Zeitschrift EE

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2008-03: Neue Trends in der Solarthermie

Solarthermie

Abbildung 1: Teilansicht der Dachflächen der Solaranlage Fernheizwerk/AEVG

Das Grazer Fernwärmenetz ist weltweit eines der wenigen Fernwärmenetze, das Solaranlagen für die Energieversorgung einsetzt. Es gibt bei Anlagenbetreibern langjährige Erfahrung bei der Konzeption und baulichen Umsetzung von Großsolaranlagen. Die erste Großanlage mit 1.407 m² Kollektorfläche entstand im Jahre 2002 mit dem Bau der Anlage auf der UPC Arena. In den folgenden Jahren entstanden weitere Anlagen auf den Dächern des Berlinerrings (2.370 m² Kollektorfläche). Die letzte Großsolaranlage, die installiert wurde, ist auf dem Gelände des Fernheizwerkes und der AEVG (Abfallentsorgungs- und Verwertungs-GmbH) errichtet worden. Alle diese Anlagen speisen direkt in das Grazer Fernwärmenetz ein.

Solare Fernwärmeeinspeisung in Graz
Solare Großanlage auf dem Fernheizwerk/AEVG Gelände

Von Horst Striessnig und Christian Holter*

Die Solaranlage auf dem Gelände des Fernheizwerkes und der AEVG ist mit ihren 4.100 m² (6.900 m² im Endausbau) die derzeit größte Anlage die in Graz realisiert wurde. In Summe mit den vorhandenen Großsolaranlagen werden damit jährlich fast 5 GWh Solarwärme bereitgestellt. Eine Anlage solcher Größe ist nicht mehr mit herkömmlichen Solaranlagen die im Einfamilienhausbereich eingesetzt werden vergleichbar. Für die Umsetzung solcher Projekte ist eine spezielle Anlagentechnik (Kollektoren, Pumpengruppen, etc.), die auf die Erfordernisse des Großsolarbereichs zugeschnitten ist, notwendig. Die Planung und bauliche Umsetzung der Gesamtanlage wurde von der Firma S.O.L.I.D. GmbH durchgeführt. Investor und Betreiber ist nahwaerme.at energiecontracting Gmbh.

Projektidee der Anlage AEVG /Fernheizwerk

Die Idee basiert auf den positiven Erfahrungen mit den ersten Großsolaranlagen für die Fernwärmeeinspeisung einerseits, andererseits waren in Graz ganzjährig reine Gas-Heizkessel neben der Abwärmenutzung in Betrieb, welche bis zu 100 GWh jährlich fossil erzeugte Wärme bereitstellen. Diese Gasmengen zu reduzieren, senkt den Ausstoß an CO2, die Solarwärme vermindert die Abhängigkeit von der Preisdynamik fossiler Energieträger.
Ein Puffer als Wärmespeicher ist bei solchen Projekten kaum notwendig, da die kontinuierliche Abnahme durch das Fernwärmenetz (gesichert durch die Netzgröße) gewährleistet ist. Somit können kostengünstige Systeme umsetzt werden. Im städtischen Bereich gibt es meist ausreichend freie Dachflächen oder Grundstücke die für eine Solaranlage genutzt werden können. Um Investmentkosten für Anbindungsleitungen möglichst gering zu halten, musste ein Grundstück gefunden werden, dass möglichst nahe bei einem möglichen Einspeiseknotenpunkt liegt. Die Grundstücke der AEVG haben sich hier aufgrund ihrer Nähe zum Fernheizkraftwerk angeboten.

