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Smart Readiness Indikator – Bewertungsschema für intelligente Gebäude

Armin Knotzer

Die EU-Kommission möchte auf Basis des „Clean Energy for All Europeans“-Maßnahmenpakets von 2016 intelligente Gebäudetechnologien mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien im Energiesystem und mit Energieeffizienz verschränken. Dazu soll die Bewertung durch einen Smart Readiness Indicator (SRI) beitragen, dessen Einführung mit der letzten Änderung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) 2018 beschlossen wurde. Die EU-Kommission wird 2020 ein Bewertungsschema inklusive Definition und Methodik der Berechnung des SRI vorlegen. Ein Konsortium mit dem Flemish Institute for Technological Research NV (VITO), EnergyVille und Waide Strategic Efficiency (kurz VITO-Konsortium) arbeitet für die EU-Kommission derzeit einen Vorschlag aus. Die nationale Spezifizierung des SRI für Österreich war Inhalt einer 2019 fertiggestellten Studie. Im Austausch mit dem IEA EBC Annex 67 zu energieflexiblen Gebäuden, den zuständigen Personen der EU-Generaldirektion Energie, dem VITO-Konsortium und den nationalen Stakeholdern wurde ein Vorschlag mit eindeutiger Zielrichtung Dekarbonisierung des Gebäudebereichs ausgearbeitet.

Energieeffizient sanierte oder neu gebaute Häuser, die erneuerbare Energie selbst produzieren und verschiedene im Austausch stehende Technologien wie Speicher beinhalten, könnten in Zukunft besser bewertet werden. Foto: AEE INTEC

Grundlagen und Zielsetzungen des SRI seitens der EU

Die EU-Gebäuderichtlinie sieht in den Änderungen von 2018 [1] einen Smart Readiness Indicator (SRI) vor, der zeigen soll, wie gut ein Gebäude in Bezug auf technologische Ausrüstungsmerkmale wie intelligente Zähler oder Automationssysteme auf ein dekarbonisiertes, erneuerbares Energiesystem vorbereitet ist und dabei auch seine Gesamtenergieeffizienz verbessert.

Die Methodik des SRI soll sich auf drei Hauptmerkmale eines Gebäudes stützen [1]:

  1. Die Fähigkeit, die Gesamtenergieeffizienz und den Betrieb des Gebäudes aufrechtzuerhalten, wenn gleichzeitig der Energieverbrauch an die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen angepasst wird.
  2. Die Fähigkeit, den Betriebsmodus auf den Bedarf der BewohnerInnen abzustimmen, wobei auf Benutzerfreundlichkeit, die Aufrechterhaltung eines gesunden Raumklimas und die Fähigkeit, den Energieverbrauch aufzuzeichnen, zu achten ist.
  3. Die Flexibilität des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes, einschließlich seiner Fähigkeit, die Teilnahme an einer Laststeuerung in Bezug auf das Netz zu ermöglichen, zum Beispiel durch Flexibilitätspotenziale und Kapazitäten zur Lastverschiebung.

In sogenannten „Topical Groups“ arbeitete das VITO-Konsortium bis Februar 2020 mit verschiedenen Stakeholdern an der Fertigstellung der Berechnungsmethodik. Die Grundlage bildet ein Technologie- und Dienstleistungskatalog, der hauptsächlich auf Normen und ExpertInnenwissen basiert und bereits 2018 veröffentlicht wurde [2].

Der SRI soll laut VITO-Konsortium in drei Stufen erstellt werden können: Die 1. Stufe „Simplified online quick scan“ ist dabei eine Art Online-Selbsteinschätzung bzw. „SRI light“, die 2. Stufe „Expert SRI assessment“ wird von einer Auditorin bzw. einem Auditor durchgeführt und die 3. Stufe betrifft die Gebäudeperformance im Betrieb „In use smart building performance“. Die Bewertungsmethodik seitens der EU hat derzeit nur die Ausstattung mit Technologien und Services sowie deren Interoperabilität und Datensicherheit im Fokus, sagt aber nichts über die Performance derselben im Gebäudebetrieb aus. Daher wäre mittelfristig die Einführung eines SRI über die Bewertung von Realdaten analog der oben genannten 3. Stufe des SRI überlegenswert. Dabei müsste aber die Berechnungsmethodik des Energieausweises insgesamt überdacht, geeignete Indikatoren überlegt sowie die Integration von Realdaten ermöglicht werden.

Vorschlag zur Erstellung des SRI für Österreich

Der österreichische Vorschlag des SRI beruht auf den drei Säulen „Flexibilität und Lastverschiebung“, „energieeffizienter Betrieb inkl. Erneuerbare“ sowie „Bedarf der NutzerInnen“, angelehnt an die Vorgaben aus dem Anhang der europäischen Gebäuderichtlinie EPBD 2018 (siehe folgende Grafik).

