt muss eine Hinterströmung der Innendämmkonstruktion mit normaler Innenraumluft unbedingt vermieden werden. Die Dämmkonstruktion muss daher auf der Raumseite sicher und dauerhaft luftdicht sein. Eine sinnvolle Zielvorgabe ist eine Luftdichtheit der raumseitigen Verkleidungen von q50 unter 0.6 m³/m²/h. Eine solche Luftdichtheit entspricht ungefähr dem Luftdichtheitsniveau von für Passivhaus-Neubauten eingesetzten Außenwänden und Dächern. Diese Anforderung mag auf den ersten Blick erschrecken, ist aber baupraktisch auch in bestehenden Altbauten nachträglich erfüllbar.
Die luftdichtende Schicht muss allerdings geplant und sorgfältig ausgeführt werden, die Ausführungsqualität ist an der Baustelle zu kontrollieren.

Abbildung 3: Studie für ein Kastenfenster als Ergänzung eines bestehenden Holzfensters
Einbau = 0,013 W/(mK), Uw,eingebaut = 0,75 W/(m²K)
Minimale Oberflächentemperaturen oben: Φmin = 15,8 °C, unten: Φmin = 16,2 °C)

Abbildung 4: Lösungen für einbindende Innenbauteile

Feuchteschutzkonzepte gegen Dampfdiffusion

Der in Relation zur Außenluft hohe Wasserdampfpartialdruck, der in der Raumluft im Winter vorliegt, kann nicht nur durch Konvektion, sondern auch durch Wasserdampfdiffusion einen Feuchtigkeitstransport an die (nun kalte) alte Wandkonstruktion hinter einer Innendämmung bewirken. Um kritische Auffeuchtungen zu verhindern, kommen heute zwei völlig unterschiedliche Konzepte in Betracht:

Ausreichende Dampfbremse raumseitig:
Diese Lösung ist der „klassische Ansatz“. Die Dampfdiffusion von innen nach außen wird auf der warmen Seite gestoppt (Dampfsperre) oder zumindest stark genug behindert (Dampfbremse), um die kalte Konstruktion außerhalb der Innendämmung vor Feuchtebelastung zu bewahren. Diese Lösung hat sich über Jahrzehnte und in Tausenden ausgeführten Maßnahmen in der Praxis, auch unter teilweise sehr rauen Bedingungen, bewährt. Sie funktioniert aber nur, wenn die außerhalb der Dampfsperre oder -bremse liegende Wandkonstruktion keine durch andere Ursachen bedingte hohe Feuchtebelastung aufweist! Der effektive sd-Wert der Dampfbremse einschließlich etwaiger Lücken sollte für wohnraumähnliche Nutzung mindestens 15 m betragen. Kapillar aktive einbindende Wände o.ä. sind dabei unkritisch.

Kapillaraktive Dämmstoffe mit diffusionsoffenem Innenaufbau:
Das durch Diffusion vom Raum her eindringende Wasser wird durch „Oberflächendiffusion“, d.h. durch Flüssigwassertransport im Sorbatfilm, in den Raum zurückgeleitet. Mit geeigneten Materialien (z.B. Calciumsilikat oder Zellulose) kann so eine dauerhaft ausreichend trockene Situation im Bereich der Innendämmung und der alten Wandoberfläche erreicht werden. Wichtig ist dabei die Verwendung von Materialien, die explizit für diesen Einsatz vorgesehen sind; schon geringe Zusätze können die Materialeigenschaften u.U. so grundlegend ändern, dass eine Funktion der kapillaraktiven Innendämmung nicht mehr gewährleistet ist. Auch für diese Lösung gibt es bereits seit einigen Jahren erfolgreich ausgeführte Feldanwendungen mit guten Erfahrungen. Ausreichender Schlagregenschutz und eine wirksame Luftdichtheit sind weiterhin unbedingt erforderlich.
Beide Konzepte haben sich bereits in der Praxis bewährt; sie müssen aber jeweils mit allen zugehörigen Details absolut konzepttreu angewendet werden, wenn sie erfolgreich funktionieren sollen.