Anlagenkonzept

Die Anlage besteht aus mehreren Einzelanlagen, die zu einer Gesamtanlage zusammen geschalten sind. Auf Dächern unterschiedlicher Bauart, Lage und Ausrichtung wurden einzelne Kollektorfelder installiert. Die Größe der Kollektorfelder liegen im Bereich von 400 m² bis 2.100 m². Bereits bei der Konzeption wurde Wert darauf gelegt die Anzahl der Komponenten möglichst zu reduzieren, um Kosten beim Investment und in der Instandhaltung zu sparen. Es wird die thermische Solarenergie direkt im Bereich des Fernheizwerkes im Grazer Fernwärmenetz eingespeist. Die gesamte Anlage wird über ein eigens für Großsolaranlagen entwickeltes Telemonitoring-System (Regelungssystem) kontinuierlich, automatisch geregelt und überwacht.

Abbildung 2: Ansicht der Solaranlage Fernheizwerk/AEVG

Eingesetzte Technik

Ziel bei dieser Großanlage war es, eine möglichst lange Lebensdauer und einen kalkulierbaren, stabilen Energieertrag der Gesamtanlage zu erhalten. Um dies zu erreichen wurden beim Projekt zwei Schlüsseltechnologien eingesetzt

  1. Es wurden Kollektoren eingesetzt, die auch bei Temperaturbereichen von 80 - 100°C einen guten Wirkungsgrad aufweisen:
    Bei der AEVG kommt der in der Steiermark, von den Firmen S.O.L.I.D. und ökoTech entwickelte „HT-Kollektor“ zum Einsatz. Dieser Kollektor arbeitet mit Sunstrip-Absorbern und hat eine deutlich bessere Dämmung sowohl an der Rückseite und an den Seiten. Zusätzlich verfügt er über eine Teflon Folie, die hinter dem Solarglas liegt und wiederum hilft die Verluste zu minimieren. Somit konnte ein Mehrertrag, der im Bereich von 10 - 25 % liegt, erreicht werden. Durch diesen Mehrertrag sind die Zusatzkosten für die Isolierung, Spezialglas, bauliche Ausführung und Teflonfolie gerechtfertigt. Der große Nutzen liegt in der langen Lebensdauer von mindestens 20 bis 25 Jahren und dem kontinuierlich hohen Energieertrag bei fernwärmeüblichen Temperaturen (75 - 95°C Vorlauf, 55 – 65°C Rücklauf).
  2. Ein Telemonitoring-System, dass den veranschlagten Energieoutput der Anlage garantiert:
    Hier wurde in den letzten Jahren ein System entwickelt, das die Solaranlagen automatisch überwacht und, sollten sich die Anlagenparameter außerhalb eines „Grünbereichs“ bewegen, selbstständig das Service Personal benachrichtigt. Es ermöglicht historische Datenaufzeichnungen und damit auch Analysen der Anlagen. Der Betreiber hat somit immer einen Überblick über die Funktion der Solaranlage und kann jederzeit regelnd eingreifen, falls dies notwendig sein sollte.
    Es kann somit bereits vor dem Auftreten eines konkreten technischen Problemfalls reagiert werden und nicht erst, wenn ein Anlagenfehler vorliegt.

Projektschritte

Die Tätigkeiten, die notwendig waren um diese thermische Großsolaranlage zu realisieren, sind bei allen Projekten sehr ähnlich. Nach dem ersten Kontakt mit einem Kunden und einer Erstbegehung des Grundstückes kann eine erste Konzeptidee erarbeitet werden. Die einzelnen Schritte von dieser Projektidee bis zur Betriebsführung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  1. Grobkonzeptphase:
    Hier wurde auf Budgetbasis das technische Konzept ausgearbeitet und mit wirtschaftlichen Eckdaten erprobt. Grobe Daten für die Anlagengröße und eine grobe Abschätzung für die Amortisationszeit lagen vor.
  2. Detailplanungsphase:
    In dieser Phase wird die Detailplanung (Auslegung Hydraulik, Anlagentechnik,…) für die Gesamtanlage durchgeführt und die konkreten Kosten ermittelt. Auf Basis dieser Daten entschließt sich der zukünftige Betreiber, ob er die Anlage realisieren wird.
  3. Umsetzungsphase:
    Die Kollektoren werden installiert, im Technikraum die Wärmeübergabestationen gebaut und die Hardware (Schaltschrank für den Regler, Sensorik, usw.) für das Telemonitoring-System eingebaut. Schließlich wird ei Anlage in Betrieb genommen.
  4. Betriebsführungsphase:
    Der Betrieb der Anlange erfolgt durch ein spezialisiertes Team von Technikern.

