Zeitschrift EE

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2011-04

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Fassade vor der Sanierung (Quelle: E.ON)

Als Teilprojekt des öffentlich geförderten Gesamtprojektes „Quartierskonzept Energieeffizientes Rintheim“ werden in Zusammenarbeit mit der Volkswohnung Karlsruhe und Hochschule Karlsruhe an drei Bestandsgebäuden in Rintheim technische Innovationen aus den Bereichen Bauphysik, Anlagen- und Regelungstechnik in verschiedenen Kombinationen realisiert, im Betrieb erprobt und analysiert.

Evaluation von Sanierungsmaßnahmen für Wohngebäude der 50/60er Jahre

Von Tanja Osterhage, Davide Calì und Dirk Müller*

Die drei Wohnblöcke in Karlsruhe wurden in den 50er Jahren erstellt. Jeder Wohnblock besteht aus drei Gebäuden mit jeweils zehn Wohneinheiten und separaten Zugängen. Die überbaute Fläche pro Wohnblock beträgt ca. 533 m². Das beheizte Gebäudevolumen umfasst pro Wohnblock 7.212 m³ mit einer wärmeübertragenden Umfassungsfläche von 2.747 m² und führt somit zu einem A/Ve-Verhältnis von 0,48. Der erste Wohnblock dient für alle weiteren Untersuchungen als Vergleichsobjekt bzw. Basis, da hier die Standardsanierung der Volkswohnung Karlsruhe vorgesehen wurde. Die Standardsanierung sieht im Bereich der Anlagentechnik eine komplette Renovierung bzw. Erneuerung vor. Die Heizwärme wird durch das neue Fernwärmenetz bereitgestellt. In den Wohnungen sind nun Plattenheizkörper mit Thermostatventilen eingebaut. Die dezentrale Brauchwarmwassererzeugung wurde durch eine zentrale Warmwasserbereitung mit Zirkulationsleitung ersetzt. Zur Sicherstellung des notwendigen Luftwechsels ist eine Zwangslüftung in den Fensterelementen eingebaut. Für die Sanierung des zweiten und dritten Wohnblocks ist grundsätzlich jeder Block mit dem gleichen Dämmstandard ausgestattet. Unterschiede sind lediglich in den Anforderungen an die Fenster festzustellen. Die Anlagentechnik im Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Trinkwasserinstallation hingegen unterscheidet sich pro Gebäude.

Abbildung 2: Fassade nach der Sanierung (Quelle: E.ON)

Die sanierten Gebäude sind einem umfassenden Monitoring unterzogen. Die Messgrößen sind so ausgewählt, dass der Einfluss der baukonstruktiven und anlagentechnischen Komponenten auf den Energiebedarf und den Raumkomfort ermittelt werden kann. In einem einminütigen Messintervall werden unter anderem Daten zur relativen Feuchte, Innenraumtemperatur, der Raumluftqualität u.v.m. und der anlagenspezifischen Parametern gewonnen.
Die Berechnungen zur Energieeinsparverordnung EnEV und Heizlast wurden mit unterschiedlichen Programmen durchgeführt. Während die Werte für den Primärenergiebedarf vor der Sanierung noch weit über 300 kWh/(m²a) lagen, ist nach der Standardsanierung eine Reduktion um 84 % auf Werte im Bereich von 50 kWh/(m²a) feststellbar. Die Ergebnisse für den Primärenergiebedarf schwanken zwischen jedem Gebäude, da jeweils andere Anlagentechnik installiert wurde. Für die Gebäude des dritten Wohnblocks ist eine weitere Reduzierung des Primärenergiebedarfs um 50 % gegenüber der Standardsanierung feststellbar.
Energieeffiziente Lösungen können einer erhöhten Nutzung gegenüber stehen, es entsteht der sogenannte Rebound-Effekt. Dieser besagt, dass jede Wirkung Nach-Wirkungen nach sich zieht, die den ursprünglich positiven Effekt mindern kann. Durch die anlagentechnische Sanierung wurde teilweise von Einzelöfen auf ein Zentralheizungssystem umgestiegen. Das neue Heizungssystem ist effizienter, aber es sind auch alle Zimmer leichter und komfortabler zu heizen als vorher. Die Sanierung soll eine Komfortsteigerung zur Folge haben. Die einfache Bedienung der Raumheizeinrichtung führt oft zu einem Mehrverbrauch gegenüber dem unsanierten Zustand. Je schlechter der Zustand des zu sanierenden Hauses, umso höher ist der zu erwartende Rebound-Effekt. Die Standardberechnungen lassen oft die Erwartung zu hoch ausfallen, weil die energetischen Nachweise die vielen Begleitumstände nicht erfassen können. So ist die Erwartung trotz genauer und richtiger Berechnung oft deutlich höher als das erreichte Ergebnis in der Praxis.
Durch die Analyse der Messdaten konnten im Bezug zur Heizenergie unterschiedliche Nutzerverhalten festgestellt werden. Einige Wohnungen haben einen deutlich geringeren Verbrauch als der durchschnittlich berechnete Wert und zwar bis zu ca. 40% weniger. Im Gegensatz dazu stehen aber andere Wohnungen mit einem bis zu ca. 150 % höheren Verbrauch als der errechnete Bedarf. Bei der Betrachtung der Verbräuche der jeweiligen Wohnungen mit den darin gemessenen Innenraumtemperaturen, erschließt sich der hohe Verbrauch. Die Innenraumtemperaturen belaufen sich zum Teil bis auf 26°C.
Zielsetzung des Forschungsprojektes ist die Reduzierung des Verbrauchs an fossilen Energieträgern und die bestmögliche Kombination von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz zur Wärmebereitstellung und Wärmenutzung im Quartier Rintheim. Ferner sollen die gewonnen Erkenntnisse bei der Sanierung sämtlicher Gebäude der 50er und 60er Jahre als Entscheidungshilfe dienen.
Wir danken dem BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) für die finanzielle Unterstützung, Förderkennzeichen 0327400G. Besonderer Dank geht an Dr. Reinhard Jank (Volkswohnung Karlsruhe) für die Unterstützung bei der Durchführung des Projektes und Prof. Klaus Wolfrum (Hochschule Karlsruhe) für die Realisierung des Monitoringsystems.

Abbildung 3: Gegenüberstellung der einzelnen Verbräuche mit dem nach EnEV 2007 errechneten Bedarf für einen Häuserblock im Dezember 2010

*) Dipl.Ing. Tanja Osterhage und Davide Calì M.Sc. arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich der Forschung am Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik (Prof. Dr.-Ing. Dirk Müller) des E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen University. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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