Zeitschrift EE

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2011-04

Solarthermie

Abbildung 1: Teilweise im Erdreich vergrabener superisolierter Wasserspeicher mit 10 m³ Volumen links hinter einem EFH mit 55 m² Flachkollektoren. Das System ist auf 63% solare Deckung bei einem Jahresbedarf von 35.000 kWh ausgelegt.

Heutige solare Kombianlagen mit Kollektorflächen zwischen 5 und 15 m² und Speichervolumina von 0,3 bis 1 m³ erreichen solare Deckungsgrade von 10-30 % und ein Großteil des Wärmebedarfs wird weiterhin konventionell bereitgestellt. Um höhere solare Deckungsgrade zu erreichen, sind größere Speicher mit einer verbesserten Wärmeisolation notwendig. Damit kann die im Sommer erzeugte Sonnenwärme in die strahlungsärmeren Perioden übertragen werden. Vor diesem Hintergrund entwickelt das ZAE Bayern gemeinsam mit der Fa. Hummelsberger [7] einen vakuumsuperisolierten Warmwasserspeicher. Das Projekt wird vom Deutschen Bundesministerium für Umwelt gefördert (Kennzeichen 0325964A).

Superisolierter Langzeit-Warmwasserspeicher für hohe solare Deckungsgrade

Von Thomas Beikircher und Matthias Demharter *

Funktionsweise einer Vakuumsuperisolation

Vakuumsuperisolation (VSI) ist eine hocheffiziente Methode zur Wärmedämmung, die bereits seit vielen Jahren in der Kryotechnik zur Aufbewahrung flüssiger Gase (z.B. Stickstoff oder Sauerstoff) bei Temperaturen um -200°C angewandt wird. Bei diesen tiefen Temperaturen werden ultra-niedrige Wärmeleitfähigkeiten < 0,003 W/mK erzielt. Das Funktionsprinzip ist ähnlich einer Thermoskanne, wo der Zwischenraum eines doppelwandigen Behälters ins Hochvakuum (< 10-3 mbar) evakuiert und dadurch der Gaswärmetransport unterdrückt wird. Damit ist bereits eine gute Dämmwirkung verbunden, jedoch findet noch ein IR-Strahlungsverlust zwischen den Behälterwänden statt. Genau hier setzt die Vakuumsuperisolation an: Durch Einbringen eines Pulvers (Abbildung 3) wird der Strahlungsaustausch weitgehend unterbunden und auch die zusätzliche Festkörperwärmeleitung bleibt bei Einsatz von mikroporösen Materialien sehr gering. Bei Materialien mit kleinen Poren ist eine kostengünstige Evakuierung ins Feinvakuum (< 1 mbar) zur totalen Unterdrückung der Gaswärmeleitung ausreichend [1].
Am ZAE Bayern wurde das natürliche, ungiftige und preiswerte Perlit als Pulvermaterial ausgewählt und im Labor im Detail untersucht [2]. Es handelt sich um ein glasartiges Gesteinsmehl mit den Hauptbestandteilen SiO2 und Al2O3. Das Ausgangsmaterial (Rohperlit) ist vulkanischen Ursprungs, wird in einem technischen Expansionsprozess bei 800 °C gebläht und erhält so seine hochporöse Struktur mit einer mittleren Porengröße von ca. 100 µm. Die Dichte von geblähtem Perlit kann zwischen 50 und 120 kg/m³ eingestellt werden. Labormessungen zur effektiven Gesamtwärmeleitfähigkeit einer evakuierten Perlit-Isolation ergaben, dass bei Speichertemperaturen um 90 °C und bei einem Vakuumdruck von 0,01 mbar ein minimaler Wert von 0,007 W/mK erreicht werden kann. Zum Vergleich: Die Wärmeleitfähigkeit konventioneller Speicherdämmmaterialien wie PU-Hartschaum oder Mineralwolle ist in diesem Temperaturbereich mit Werten zwischen 0,03 und 0,05 W/mK um ein Vielfaches höher. Dazu kommen noch potenzielle Feuchte- und Degradationsprobleme der konventionellen Isolation, die im Vakuum nicht auftreten können.

Abbildung 2: Der solare VSI-Prototypspeicher mit 16 m³ Wasservolumen im realen Betrieb.

Abbildung 3: Allgemeines Schema eines Speichers mit einer Vakuumpulverisolation.