Betriebsführung

Bisher sind 4.100 m² Kollektorfläche in Betrieb gegangen und werden von den Mitarbeitern von S.O.L.I.D. unter Hilfenahme des Telemonitoring-Systems betreut.
Innerhalb der ersten Monate nach der Inbetriebnahme werden die Parameter für die Solaranlage justiert um den maximalen Energieertrag zu erhalten. Liegt nach dieser Zeit der Energieertrag in dem gewünschten Bereich, dann ist kein regelungstechnischer Eingriff bei der Anlage mehr notwendig. Der Anlagenbetrieb erfolgt dann ausschließlich durch das Telemonitoring-System, mit Ausnahme von Datenanalysen. Dies hilft Betriebskosten zu sparen und garantiert den langfristigen Energieertrag. Die Betriebsführung der Solaranlage Fernheizwerk/AEVG wurde aufgenommen und die Anlage arbeitet im geplanten Leistungsbereich.

Abbildung 3: Telemonitoring Fernheizwerk/AEVG

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Firma nahwaerme.at GmbH als Anlagenbetreiber hat die Anlage auf eigene Kosten, errichtet. Für die Planung und bauliche Umsetzung wurde die Firma S.O.L.I.D. GmbH beauftragt.
Vertragspartner der Firma nahwaerme.at GmbH für den Energieeinspeisungsvertrag ist die Firma Steirische Gas & Wärme GmbH.
Förderungen für das Projekt wurden von der Kommunalkredit Public Consulting GmbH (KPC/ Bereich Umweltförderung) und dem Land Steiermark durch das Wirtschaftsressort und das Umweltressort bewilligt.

Wirtschaftlichkeit

Die Investmentkosten für die Gesamtanlage liegen bei 2,5 Millionen Euro. Refinanziert wird die Solaranlage auf Basis eines Contractingmodells. Es wird, abzüglich von erhaltenen Förderungen, das Investment durch den laufenden Energieverkauf der Solaranlage refinanziert.
Die Umsetzung eines solchen Projektes ist nur dann möglich, wenn die erzielten Energiepreise der Solaranlage im ähnlichen Kostenbereich liegen wie die derzeitig vorliegenden Energiepreise.
Im beschriebenen Projekt wurde als Referenz der Wärmeerzeugungspreis von Gas zu Großhandelspreisen für den Sommerenergiepreis und der Abwärmepreis des Kraftwerkes Mellach für den Winterenergiepreis herangezogen.
Die Amortisationszeiten für Projekte mit solarer Fernwärmeeinspeisung liegen im Bereich von 13 bis 15 Jahren.

Abbildung 4: Übersicht über die Dachflächen der AEVG

Mit dieser Großanlage wird die erfolgreiche Strategie, Solaranlagen für die Fernwärmeeinspeisung einzusetzen, fortgesetzt. Die bisher umgesetzten Projekte haben international hohes Aufsehen erregt und die vielen positiven Rückmeldungen im In- und Ausland zeigen wiederum auch beim Projekt Fernheizwerk/AEVG, dass der Einsatz von Großanlagen die richtige Lösung für Energiebereitstellung im Sommer für Fernwärmesysteme ist.

*) Horst Striessnig ist tätig im Bereich der Projektentwicklung der Firma S.O.L.I.D. GmbH, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.solid.at
Dr. Christian Holter ist der Geschäftsführer der Firma S.O.L.I.D. GmbH [^]

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