Zeitschrift EE

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2009-02

Wassermanagement

Abbildung 1: Wahlweise Waschmaschinenanschlüsse an Trink- bzw. Regenwasser

Die Nachrüstung von innovativen Wasserkonzepten im Bestand zählt zu den wichtigsten Aufgaben in der nachhaltigen Gebäudesanierung. Ein Beispiel aus Mühlheim/Main zeigt wie die Bewohner einer Wohnhausanlage dank einer modernen Regenwasserbewirtschaftung Trinkwasser, Kanalgebühren und Waschmittel sparen können.

Nutzung und Abkopplung vom Kanal im kommunalen Wohnungsbau

Von Martin Lienhard *

Die städtische Wohnbaugesellschaft „Gemeinnützige WohnBau Mühlheim/Main“ südöstlich von Frankfurt/Main stand vor der Aufgabe, im Rahmen der fälligen Sanierung von insgesamt 8 Wohnblöcken mit ca. 450 Bewohnern eine Attraktivitätssteigerung der Liegenschaft zu realisieren.
Neben der Umgestaltung der Außenanlagen wurde dabei auch eine zeitgemäße Regenwasser-bewirtschaftung umgesetzt, die sowohl die Komponente „Nutzung“ für den Bewohner unmittelbar, als auch die Komponente „Versickerung“ mit wirtschaftlichen Vorteilen als mittelbare Folge gewährleistete.
In der Schillerstraße 62-96, haben 176 Familien nun die Möglichkeit, das Regenwasser vom Dach für die Waschmaschine zu verwenden. Sie sparen damit Trinkwassergebühren und Waschmittel sowie Niederschlagsgebühren für das Ableiten von Regenwasser im öffentlichen Kanal.
Die städtische Wohnbaugenossenschaft hat die 4-geschossigen Wohnblöcke in der Schillerstraße vor 45 Jahren erstellt. Das fortschrittlich-ökologische Denken seitens der Stadtverwaltung ist nach wie vor ausschlaggebend für eine derartige Investition.
Seit August 2006 haben die Mieter die Wahl, ihre Waschmaschine im Kellergeschoss wie früher an das Trinkwasser anzuschließen oder stattdessen das kostenlose Regenwasser aus der Zisterne zu nutzen (Abbildung 1).
Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist die Nutzung von Regenwasser für das Wäschewaschen in keiner Weise untersagt. Lediglich der Anbieter von nicht selbst genutztem Wohnraum (Vermieter) muss dem Mieter eine Wahlfreiheit für das Wäschewaschen ermöglichen. Dieser Sachverhalt ist vom Bundesgesundheitsministerium vom 04.02.2002 explizit festgehalten worden.
Die Parteien haben sich durchweg für die von der Bauherrschaft angebotene Alternative entschieden.
Zusätzlich wurde die Bewässerung der ca. 10.000 m² großen Außenanlage berücksichtigt. Diese Nutzungsart für das Regenwasser ist mit Sicherheit am weitesten verbreitet. Der Bedarf wurde anteilig den einzelnen Zisternenstandorten zugeschlagen.
Wegen der in Mühlheim umgesetzten so genannten gesplitteten Abwassergebühr wirkt sich das Abkoppeln befestigter (Dach-)Flächen vom Mischwasserkanal sofort gebührenmindernd aus.
Der Überlauf der insgesamt 18 Zisternen wird auf den Grundstücken versickert. Dadurch ist die Voraussetzung gegeben, dass die Gebäude insgesamt von der Niederschlagsgebühr befreit sind, die beim Ableiten in den Kanal in Mühlheim am Main fällig ist.
Weniger Abwassermenge, weniger Trinkwasseraufbereitung und eine geringere Abwasserbelastung durch Waschmittel sind darüber hinaus Pluspunkte für die Umwelt und steigern Akzeptanz und Attraktivität der Immobilie.

Regenwasser als Rohstoff

Die Landschaftsarchitekten Büttner/Löffler aus Berlin nutzten die Tatsache, dass nach der aktuellen Trinkwasserverordnung das Wäschewaschen mit Regenwasser grundsätzlich zulässig ist, wenn den Bewohnern die Wahl zwischen Trink- und Regenwasser gelassen wird.

