Zeitschrift EE

2019-03: Lebenszykluskosten von Gebäuden

Energieraumplanung findet Stadt

Hermann Edtmayer, Franz Mauthner, Ingo Leusbrock, Thomas Mach, Richard Heimrath

Unsere Energiesysteme entwickeln sich so rasant wie unsere Städte. Auch der Klimaschutz muss mit Nachdruck vorangetrieben werden. Um die dafür notwendige Energieversorgung von morgen in unseren Städten und Regionen zu gestalten, muss ein Zusammenspiel aller StakeholderInnen stattfinden, die sich im Rahmen einer „Energieraumplanung“ zusammenfinden und gemeinsam an Lösungen für die technischen und organisatorischen Herausforderungen arbeiten. Das Projekt „Energy City Concepts“1befasste sich in den vergangenen Jahren mit diesem Themenkomplex und leistete wichtige Beiträge zur Einführung bzw. Weiterentwicklung der Energieraumplanung in den Städten Gleisdorf und Salzburg. Projektpartner waren AEE INTEC, Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz, SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen, Research Studios iSPACE / RSA FG, Stadtwerke Gleisdorf und Salzburg AG.

WebGIS Oberfläche zur browserbasierten Visualisierung von energierelevanten Daten. Quelle: AEE INTEC

Warum Energie in der Stadtplanung?

Durch die Unterzeichnung des Pariser Klima-Abkommens sind die Zielsetzungen aus Energiesicht auf internationaler Ebene festgelegt. Nun gilt es zu überlegen, mit welchen Maßnahmen diese Zielsetzungen auf Gemeinde- und Stadtebene bis 2050 umgesetzt werden können. Ein koordiniertes Vorgehen im Bereich der Stadt- sowie Energieplanung ist notwendig und ein wichtiges und innovatives Instrument hierfür ist die Energieraumplanung.

Wissenschaftliche Methoden kombinieren

Die Kombination von Geoinformationssystemen, räumlicher Modellierung und ausgewählten Simulationsmethoden bietet für die Energieraumplanung in Bezug auf Status quo und Zukunftsszenarien vielfache Vorteile. Mit Hilfe von GI-Systemen wurden im Projekt „Energy City Concepts“ große raumbezogene Datenmengen zu lokalen Energiebedarfen, Energiepotenzialen und Infrastrukturen erfasst, eine detaillierte Geodatenbasis erstellt und in Kombination mit raumplanerischen Informationen umfangreich analysiert2. Für detailliertere Planungen, sowohl für den Status quo als auch für Zukunftsszenarien, wurden die räumlichen Modelle mit physikalischen Modellen gekoppelt. Auf der Ebene von Gebäuden sowie Arealen wurde eine dynamische Gebäude- und Anlagensimulation zur Kopplung verwendet3. Des Weiteren wurde eine Methodik entwickelt, mit deren Hilfe auf Basis von gemessenen Energieverbräuchen zukünftige Verbräuche über Simulationen abgeschätzt werden können4. Um Entwicklungen im Wärmebedarf von Wohngebäuden für unterschiedliche Szenarien zu untersuchen, wurden Modelle aus dem Projekt TABULA und der Norm ISO EN12790 mit der erarbeiteten Geodatenbasis verknüpft5. Ein weiterer Ansatz bestand darin, über ein agentenbasiertes Simulationsmodell den Einfluss von soziodemografischen Faktoren (Bildungsstand, Alter, Einkommen, etc.) auf die Entwicklung des Wärmeversorgungssystems zu untersuchen6.

Ergebnisse sind Grundlage für die weitere Stadtplanung

Die Ergebnisse aus der räumlichen Modellierung und Simulation liegen nicht nur in reiner Zahlen- bzw. Diagrammform vor (siehe nachfolgende Abbildung), sondern auch anschaulich und intuitiv erfassbar in Form von digitalen Karten (siehe rechts). Diese Ergebnisse zeigen unter anderem

  • den Renovierungsstand der Gebäude
  • die Verteilung und Art der Heizungssysteme
  • die Art der eingesetzten Energieträger
  • den Heizwärmebedarf und den CO2-Ausstoß im betrachteten Gebiet
  • Eignungs- und Vorranggebiete für die Fernwärmeversorgung
  • Potenziale für den Ausbau und die Integration von Biomasse, Wärmepumpen, Solarthermie und PV-Anlagen, Abwärmenutzung

Ein weiteres Resultat aus dem Projekt „Energy City Concepts“ ist der angestoßene Prozess zur Energieraumplanung in den beteiligten Gemeinden. Über die Beteiligung der wichtigsten Stakeholder wie Bürgermeister, Stadtbauamt, Raumplaner und Raumplanungsausschuss, Energieversorger, etc. konnten engagierte Personen für das Thema gewonnen und weiterführende Projekte in unterschiedlichsten Bereichen angestoßen werden.

Anzahl Wärmebereitstellungssysteme nach Art des Brennstoffes; Gemeinde Gleisdorf Mai 2019. Quelle: Energieregion Weiz-Gleisdorf; Darstellung: AEE INTEC

Im aktuell laufenden Projekt „Sachbereichskonzept Energie“ wurden beispielsweise Wärmeversorgungszonen und Ausbaumöglichkeiten für das Fernwärmenetz in der Stadt Gleisdorf definiert (siehe nachfolgende Abbildung), die auch als Fernwärmevorranggebiete in die lokale Raumplanung aufgenommen wurden.

