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Hohe solare Deckungsgrade durch thermisch aktivierte Bauteile

Thomas Ramschak, Christian Fink, Richard Heimrath, Werner Lerch, Thomas Mach

Thermisch aktivierte Bauteile (TABS) werden bereits seit geraumer Zeit im Gebäudebereich eingesetzt, wobei die Fußbodenheizung als oberflächennahe Aktivierung in Kombination mit Niedertemperatur-Heizsystemen in Wohngebäuden die am weitesten verbreitete Anwendung darstellt. Energetisch betrachtet haben derartige Systeme vor allem in Verbindung mit Solarthermie und Wärmepumpen den großen Vorteil, dass aufgrund der geringen Vorlauftemperaturen hohe Jahresarbeitszahlen im Wärmepumpenbetrieb bzw. hohe Wirkungsgrade im Kollektorbetrieb erreicht werden. Auch hinsichtlich des Komforts bieten geringe Vorlauftemperaturen und große, gleichmäßig im Raum verteilte Wärmeabgabeflächen einige Vorteile. Für Bürogebäude wurden die Vorteile thermisch aktivierter Bauteile ebenso erkannt, wobei die Hauptanwendung dabei meist in der Kühlung über die Decke zu finden ist.

Abbildung: Einfamilienhaus mit solarthermischer Bauteilaktivierung. Foto: AEE INTEC/Bauherr

Bei der thermischen Aktivierung von Bauteilen werden die ohnehin vorhandenen Bauteile im Gebäude (vorrangig Beton) als thermische Speicher genutzt, wodurch auch ohne groß dimensionierte Wasserspeicher eine hohe Deckung des Gebäudeenergiebedarfs mit solaren Umwandlungstechnologien erreicht werden kann.
Im Rahmen des Projektes „solSPONGEhigh - Hohe solare Deckungsgrade durch thermisch aktivierte Bauteile im urbanen Umfeld“, wird die intensive Nutzung von thermisch aktivierten Bauteilen als zusätzlicher thermischer Speicher und alleiniges und damit kostenoptimiertes Wärmeabgabesystem in verschiedenen Gebäuden unter vorrangigem Einsatz von Solartechnologien (Solarthermie bzw. PV) untersucht. Ziel ist es, durch die Aktivierung und Nutzung der bauteilimmanenten thermischen Speicher eine Deckung des Gebäudeenergiebedarfs durch regenerative Energien von nahezu 100 % zu erreichen.

Entwicklung von Energieversorgungskonzepten

Für die Deckung des Heizwärmebedarfs und des Warmwasserenergiebedarfs des Gebäudes wurden einerseits ein Referenz-Energieversorgungssystem  sowie Energieversorgungssysteme in Kombination mit solaren Umwandlungstechnologien Solarthermie (ST) und Photovoltaik (PV) erarbeitet.

 
Abbildung: Schematische Darstellung der Energieversorgungskonzepte: links: Referenzsystem, Mitte: Solarthermie-Wärmepumpen-System, rechts: Solarthermie-Wärmepumpen-System mit solarer Beladung der Bauteile

Das Referenzsystem sieht die Wärmeversorgung durch eine Luft-Wärmepumpe vor, die einen Pufferspeicher belädt. Über ein Frischwassermodul wird die Energie für die Versorgung mit Brauchwarmwasser bereitgestellt (siehe schematische Darstellung der Energieversorgungskonzepte). Die thermische Beladung der thermisch aktivierten Bauteile (Zwischendecke und Obergeschoßdecke) erfolgt konventionell über die Luftwärmepumpe ohne Pufferspeichereinbindung (Konzept LWP A, kB). Das Referenzsystem wurde in den Untersuchungen auch mit einer PV-Anlage kombiniert (Konzept LWP PV).

Das solarthermische Konzept sieht auf der Seite der Wärmebereitstellung solarthermische Kollektoren in Kombination mit einer Luft-Wärmepumpe vor. Die Warmwasserbereitung erfolgt wie beim Referenzsystem über ein Frischwassermodul, welches vom Pufferspeicher versorgt wird. Die solare Betonmassenaktivierung erfolgt hierbei über den Speicher, der solar beladen wurde,  oder über die Luftwärmepumpe (Konzept LWP ST B, kB).

Eine Erhöhung des solaren Ertrages wird durch eine Adaptierung des Hydraulik-Konzeptes und der Regelung erreicht. Die direkte Beladung der Betonmassen führt zu optimalen Betriebspunkten der solarthermischen Anlage und einer zusätzlichen Steigerung der Systemeffizienz (Konzept LWP ST C, sB). Dabei wird das Regelband um 2 Kelvin gegenüber der konventionellen Beladung erhöht, wodurch eine Reduktion des Nachheizenergiebedarfs der Wärmepumpe erreicht wird (siehe Abbildung).

Abbildung: Regelungsstrategie thermisch aktivierter Bauteile: Grenztemperaturen der Oberfläche sowie Vorlauftemperaturen sind Heizkurven-geführt. Bei aktiver solarer Beladung wird die obere Grenztemperatur der Oberfläche um 2 Kelvin erhöht.