Der erste Prototyp

Zur Validierung der Laborexperimente wurde ein VSI-Speicherprototyp (Abbildung 2) aufgebaut. Das Volumen des Innenbehälters beträgt ca. 16 m³. Der Speicher verfügt über eine 20 cm starke Perlit-Isolation sowie über eine, für hohe solare Deckungsgrade wesentliche, Schichtladevorrichtung, mit denen das Wasser aus dem Kollektor bzw. aus dem Heizungsrücklauf entsprechend seiner Temperatur möglichst ohne Durchmischung eingeschichtet wird (Abbildung 4). Mit insgesamt 12 Temperaturfühlern wird die Wassertemperatur in verschiedenen Höhen sowie die Außentemperatur gemessen. Außerdem sind 2 Drucksensoren zur Kontrolle des Vakuumdrucks im Ringspalt (0,08 mbar) angebracht.

Abbildung 4: Schnittzeichnung des VSI-Solarspeicher-Prototypen mit Schichtenladevorrichtung.

Messergebnisse

Im Dezember 2010 wurde das Wasser im Speicher auf 88 °C aufgeheizt. Anschließend wurde die Auskühlrate über mehrere Wochen gemessen. Über den Messzeitraum nahm die Wassertemperatur um lediglich 0,23 Kelvin pro Tag ab, und dies bei einer mittleren Außentemperatur von -2 °C. Der Verlustwert UA, inklusive Anschlüsse, lag bei unter 2 W/K. Diese hervorragenden Werte zeigen die Überlegenheit einer Vakuumsuperisolation, denn bei konventionellen Speichern betragen die Abkühlraten typischerweise einige Kelvin pro Tag bei realen UA-Werten von typisch 10 W/K [3]. Über die Geometrie des Speichers lässt sich aus der Abkühlrate die effektive Wärmeleitfähigkeit der Perlitdämmung berechnen: Der ermittelte Wert von 0,009 W/m K ist in sehr guter Übereinstimmung mit theoretischen Modellen zum Wärmetransport in evakuierten Perlit-Pulverisolationen, die am ZAE Bayern entwickelt wurden.

Systemsimulationen

Zur Ermittlung des Vorteils des VSI-Speichers (20 cm Perlitdämmung) in einer realen Solaranlage wurden analog zu [1], jedoch mit der gemessenen Gesamtwärmeleitfähigkeit von 0,009 W/mK Systemsimulationen mit Polysun [4] für ein Einspeichersystem durchgeführt. Dabei wurden sowohl Ein- als auch Mehrfamilienhäuser mit unterschiedlichen Wärmedämmstandards abgebildet und der solare Deckungsgrad, also die prozentuale Einsparung konventioneller Energie, bei verschiedenen Kollektorfeldgrößen und -typen sowie Speichervolumina in Jahressimulationen berechnet [5]. Exemplarisch werden die Ergebnisse für ein EFH mit einem Heizwärmebedarf von 50 kWh/m² a in Abbildung 5 dargestellt. Dabei ist ein 4-Personen-Haushalt mit 200 Liter Warmwasserbedarf pro Tag und eine Gesamtwohnfläche von 150 m² angenommen und es wurden Flachkollektoren auf dem neuesten Stand der Technik mit einer zweiten transparenten Folienabdeckung angesetzt [8]. Der Anstellwinkel betrug 45° in Südausrichtung am Standort München.
Als Ergebnis der Untersuchungen lässt sich, wie in [1], festhalten, dass durch die Verwendung von VSI-Speichern Kollektorfläche und/oder Speichervolumen eingespart werden kann: Vergleicht man die Kurven für konventionell isolierte Speicher (10 cm PU-Dämmung) mit denen für VSI-Speicher bei gleichem Speichervolumen, so wird derselbe solare Deckungsgrad bereits bei deutlich kleinerer Kollektorfläche erreicht. Abweichend von [1] wächst dieser Effekt mit zunehmendem Speichervolumen und abnehmendem Energiebedarf. Höhere Deckungsgrade über 50% bis hin zur Volldeckung sind nur mit großen (> 5 m³), superisolierten Speichern sinnvoll, da ansonsten die Kollektorfläche zu groß, zu teuer und auf dem Dach schwer unterzubringen wäre. Im Rahmen der Simulationsrechnungen wurden auch Röhrenkollektoren untersucht. Hier zeigte sich, dass bei gleichen Bedingungen der solare Deckungsanteil gegenüber Systemen mit Flachkollektoren weiter ansteigt. Allerdings sind Röhrenkollektoren auch teurer.
Generell ist zu beachten, dass Anschlussverluste und thermische Schichtung in der Simulation nur idealisiert betrachtet werden können und die Anwendbarkeit von Simulationsprogrammen bei hohen Deckungsgraden bisher noch unzureichend experimentell validiert wurde. Dies soll u.a. in einem aktuellen Deutschen Verbundprojekt unter Leitung des ISE Freiburg näher untersucht werden [6].