Planungsgrundlage für die zukünftige Fernwärmeversorgung in der Stadt Gleisdorf. Quelle: AEE INTEC, 2019

Auch für Salzburg-Schallmoos wurden Umsetzungsfahrpläne, für den gesamten Stadtteil, für ein Quartier und auch für ein einzelnes Bauvorhaben, erarbeitet. Die aus diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse lieferten zusammen mit anderen Projekten in Salzburg einen Input in die Wärmestrategie von Land und Stadt Salzburg und dem beteiligten Energieversorger, der Salzburg AG.

Konkrete Maßnahmenfahrpläne und Vorschläge für rechtlich verbindliche Vorgaben sollen die räumliche Energieplanung in den rechtlich verbindlichen Instrumenten der Raumplanung verankern. Parallel wurden Standards für die Erstellung von GIS-basierten Wärme- und Potentialkarten definiert, damit diese in Folge an die öffentliche Geodateninfrastruktur („Open Government Data“) und an die jeweils geeignete Verwaltungsebene (Stadt, Bundesland, Bund) andocken können.

Das Folgeprojekt „Spatial Energy Planning“ beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Entwicklung eines webbasierten Analyse- und Planungstools („HeatApp“) zur Anzeige und Auswertung von Wärmedichtekarten und wurde durch die im Projekt „Energy City Concepts“ entwickelten Webservice-Prototypen beider Städte inspiriert.

Wo geht die Reise hin?

Aus den Ergebnissen der Energieraumplanung lassen sich wichtige Erkenntnisse für die langfristige Stadtplanung ableiten, welche wiederum für Investoren und Energieversorger von Bedeutung sind. Sie können zukünftig die räumliche Eignung einer Energieversorgungsoption mit weiteren Kriterien wie Nachhaltigkeit oder Kosten kombinieren und zielgerichtet Entscheidungen für geeignete Energieversorgungssysteme, Förderinstrumente oder Flächenwidmungen treffen. Hierdurch findet das Thema Energieraumplanung mehr und mehr Gehör bei den zuständigen Entscheidungsträgern, sodass eine landes- und bundesweite Ausrollung auch politisch unterstützt wird.

Die Partner des Projekts „Energy City Concepts“ sind auch weiterhin in der Weiterentwicklung der Energieraumplanung, sowohl im Rahmen laufender Forschungsprojekte wie „Spatial Energy Planning“ als auch in der unmittelbaren Umsetzung in der örtlichen Planung und Entwicklung („Sachbereichskonzept Energie“) aktiv. Die Themen Strom, Mobilität sowie Methoden und Tools für die Siedlungs- und Quartiersentwicklung bilden weitere, zukünftige Forschungsschwerpunkte.

Eine Anerkennung der Forschungsaktivitäten des Projekts „Energy City Concepts“ war die Verleihung des ÖGUT-Umweltpreises 2018 in der Kategorie „Nachhaltige Kommune“.

AutorInnen

Dr. Hermann Edtmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Franz Mauthner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Ingo Leusbrock ist Gruppenleiter für „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Thomas Mach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Richard Heimrath ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen / Links im E-Paper

  1. Forschungsprojekt „EnergyCityConcepts - Methoden- und Konzeptentwicklung zur Implementierung nachhaltiger Energiesysteme in Städten am Beispiel von Gleisdorf und Salzburg“, Februar 2016 bis Mai 2019, Fördergeber: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) (FFG Projektnummer 850129) http://www.ecc.aee-intec.at
  2. Mauthner, F. et al., 2017: Holistic urban energy planning in spatial and temporal resolution - Workflow coupling spatial modeling with dynamic building simulation. Oral presentation. 3rd International Conference on Smart Energy Systems and 4th Generation District Heating, September 2017, Copenhagen, Denmark, http://www.4dh.eu/images/3-_Franz_Mauthner.pdf
  3. Nageler, P., Zahrer, G., Heimrath, R., Mach, T., Mauthner, F., Leusbrock, I., Schranzhofer, H., Hochenauer, C., 11/2017: Novel validated method for GIS based automated dynamic urban building energy simulations. Energy(139), 142 - 154. Elsevier Ltd., https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S036054421731335X
  4. Nageler, P., Koch, A., Mauthner, F., Leusbrock, I., Mach, T., Hochenauer, C., & Heimrath, R., 11/2018: Comparison of dynamic urban building energy models (UBEM): Sigmoid energy signature and physical modelling approach. Energy and Buildings(179), 333 - 343. Elsevier B.V. doi: https://doi.org/10.1016/j.enbuild.2018.09.034
  5. Ribas, M., 2016: Holistic urban energy planning in temporal and spatial resolution for the city of Gleisdorf. Master Thesis; Grenoble Institute of Engineering, France
  6. Stanzel, L., Scholz, J, Mauthner F., 2018: A Spatial Data Analysis Approach for Public Policy Simulation in Thermal Energy Transition Scenarios; paper and oral presentation, 2nd International Data Science Conference, 05/2019, Salzburg, Austria
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