Der österreichische Vorschlag für den Smart Readiness Indikator (SRI) beruht auf den drei Säulen Flexibilität und Lastverschiebung, energieeffizienter Betrieb inkl. Erneuerbare und Bedarf der NutzerInnen

Es wurden vier Wirkungsbereiche definiert, an denen sich Bewertung und Gewichtung der Säulen orientieren:

  • Nachhaltigkeit des Gesamtsystems (bezüglich CO2-Emissionen und Primärenergiebedarf)
  • Energieflexibilität / Netzdienlichkeit
  • Gesundheit, Wohlbefinden und Komfort
  • Information, Wartung, Fehlerwarnung, AnwenderInnenfreundlichkeit, Eingriffsmöglichkeiten

Zur Bewertung von Flexibilität und Lastverschiebungspotenzial wurden Indikatoren in Bezug auf thermische und elektrische Lasten, thermische und elektrische Speicher sowie Aktivierung von Speichermassen für unterschiedliche Energieanwendungen wie Heizung, Kühlung, Warmwasser oder Beleuchtung im Gebäude entwickelt (1. Säule). Als Alternative zur Bewertung der Netzdienlichkeit und des Speichervermögens eines Gebäudes könnten in der 1. Säule auch die von der BOKU entwickelte SRI-Berechnungs-Methode [3] oder das im Rahmen von klimaaktiv entwickelte „Speicherkriterium“ als Indikatoren herangezogen werden.

Für die Bewertung von intelligenten Ausrüstungsmerkmalen (2. Säule) wird die Methodik des VITO-Konsortiums zur Berechnung des SRI Austria übernommen. In Österreich relevante Dienstleistungen und Technologien, wie z. B. Bauteilaktivierung oder Ladestationen für Elektromobilität werden für die wesentlichen Energieanwendungen im Gebäude in drei Gewichtungsstufen bewertet. Dienstleistungen und Technologien (Services) mit hoher Lebensdauer, die nicht leicht nachgerüstet, entfernt oder verändert werden können, zum Beispiel thermische Speicher oder Bauteilaktivierung, werden am höchsten bewertet. Die Technologien und Dienstleistungen der Säule 2 weisen außerdem Funktionalitätsstufen von 0 bis max. 4 auf, wobei am Beispiel Bauteilaktivierung die Funktionalitätsstufe 0 bedeutet, dass diese Technologie keine Smartness (keine Regelbarkeit) aufweist. Funktionalitätsstufe 4 bedeutet im Zusammenhang mit Bauteilaktivierung eine lernende zentrale Regelung mit integrierter Einzelraumtemperaturrückmeldung. Die Technologien und Dienstleistungen wurden mit ihren Funktionalitäten in Anlehnung an den VITO-Servicekatalog zusammengefasst (Beispiele auf EU-Ebene finden sich dazu auf https://smartreadinessindicator.eu/1st-technical-study-outcome unter ‚Annex A - Service Catalogue‘).

Komfort ist einerseits ein Wirkungsbereich, d. h. Services der jeweiligen Energieanwendungsbereiche (Heizen/Kühlen, Warmwasser, Beleuchtung etc.) aus Säule 2 haben je nach Gebäudetyp und Klima einen hohen oder geringen Einfluss auf den thermischen Komfort. Andererseits können NutzerInnen in entsprechend ausgerüsteten Gebäuden je nach Nutzung ihres Flexibilitätspotenzials verstärkt volatile erneuerbare Energien einsetzen, bzw. CO2-intensiven Netzenergiebezug reduzieren. Durch die Wahl eines sehr breiten Raumtemperatur-Komfortbandes im Winter (19 bis 26°C) kann die Gebäudespeichermasse zum Beispiel deutlich besser zur Lastverschiebung genutzt werden als bei 21 bis 23°C. Die Energie-Flexibilität geht gegen Null, wenn die Nutzerin/der Nutzer ein enges Komfortband einstellt bzw. ein breiteres nicht einstellen kann, weil das die Regelung nicht vorsieht.

Alternativ zur Flexibilitätspotenzial-Bewertung von Komfortbändern könnte für Gebäude in Planung eine einfache Abschätzung des PPD (predicted percentage of dissatisfied) / PMV (predicted mean vote) nach ISO 7730 gemacht werden, um den Komfort rechnerisch abzuschätzen und gewichtete Grenzen zu ziehen. Für bestehende Gebäude, die seit mindestens einem Jahr in Betrieb sind, könnte der Komfort, das Raumklima, die NutzerInnenfreundlichkeit der verwendeten Energieanwendungen, Datenschutz und -sicherheit über einen standardisierten Fragebogen durch die NutzerInnen beurteilt werden, angelehnt an die Funktionalitätsstufen der Services aus der VITO-Studie zur Bewertung von Säule 2 bzw. die „klimaaktiv in der Gebäudenutzung“ – Zertifizierung [4].

Zusammenfassende Gewichtung

Sind alle drei Säulen bewertet, können sie untereinander noch gewichtet werden. Damit für ein Gebäude ein SRI-Rating im Energieausweis ausgewiesen werden kann, muss es einen guten energetischen Standard aufweisen. Dies soll sicherstellen, dass sich ein Gebäude mit höheren CO2- und PEB-Werten keine „Smart Readiness“ trotz hoher Umweltbelastung zuschreiben kann. Diese Grenzwerte sollten national abgestimmt werden, einige ExpertInnen und die EU sehen diese Begrenzung durch Rahmenwerte, die aus dem Energieausweis kommen würden, aber kritisch.