Abbildung 2: Bau eines Regenwasserspeichers

Abbildung 3: Schnittzeichnung Regenwasserspeicher

Abbildung 4: Filterkorb

Die Zisternengröße wurde mit einer Computersimulation so berechnet, dass die möglichen Entnahmemengen in einem guten Verhältnis stehen zu den Erträgen durch die angeschlossenen Dachflächen. Alle 18 Regenspeicher stammen aus der Baureihe „Regenspeicher Typ Comfort mit Filterkorb“ von Mall Umweltsysteme (Abbildungen 2, 3 und 4). Das Fassungsvermögen beträgt zwischen 7 und 11 m³.
Wichtig war die Anordnung eines zuverlässigen und robusten Filtersystems, da einerseits an die Qualität des genutzten Wassers in der Waschmaschine hohe Anforderungen zu stellen sind, andererseits wegen der kompletten Kanalabkopplung sämtliches Überschusswasser in die Kunststoffrigolen der Versickerung geleitet werden und somit auch Starkregenereignisse im Filterbereich verkraftet werden müssen.
Es wurde ein Filtersystem nach DIN 1989-2, Typ A (mit großem Rückhaltevolumen) eingebaut.
Die Zisternen-Konfiguration bietet bis zu 85% Verbrauchsdeckung bei 95% Niederschlagsausnutzung.
Die hohe Niederschlagsausnutzung ist ein Indiz für die vergleichsweise kleine Sammelfläche gegenüber den Nutzungsmengen aus Waschmaschine und Bewässerung. Es würde wirtschaftlich keinen Sinn machen, eine hundertprozentige Verbrauchsdeckung anzustreben; die Mehrkosten für die dann wesentlich größere Zisterne stünde im keinem Verhältnis zu den zusätzlichen Einsparungen.

Abbildung 5: Wasserverbrauchsübersicht

Abbildung 6: Verbrauchsabdeckung und Niederschlagsausnutzung

Ebenso zeigen die Ergebnisse, dass der Anschluss weiterer Verbraucher (z.B. Toiletten) wenig sinnvoll ist.
Bei maximalem Wasserstand wird weiter zufließendes Regenwasser zur Versickerung in eine unterirdische Rigole abgeleitet. Überläufe in die Kanalisation gibt es nicht. Das ungenutzte Dachwasser trägt so zur Grundwasseranreicherung bei.

Ökonomisch planen

Abbildung 7: Druckerhöhungsanlage

Die Pumpentechnik sitzt innerhalb des Gebäudes im Keller. Insgesamt wurden 18 Kellerräume mit 6 bis 8 Waschmaschinen vorgesehen. Pro Zisterne bzw. pro Waschmaschinenkeller ist eine kompakte Druckerhöhungsanlage installiert, die auch sicherstellt, dass bei leerer Zisterne automatisch Trinkwasser nachgespeist wird, durch einen DIN gemäßen freien Auslauf.
Damit ist die strikte Trennung zwischen Trinkwassernetz und Regenwasser gewährleistet. Darüber hinaus helfen Schilder an Leitungen und Entnahmestellen eine Verwechslung zu vermeiden
Für die Toilettenspülung mit Regenwasser in allen vier Geschossen wäre eine wesentlich aufwändigere Leitungsführung erforderlich gewesen als für die Waschmaschinennutzung. Da alle Waschmaschinen im Kellergeschoss versammelt sind, ist das Verteilnetz kurz und damit preiswert.
Pro Bewohner und Tag lassen sich mit Waschmaschine laut DIN 1989-1 ca. 10 Liter Trinkwasser einsparen. Bei kalkulierten ca. 450 Einwohner ergibt sich somit ein Maximaleinsparpotential von 4.500 Liter pro Tag bzw. 1.600 m³ pro Jahr und somit ein Einsparvolumen von ca. 6.000 € pro Jahr.
Die Dosierung beim Waschmittel kann grundsätzlich im niedrigsten Härtebereich stattfinden, da das weiche Regenwasser aus Zisternen keine nennenswerten Anteile von Kalk enthält. In Mühlheim mit Wasser-Härtebereich 3 lohnt es sich. Ein weiterer Verwendungszweck für die gesammelten Niederschläge ist die Bewässerung der Außenanlagen. Pro Zisterne und Aufgang steht eine Zapfstelle an der Außenwand zur Verfügung. Damit werden zusätzlich mindestens 60 Liter Trinkwasser pro m² Geländefläche im Jahr gespart.
Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass das wirtschaftliche Einsparpotential noch wesentlich höher liegt, wenn man durchschnittliche kommunale Gebührenniveaus zu Grunde legt, d.h.