Wohnraumkomfortlüftung

Innengedämmte Konstruktionen sind vergleichsweise anfällig für Feuchtebelastungen aus der Raumluft. Gleichzeitig verlangen sie nach einer möglichst luftdichten Konstruktion. Um eine ausreichende Luftqualität zu gewährleisten und die Raumluftfeuchte zu begrenzen, ist daher der Einsatz einer Lüftungsanlage dringend zu empfehlen.

Praxisbeispiele
Die im Folgenden vorgestellten Beispiele für erfolgreiche Innendämmprojekte können hier nur kurz angerissen werden; ausführliche Projektbeschreibungen finden sich in [AkkP 32].

Gründerzeitgebäude mit Holzbalkendecken
Dieses Gebäude wurde als typisches Gründerzeithaus zwischen 1880 und 1890 im Wiesbadener Kirchbergviertel errichtet, im Jahr 2001 fand durch die GWW Wiesbadener Wohnbaugesellschaft mbH unter Begleitung des Instituts Wohnen und Umwelt eine durchgreifende Modernisierung statt. Die in Abbildung 1 gezeigte Fassade erhielt eine Innendämmung mit einer Hartschaum-Mehrschicht-Leichtbauplatte (6 cm Plattenstärke, davon 5,5 cm Polystyrol-Hartschaum der Wärmeleitfähigkeitsgruppe WLG 035), die Hofseite konnte mit einem Wärmedämmverbundsystem gedämmt werden. Der berechnete Endenergiebedarf an Erdgas wurde durch die Modernisierung von 265 auf 134 kWh/(m²a) gesenkt. Messergebnisse über drei Jahre liefern einen Erdgasverbrauch für Heizung und Warmwasser von 132 kWh/(m²a), was noch etwas unter dem klimabereinigten Rechenwert von 147 kWh/(m²a) liegt.

Sichtfachwerk mit Innendämmung
In zwei vom Energie- und Umweltzentrum Springe-Eldagsen durchgeführten Projekten wurden Fachwerkhäuser mit verschiedenen Innendämmungen (Perlite, Zellulose, Mineralfaser, Blähglimmer, Leichtlehm) versehen. Der Wandaufbau war dabei jeweils diffusionsoffen ausgeführt. Die Luftdichtheit wurde in beiden Fällen detailliert geplant und messtechnisch überprüft (Abbildung 5).
Sichtfachwerk ist generell – auch ohne Wärmedämmung – pflegebedürftig und anfällig für Feuchteschäden. Dennoch zeigten die durchgeführten Messungen der Holzfeuchten in den meisten Fällen keine kritischen Werte. Ausnahmen bildeten lediglich Bereiche mit erhöhter Schlagregenbelastung durch Spritzwasser oder mit feucht eingebauten Hölzern.

Abbildung 5: Dorfgemeinschaftshaus Bockelskamp, Detail der Luftdichtheitsebene und in die Haustür eingebaute BlowerDoor (Abbildungen: Paul Simons)

Schlussbemerkung

Die Beispiele zeigen, dass unter Beachtung der genannten Konstruktionsgrundsätze auch innengedämmte Objekte langfristig schadensfrei bleiben.
Sinnvolle Dämmstoffstärken liegen bei 40 bis 120 mm, darüber sind die Einsparungen aufgrund der unvermeidlichen Wärmebrückeneffekte nur noch gering, die Wohnraumverluste schlagen aber zu Buche.
Eine ausführlichere Darstellung zum Thema Innendämmung findet sich im Protokollband Nr. 32 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser [AkkP 32], der beim Passivhaus Institut erhältlich ist.

Danksagung

Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Arbeitskreises „Kostengünstige Passivhäuser Phase II“ im Auftrag der Träger (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (Wiesbaden), E:ON Energie AG (München), LUWOGE Wohnungsunternehmen der BASF GmbH (Ludwigshafen)) durchgeführt.

Literatur

 

  • [DIN 4108-3] Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden - Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz; Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung, DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Ausgabe: 2001- 07.
  • [DIN 18550-1] Putz, Begriffe und Anforderungen, DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Januar 1985.
  • [AkkP 32] Faktor 4 auch bei sensiblen Altbauten, Protokollband Nr. 32 des Arbeitskreises kosten¬günstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2005.

*) Dr.-Ing. Rainer Pfluger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Passivhaus, Institut in den Bereichen Haustechnik, Bauphysik und Qualitätssicherung, www.passiv.de[^]

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