Zeitschrift EE

2019-04: Wärmespeicher

Nutzung von Überschussstrom für Gebäude

Rebekka Köll, Pavol Bodis

Zur Einhaltung der gesetzten Klimaziele und zur Reduktion von CO2-Emissionen ist ein drastischer Ausbau an erneuerbaren Energien notwendig. Derzeit muss aber gerade in Zeiten von Engpässen in großem Maßstab auf fossile Energien zurückgegriffen werden, während es wiederum zu anderen Zeitpunkten zu deutlichen Überschüssen von erneuerbarem Strom aus Wind und PV kommt. Energiespeicher bieten die Möglichkeit, diese Überschüsse aus Produktionsspitzen abzufedern und sie während Zeiten mit hohem Bedarf und geringem Angebot wieder bereitzustellen.

Hybride Speicher (Strom und Wärme) sind Schlüsseltechnologien, um eine langfristige Dekarbonisierung des Energiesystems zu garantieren und die Netzbelastungen aufgrund der hohen Schwankungen durch Erneuerbare zu stabilisieren und zu flexibilisieren. Gerade die Speicherung über längere Zeiträume stellt eine besondere Herausforderung dar, die in Form von Wärmespeichern oder Powerto-Heat-Speichern (Power-to-Heat bezeichnet die Nutzung von Überschussstrom zur Erzeugung von Wärme) kostengünstiger und effizienter als durch reine Stromspeicher gemeistert werden kann. Das EU-Projekt SCORES beschäftigt sich mit der langfristigen Speicherung von Energie und entwickelt ein gesamtheitliches Speicherkonzept für ein Mehrfamilienhaus zur Erhöhung des Eigenverbrauchs erneuerbarer Energie. Kernentwicklung ist dabei ein neuartiger Power-to-Heat-Speicher.

Abbildung 1: Testaufbau des neuen Chemical Looping Combustion (CLC) -Speichers im Labor von TNO (Niederländische Organisation für angewandte Forschung). Foto: TNO, Niederlande

Wärmebatterie auf Basis der Redoxreaktionen
von Metallen

Die CLC (Chemical Looping Combustion)-Speichertechnologie (Chemical Looping Combustion ist eine (Verbrennungs-) Technologie, die die Oxidations- bzw. Reduktionsprozesse eines reaktiven Materials, in der Regel eines Metalloxids, nutzt) bietet die Möglichkeit, Überschussstrom aus einer vor Ort installierten PV-Anlage oder aus dem Stromnetz zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Form von Wärme für Raumheizung und Warmwasser zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil dieser innovativen Technologie besteht in einer 10-fach höheren Speicherdichte als bei Wasser und einer quasi verlustfreien Speicherung.

Der Reaktor besteht aus einem zylindrischen Kupferbett, wobei mittels Oxidations- und Reduktionszyklen (Ent- und Beladezyklen) Energie gespeichert bzw. wieder abgegeben wird. Während der Oxidationsreaktion strömt Umgebungsluft durch das Festbett, durch hohe Temperaturen, die durch ein Heizelement induziert werden, kommt es zu einer raschen Reaktion des Sauerstoffs aus der Luft mit dem Metall und der Speicher wird entladen. Bei der Beladung strömt Wasserstoff durch das oxidierte Festbett, Sauerstoff wird abgegeben und das Kupfer wird wieder reduziert. Der dafür notwendige Wasserstoff wird vor Ort durch einen Hydrolysator erzeugt. Die für die Wasserstofferzeugung notwendige elektrische Energie kann entweder aus dem Netz oder aus lokal erzeugtem Strom stammen. Findet der Strombezug aus dem Netz statt, kann er gleichzeitig zum Abbau von Lastspitzen („peak-shaving“) verwendet werden. Sowohl die Oxidation als auch die Reduktion des Metalls verlaufen exotherm, d. h. es wird in beiden Fällen Wärme freigesetzt. Die erzeugte Wärme wird über die Außenwand des Reaktors an ein Wärmeträgerfluid übertragen und über das Wärmeverteilsystem des Gebäudes zum Endverbraucher geliefert.

Tests mit verschiedenen Metallen

Im Zuge des Projektes wurde ein flexibler Teststand im Versuchslabor von TNO, Niederlande, aufgebaut (siehe Titelbild). Der Teststand ist so konzipiert, dass die zylindrischen Reaktoren, die sich in einem Glasbehälter befinden, leicht ausgetauscht werden können. Somit können verschiedene Metallbettkonfigurationen getestet werden. Der Zwischenraum zwischen Reaktor und Glasbehälter wird mit Wasser gefüllt. Eine Vielzahl an Temperatursensoren, die gleichmäßig über den Reaktor verteilt sind, erlauben eine genaue Auswertung der Reaktionsfront während des Versuchs. Gleichzeitig wird durch die Färbung des einströmenden Wassers die Strömungsverteilung um den Reaktor sichtbar.