Simulationen

Der Einsatz der thermischen Bauteilaktivierung wurde anhand von zwei Gebäudetypen (Einfamilienhaus mit 140 m² BGF, Mehrfamilienhaus mit 540 m² BGF) und jeweils zwei energetischen Standards (Niedrigenergiegebäude HWB 35 kWh/(m²BGFa) und Passivhausstandard HWB 15 kWh/(m²BGFa)) betrachtet.

Abbildung: Exemplarischer Vergleich von technischen Kennzahlen von Energieversorgungskonzepten mit 125 m² ST bzw. PV und 3,75 m³ Pufferspeicher für das MFH mit 540 m² BGF (HWB 35 kWh/(m²BGFa)). Bei gleicher ST/PV Fläche werden annähernd gleiche Einsparungen bei konventioneller Beladung sowie bei der aktiven solaren Beladung erreicht. Die Einsparungen im elektrischen Energiebedarf liegen dabei zwischen 40 % und 50 %.

In einem Gebäude mit 540 m² BGF (HWB 35 kWh/(m²BGFa)) wird durch die Kombination der Luft-Wärmepumpe mit einer 125 m² großen Solarthermieanlage ein solarer Deckungsgrad von rund 45 % erreicht. Dieser kann durch die aktive solare Beladung auf knapp 60 % erhöht werden. Dabei wird gegenüber dem Referenzsystem eine Reduktion des Strombedarfs für die Wärmepumpe von rund 50 % erreicht. Bei dieser Kollektorfläche erreicht ein System mit Luftwärmepumpe und PV annähernd die gleichen Einsparungen.

Ökonomische und Ökologische Analyse

Für alle Energiekonzepte mit thermischer Bauteilaktivierung wurden die Primärenergieeinsparungen mit unterschiedlichen ST/PV-Flächen im Vergleich zum Referenzsystem ermittelt.
Um die Konzepte auch im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit gegenüber reinen Luft-Wärmepumpen System zu bewerten, wurde der Kapitalwert mittels einer dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung ermittelt, der Nutzenergie gegenübergestellt und so die Wärmegestehungskosten (Levelized Cost of Heat - LCOH) über einen Betrachtungszeitraum von 25 Jahren berechnet.

Primärenergieeinsparungen und Wärmegestehungskosten der Energieversorgungskonzepte mit variablen ST- und PV-Flächen für das Mehrfamilienhaus (HWB 35 kWh/(m²BGFa))

Beim Mehrfamilienhaus mit dem energetischen Standard Niedrigenergiegebäude HWB 35 kWh/(m²BGFa) liegen die Wärmegestehungskosten des Referenzsystems ohne solare Umwandlungsflächen bei rund 13 €-cent/kWh. Die Wärmegestehungskosten steigen mit der installierten solaren Umwandlungsfläche kontinuierlich leicht an (siehe Abbildung). Neben den Wärmegestehungskosten ist aber gleichzeitig die eingesparte Primärenergie zu berücksichtigen und diese liegt bereits bei kleinen Flächen (25 m²) zwischen 10 % (PV) und 26 % (ST). Die Primärenergieeinsparungen können mit zunehmenden Flächen auf über 50 % erhöht werden. Bis zu einer Kollektorfläche von 125 m², was in etwa einer Vollbelegung der Dachfläche des MFHs entspricht, können mit den solarthermischen Systemen aufgrund der höheren Systemeffizienz größere Primärenergie (PE)-Einsparungen erreicht werden. Darüber hinaus sind die PE-Einsparungen annähernd gleich.

Ausblick

Sowohl die Ergebnisse aus den technischen Analysen als auch die Resultate aus den ökonomischen und ökologischen Vergleichen haben im gegenständlichen Forschungsprojekt gezeigt, dass die Kopplung von solaren Umwandlungstechnologien mit der thermischen Bauteilaktivierung ein hohes Potenzial besitzt, hohe solare Deckungsgrade zu erreichen, die Effizienz konventioneller Energieversorgungssysteme stark zu erhöhen, den Primärenergiebedarf deutlich zu senken und das bei moderaten Wärmegestehungskosten. Neben dem Geschoßwohnbau sind auch andere Gebäudetypen (Einfamilienhäuser, Nichtwohngebäude, etc.) durchaus prädestiniert für derartige Kombinationen.

Im nächsten Schritt gilt es, die Ergebnisse zu den wesentlichen Akteuren und Stakeholdern zu transferieren, damit eine bestmögliche Verbreitung und Umsetzung erreicht werden kann.

Danksagung

Das Projekt „solSPONGEhigh - Hohe solare Deckungsgrade durch thermisch aktivierte Bauteile im urbanen Umfeld“ wurde im Rahmen des Förderprogrammes - Stadt der Zukunft - des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

Forschungsteam:
AEE INTEC
TU Graz – Institut für Wärmetechnik (Koordinator)
EAM Systems GmbH
Uponor Vertriebs GmbH
energetica Industries GmbH
Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie
GASOKOL GmbH
DIEHAUSTECHNIKER Technisches Büro GmbH
OCHSNER Wärmepumpen GmbH

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. Thomas Ramschak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Prok. Ing. Christian Fink ist Leiter des Bereichs „Thermische Energietechnologien und hybride Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr.techn. Thomas Mach, Dipl.-Ing. Dr.techn. Richard Heimrath und Dipl.-Ing. Werner Lerch sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der TU-Graz.

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