  • Gebührenhöhe pro m² versiegelte Fläche
  • Verzicht auf getrennte Schmutzwasserveranschlagung des genutzten Regenwassers für die Waschmaschine

Regenwassernutzung ist heute Stand der Technik. Die Schnittstelle zwischen Tiefbau (Zisternen und Sammelleitungen) und Sanitärtechnik (Druckerhöhungsanlage und Verteilleitungen) ist einfach und klar (Abbildung 7). Bei diesem Projekt wurde ein Komplett-System von Mall verwendet, um sicherzustellen, dass die Komponenten kompatibel sind, auch wenn sie von verschiedenen Gewerken montiert werden.
Durch eine so genannte „schwimmende Entnahme“ wird gewährleistet, dass immer die beste Wasserqualität entnommen wird, ohne Sediment vom Speicherboden und ohne Schwimmschicht von der Wasseroberfläche. Das Filtersystem muss nur einmal pro Jahr kontrolliert und gegebenenfalls gereinigt werden.

Tabelle 1: Wirtschaftliches Einsparpotential durch Regenwassernutzung

Art der Nutzung
Einsparung
Einheit
Menge / a
Gebühr Mühlheim [€/Einheit]
Nutzen / a [€]
Versiegelte Fläche
Gesplittete Gebühr (Mühlheim)
[Vergl. mit max. gesplitteter Gebühr1]
3.550
0,50
[+Δ 1,00]
1.775,-
[3.550,-]
Frischwasser Waschen
450 Bewohner)
Frischwasser Bewässerung
10.000 m² Garten)



1.600

600

1,35

1,35

2.160,-

810,-

Abwasser Garten
{Vergl.: inkl. Abwasser
Waschmaschine}
600
{1.600}
1,65
{1,65}
990,--
{2.640,-}
Summe Mühlheim aktuell
[Vergl. mit max. gesplitteter Gebühr]
{Vergl. mit max. gesplitteter Gebühr
zuzügl. versteckte Subventionen2}
     
5.735,-
[9.285,-]
11.925,-}

1) z. B. in Berlin
2) d. h. keine Schmutzwasserabgabe für genutztes Regenwasser

Ausblick

Mühlheim/Main gehört zu den Kommunen, die die gesplittete Abwassergebühr in ihrer Satzung verankert haben. Hier sind pro 10 m² versiegelter Grundstücksfläche 4,90 € pro Jahr fällig, wenn zur Ableitung der öffentliche Kanal in Anspruch genommen wird.
Bei einer Gesamtdachfläche von ca. 3.550 m² werden den Mietern folglich zusätzlich zur Trinkwassereinsparung (siehe Tabelle 1) 1.775 € pro Jahr erlassen.
Die momentane Entwicklung lässt vermuten, dass in 10 Jahren 9 von 10 Kommunen in Deutschland diese Niederschlagsgebühr haben werden, mit noch deutlich höheren Beträgen. Berlin verlangt vom Grundstückseigentümer jetzt schon 14,80 €, Bonn 15,00 € pro 10 m². Dann zahlt sich das Regenwasser sammeln tatsächlich aus und der vorhandene Zisternenanschluss wird in den Immobilienangeboten als bevorzugtes Ausstattungsmerkmal erscheinen.
Es bleibt festzuhalten:

  • Zeitgemäße Regenwasserbewirtschaftung führt zu Attraktivitätssteigerung auch im Bestand auch bei Mehrfamilienhäusern
  • Wäschewaschen mit Regenwassernutzung ist zulässig
  • Abkopplung hat hohen hydrologischen bzw. ökologischen Nutzen und schafft Planungsspielräume
  • Gesplittete Abwassergebühr schafft Gebührengerechtigkeit und entscheidende ökonomische Impulse
Projektbeteiligte
Garten- und Landschaftsarchitekten: Buettner + Loeffler, Berlin
Planung Haustechnik: BBP, Berlin
Lieferung Zisternentechnik: Mall GmbH, Donaueschingen

 

Projektdaten
Dachgrundflächen aller 4 Wohnquartiere 3.550 m²
Zisternenanzahl: 18
Waschmaschinenanzahl/Wohnungsanzahl: 176
Regenwasserertrag pro Jahr

1.879 m³

Regenwasserbedarf, Waschmaschine maximal 1.606 m³

Weitere Informationen:
Mall GmbH, Hüfinger Str. 39-45, 78166 Donaueschingen-Pfohren
Tel. 0771/80 05-162, Fax 0771/80 05-3162, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

*) Dipl.-Ing. Martin Lienhard ist Leiter der Technischen Abteilung bei Mall GmbH, Sprecher fbr-Fachgruppe Regenwasserbewirtschaftung, Mitglied im DIN-Auschusses NAW V 8 Regenwassernutzungsanlagen [^]

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