Die Leistungsfähigkeit des CLC-Reaktors hängt von mehreren Bedingungen ab. Gewünscht sind eine kontrollierte Reaktionsfront, eine hohe Reaktionsrate, eine optimale Wärmeübertragung und ausreichende Zyklenfestigkeit. Zur Optimierung der Bedingungen und der Regelung werden diverse  Konfigurationen unter verschieden Randbedingungen getestet.

Die nachfolgenden Diagramme zeigen einen typischen Verlauf der Reaktionsfront anhand der gemessenen Temperaturen durch das Festbett. Die Reaktionen werden über ein Heizelement am oberen Ende des Reaktorbetts induziert und die Reaktionsfront läuft dann eigenständig und gleichmäßig nach unten. Die höchsten Temperaturen (blaue und orange Linie) werden im oberen Teil des Reaktors erreicht, wo sich das Heizelement befindet und die Reaktion gestartet wird. Bei der Oxidation werden Temperaturen von über 800 °C erreicht, während bei Reduktion im Reaktionsverlauf Temperaturen von über 700 °C erreicht werden.

Abbildung 2: Ein typischer Oxidationsverlauf / Entladung des Reaktors. Die Verteilung der Temperatursensoren von oben nach unten: blau, orange, grün, rot, violett Grafik: TNO

Abbildung 3: Ein typischer Reduktionsverlauf / Beladung des Reaktors. Grafik: TNO

Gesamtsystem

Mit Hilfe eines Mix aus kompakten, hybriden Speichertechnologien wird die Energieerzeugung, die Energiespeicherung und der Energieverbrauch (Strom und Wärme) hinsichtlich maximalen   Eigenverbrauchs und minimaler Kosten optimiert. Dabei werden neben der aktuellen  Energiemarktsituation auch zukünftige Preisszenarien in Hinblick auf den Einsatz von hybriden Speichern als Flexibilisierungsmaßnahmen zur Stabilisierung des Stromnetzes untersucht.

Neben dem bereits vorgestellten CLC-Speicher für mittel- bis langfristige Speicherung wird auch die Integration eines Pufferspeichers mit Wärmepumpen und eine Second-life-Batterie für kurzzeitig Wärmebzw. Stromspeicherung im Gesamtsystem analysiert. Für die Second-life-Batterien werden gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrobussen wiederaufbereitet und für die stationäre Anwendung in Gebäuden genutzt. Diese Batterien können deutlich kostengünstiger als neue Batterien erworben werden und verfügen noch über ausreichende Speicherkapazität und Leistung für diese Anwendung. Um das System durch ein optimales Zusammenspiel der verschiedenen Speichertechnologien möglichst effizient einzusetzen, wird eine übergeordnete Regelung für das Gesamtsystem installiert. Das Energiemanagementsystem des Gebäudes entscheidet auf Basis eines intelligenten Algorithmus, zu welchem Zeitpunkt welcher Speicher die effizienteste und kostengünstigste Speichermethode darstellt und garantiert somit einen optimalen Betrieb.

Demonstration in Gleisdorf

Das Gesamtsystem bestehend aus Langzeitspeicher (CLC-Speicher), Kurzzeitspeicher (Second-life-Batterien und Pufferspeicher) und Wärmepumpe wird in ein Demonstrationsgebäude in Gleisdorf integriert und getestet. Der Gebäudekomplex besteht aus einem Bürogebäude und Apartments. Das hybride Energiesystem wird in das bestehende Mikro-Niedertemperaturnetz des Komplexes integriert und die bestehende Anbindung an das Fernwärmenetz wird als Back-up genutzt. Geplanter Start der Demonstrationsphase ist Jänner 2020, die Demonstrationsperiode beträgt 16 Monate. Gleichzeitig wird anhand einer validierten Simulation die Performance des Gesamtsystems unter verschiedenen Bedingungen (Klima, Größe, Energiepreise, …) untersucht, um einerseits den Betrieb zu optimieren und andererseits die Leistungsfähigkeit des Systems zu prüfen.

Abbildung 4: Konzept für die Integration der hybriden Speichertechnologien in ein Gebäude Grafik: TNO

Weiterführende Informationen

http://www.scores-project.eu/

AutorInnen

Rebekka Köll, MSc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Thermische Energietechnologien und hybride Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Pavol Bodis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Systemintegration bei TNO, Niederlande.

 

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