Abbildung 5: Solare Jahresdeckungsgrade für ein EFH mit 50 kWh/m²a Heizwärme- sowie 20 kWh/m²a Warmwasserbedarf, abhängig von Kollektorfläche, Speichervolumen und Art der Wärmedämmung.

Ausblick

Im weiteren Verlauf des Forschungsprojekts soll der im Labor erzielte beste Wert der Wärmeleitfähigkeit (0,007 W/mK) auch in der Praxis erreicht werden. Auch die Schichtladevorrichtung soll optimiert werden. Hier wurden bereits verschiedene Messungen an einem Speichermodell im Labormaßstab abgeschlossen und verbesserte Beladesysteme entwickelt. Diese Ergebnisse sollen auf den Echtgrößen-Speicher übertragen werden, da bis heute keine zuverlässigen Schichtenlader für große Speicher existieren. Es wird auch daran gearbeitet, die Speichertemperatur durch Druckbeaufschlagung auf 150 °C zu erhöhen. Dadurch würde zum einen die Speicherkapazität vergrößert werden, zum anderen wäre auch die Zwischenspeicherung industrieller Prozesswärme möglich. Zudem wurde ein zweiter Prototyp mit 10 m³aufgebaut, der in das solare Heizungssystem eines Einfamilienhauses integriert wurde (Abbildung 1). Diese Anlage wird vom ZAE Bayern ab Winter 2011 messtechnisch überwacht. Somit kann der Einsatz des Speichers unter realen Bedingungen getestet werden. Interessant wird es auch sein, die erzielten experimentellen Resultate mit einer parallelen österreichischen Neuentwicklung [1] eines VSI-Speichers zu vergleichen.

Literatur:

  • [1] F. Altenburger, C. Fink, R. Hausner, Theoretische Untersuchungen zur Entwicklung einer Vakuumdämmung für thermische Energiespeicher, erneuerbare energie 2011-3, Seite 15-17, 2011.
  • [2] T. Beikircher, F. Buttinger M. Demharter, Super insulated long term storage, proceedings of the ISES solar world congress, Kassel, August 2011.
  • [3] R. Heimrath, Simulation, Optimierung und Vergleich solarthermischer Anlagen zur Raumwärmeversorgung von Mehrfamilienhäusern, Institut für Wärmetechnik, TU Graz, 2004.
  • [4] Polysun 5.4.11, Simulationssoftware, Vela Solaris AG, Stadthausstraße 125, CH-8400 Winterthur, 2010.
  • [5] T. Beikircher, F. Buttinger, M. Demharter, Superisolierter H2O-Langzeitwärmespeicher für hohe solare Deckungsgrade, Tagungsband zum 3. Symposium Aktiv-Solarhaus, Hochschule Regensburg, 27./28. September 2011, Seite 78 ff.
  • [6] A. Oliva et al., Solaraktivhaus: Untersuchte Gebäude mit einem solarthermischen Deckungsanteil von mehr als 50% und Monitoringkonzept, Tagungsband zum 3. Symposium Aktiv-Solarhaus, Hochschule Regensburg, 27./28. September 2011, Seite 104 ff.
  • [7] Fa. Hummelsberger, Mühldorf, Deutschland, http://www.vakuum-pufferspeicher.de/.
  • [8] BINE Projektinfo 08-10, http://www.bine.info/fileadmin/content/Publikationen/Projekt-Infos/2010/Projektinfo_08-2010/projekt_0810_internetx.pdf, 2010.Leibfried, Ulrich; Die Vision vom solaren Heizen wird Wirklichkeit, erneuerbare energie 3-2009, November 2009

*) Dr. Thomas Beikircher ist Physiker und senior scientist am ZAE Bayern und arbeitet seit 20 Jahren auf dem Gebiet thermischer Sonnenenergie. Matthias Demharter, M. Sc. ist Physiker und Mitarbeiter am ZAE Bayern und hat seine Masterarbeit über VSI-Speicher angefertigt. email-Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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