Wie der SRI in den Energieausweis integriert werden könnte, zeigt die Abbildung auf der nächsten Seite – dabei ist natürlich der Stellenwert, dem der SRI beigemessen wird, relevant: Im nationalen Vorschlag soll der SRI einen ähnlichen Stellenwert wie der Primärenergiebedarf haben, noch wichtiger sollten aber Heizwärmebedarf und CO2-Emissionen bleiben.

Fazit und Ausblick auf den SRI von Gebäuden

Hauptergebnis der Studie war eine Entscheidungsgrundlage und Unterstützung für die nationale politische Umsetzung eines SRI sowie eine mögliche Einbindung in den Prozess der Energieausweiserstellung. Auf dieser Basis arbeiten das Klimaschutzministerium (BMK) und das OIB derzeit an der nationalen Umsetzung. Die erarbeiteten Grundlagen des SRI Austria-Vorschlags zur Berechnungsmethodik sollten ebenso wie der Vorschlag, der inzwischen vom VITO-Konsortium ausgearbeitet wurde, umfassend getestet, detailliert und für verschiedene reale Gebäude berechnet werden.

Mittelfristig wäre die Einarbeitung der Ziele des SRI in die Energieausweisberechnung selbst bzw. das Hinterfragen der derzeitigen Kenndaten des Energieausweises, eine Stärkung dynamischer Verfahren, das Einbeziehen von Realdaten zur besseren Einschätzung und eine Validierung der Kennzahlen anzudenken. Auch die Öffnung des Energieausweises in Richtung Quartiere oder Gebäudeclusterebene wäre zu diskutieren, da Energieflexibilitäten in Siedlungen oder Quartieren mit der Einbeziehung von Nachbargebäuden noch effizienter genutzt werden können.

Integration des Smart Readiness-Indikators in den Energieausweis

Glossar

Aktivierung von Speichermassen:
Meint in Zusammenhang mit SRI die Verwendung von Niedertemperaturheizung/-kühlung oder Bauteilaktivierung in Gebäuden
Energieanwendungen:
Meint Energieanwendungsbereiche im Gebäude, die Energie verbrauchen wie z. B. Heizung, Warmwasserbereitung und Kühlung
Flexibilität:
Meint hier die Nutzung des Potentials eines Gebäude-Energiesystems, Lasten zu verschieben und Energie für zeitlich andere Nutzung zu speichern
Komfortband:
Bereich der operativen Temperatur im Gebäude, in dem sich bei BewohnerInnen und NutzerInnen Komfort einstellt
Lastverschiebung:
Energie(dienst)leistungen werden zeitlich im Gebäude so konsumiert, dass z. B. hohe Spitzenlasten vermieden werden
Netzdienlichkeit:
Energie(dienst)leistungen werden zeitlich im Gebäude so konsumiert, dass sie z. B. mit Zeiten hohen erneuerbaren Energieanteils im Energienetz zusammenfallen
Smart Meter:
Digitale Energieverbrauchszähler
Smart Readiness:
Die EU versteht diese „Intelligenzfähigkeit“ von Gebäuden laut EPBD rein als das Potenzial, das ein Gebäude auf Basis seiner intelligenten Energie-Ausstattung birgt
Technologien/Dienstleistungen:
Meint die den einzelnen Energieanwendungen zugeordneten, wichtigsten und potenziell intelligenzfähigen Energie-Technologien und -Dienstleistungen

Weiterführende Informationen

  1. Richtlinie (EU) 2018/844 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Richtlinie 2012/27/EU über Energieeffizienz. Am 19.06.2018 im Amtsblatt der Europäischen Union unter L 156/75 in deutscher Version veröffentlicht.
  2. Siehe https://smartreadinessindicator.eu/1st-technical-study-outcome - Final Report, abgerufen am 6.2.2020, 13:10
  3. Märzinger, T. und Österreicher, D.: Supporting the Smart Readiness Indicator — A Methodology to Integrate A Quantitative Assessment of the Load Shifting Potential of Smart Buildings. In Energies 2019, 12, 1955; doi:10.3390/en12101955. Published on 22 May 2019
  4. ÖGUT et al: Kriterienkatalog „klimaaktiv in der Gebäudenutzung“. https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeudedeklaration/gebaeude-in-der-nutzung.html (abgerufen am 30.10.2019, 8:00 Uhr
  • Projekt “SRI Austria”: https://nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/sri-austria.php
  • Amendment EU-Gebäuderichtlinie 2018: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32018L0844
  • „Smart Readiness Indicator“-Ausarbeitung für die EU/DG Energy: https://smartreadinessindicator.eu

Stadt der Zukunft“ ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technologie (ÖGUT) abgewickelt.

Autor

Dipl.-Ing. Armin Knotzer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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