Zeitschrift EE

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Kostenoptimale Nutzung von Bauteilaktivierung als Energiespeicher

Sebastian Zilles, David Venus

Die optimale Auslegung der Gebäudetechnik in Gebäuden mit thermoaktiven Bauteilsystemen ist für PlanerInnen derzeit unzureichend dokumentiert. Trotzdem wird Bauteilaktivierung mittlerweile häufig genutzt, um Wärme in einen Raum einzubringen bzw. aus diesem abzuführen. In der Praxis werden für die Auslegung neben der Normung auch Auslegungsmethoden auf Basis von abgesicherten Erfahrungswerten verwendet. Eine optimale Auslegung in Hinblick auf die notwendige Gebäudeheizlast, die Dimension der Anlagenkomponenten und die Berücksichtigung der dynamischen Speichereffekte der aktivierten Bauteile bedeutet für den Planer/die Planerin einen hohen Zeitaufwand und Detailwissen, das manchmal nicht vorhanden ist. Aufgrund des Fehlens einer geeigneten Simulationssoftware kann der Planer/die Planerin die Bemessung des Gebäudeheizsystems nicht anhand eines realen Klimaszenarios absichern und testen.

Das Wohnhaus mit 16,2 m² Kollektorfläche, 1000 l Pufferspeicher und 56 m³ Bauteilaktivierung erreicht einen geplanten Deckungsgrad von 75 %. Foto: AEE INTEC

Die Planungsqualität könnte durch Berücksichtigung der Nutzung zur Heizlastbemessung bei Mehrparteiengebäuden, Default-Werte zur Auslegung der thermoaktivierten Bauteile, eine vereinfachte Regelung zur Nutzung der aktivierten Bauteile als Speicher sowie das Testen der Anlagenkomponenten anhand eines repräsentativen Jahresszenarios verbessert werden.

Neues Auslegungsverfahren

Genau hier setzt die Entwicklung eines neuen Auslegungsverfahrens an, das darauf abzielt, einen mit der Planungsgenauigkeit mitwachsenden Planungsprozess zu schaffen. Heizsysteme mit Bauteilaktivierung sollen dadurch genauer ausgelegt und Anlagenkomponenten wie z. B. Wärmepumpen und Biomassekessel exakter dimensioniert werden. Im entwickelten Rechenalgorithmus bzw. dem Webservice soll außerdem eine Regelung implementiert werden, die die Nutzung eines erhöhten Energieangebots analysieren kann. Das heißt, dass damit Heizsysteme simuliert werden, die bei einem Energieüberangebot z. B. aus Windkraft oder der eigenen Solarthermieanlage den Pufferspeicher beladen können bzw. auch die aktivierten Bauteilmassen direkt heizen können. Das Ziel dieser erweiterten Gebäudetechnikregelung ist eine an das Energieangebot angepasste Energienutzung mit positiven Effekten auf die Einschaltzyklen des Zusatzheizsystems sowie die Verbesserung des Eigenverbrauchsanteils von vor Ort erzeugter erneuerbarer Energie bzw. eine Entlastung der Stromversorgungsinfrastruktur.

Letztendlich soll durch dieses neue Auslegungsverfahren, dessen Entwicklung im Forschungsprojekt „SolBau“ im Rahmen des Energieforschungsprogramms 2015 aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert wird, eine Marktverbreitung von Heizsystemen mit Bauteilaktivierung erreicht werden. Das Auslegungsverfahren soll auch Einzug in die Normung und in weiterer Folge in den Energieausweis finden.

Marktanalyse und Validierung des Algorithmus mit Hilfe von Case Studies

In einem ersten Schritt wurde eine Marktanalyse durchgeführt und (in Österreich) bereits realisierte Wohnhäuser mit Bauteilaktivierung recherchiert. Dadurch wurde ein guter Überblick in Hinblick auf unterschiedliche Integrationsansätze der Bauteilaktivierung in die Gebäudeheizsysteme gewonnen. Im Projekt wurden fünf „Case Studies“ (Referenzgebäude) ausgewählt, welche für die Validierung des Rechenalgorithmus verwendet wurden. Darüber hinaus wurden diese Gebäude herangezogen, um das optimierte Auslegungsverfahren mit den derzeit üblichen Auslegungsregeln zur Bestimmung der Gebäudeheizlast zu vergleichen.

Ein Simulationsprogramm wurde entwickelt, das bei einem bereits aus einem Vorgängerprojekt („SolCalc“) entwickelten Multizonen-Simulationsalgorithmus ansetzt und diesen erweitert, wobei die Erweiterung die direkte Beladung der Bauteile durch den Erzeuger (Wärmepumpe oder Solarkollektor), die Berücksichtigung eines günstigen Energie(über)angebots durch ein Freigabesignal des (netzseitigen) Energieversorgers sowie ein Temperaturband für die Regelung der Raum- und Speichertemperatur im Fall eines Überangebots betrifft.

Auslegungsstrategie

Die Auslegung der Anlagentechnik erfolgt in zwei Schritten, der Vorbemessung des Wärmeerzeugers durch Simulation einer kurzen Heizperiode sowie der Simulation eines ganzen Jahres mit den gewählten Komponentendimensionen.

Schema zur optimalen Auslegung der Gebäudetechnik (Auslegungsstrategie).

Durch die Simulation einer verkürzten Heizperiode mit idealisierter Regelung wird ein Heiz- bzw. Lastprofil ermittelt. Dieses Lastprofil wird dem Planer/ der Planerin in Form eines gleitenden 24-Stunden- Mittelwerts zur Verfügung gestellt, um eine erste grobe Dimensionierung der benötigten Komponenten vornehmen zu können.

Die Grobbemessung wird anschließend anhand von Soll-Temperaturkriterien getestet. Die eingegebene Regelstrategie wird dabei durch die Temperaturen bestimmt, die als Stellwerte für das Ein- und Ausschalten des Heizungs- bzw. Solarsystems dienen.

In einer Jahressimulation werden die gewählten Gebäudetechnikkomponenten mit einer festgelegten Regelstrategie zur Erzielung eines Kosten- oder Energieminimums, eines maximalen solaren Deckungsgrades, etc. ausgewertet.

Die eigentliche Planung beginnt nun in der Optimierung des Systems, d. h. dem Variieren der Dimensionen der Anlagenkomponenten bzw. dem Wiederholen der beiden Auslegungsschritte.

Erweiterter Regelungsalgorithmus

Die Aktivierung der Baumasse als zusätzlicher Puffer oder als teilweiser Ersatz des Wasserspeichervolumens kann durch eine höhere Toleranz der gewünschten Soll-Temperatur erreicht werden.

Die folgende Tabelle veranschaulicht am Beispiel eines Zwei-Parteienhauses mit einer Bruttogrundfläche von 240 m², optimierter Gebäudehülle (U_Außenwand = 0.09 W/m²K), mit Fensterlüftung und 40 m² Vakuumsolarkollektoren die Anwendung des entwickelten erweiterten Regelungsalgorithmus zur Bauteilaktivierung. Die simulierte Heizperiode beschränkte sich auf den Kernwinter von Jänner bis Februar. Das den Simulationen zugrundeliegende Gebäudetechnikschema zeigt eine Solarthermieanlage, die entweder in einen Pufferspeicher einspeist, oder die aktivierten Betondecken über einen Bypass direkt belädt.

Den Simulationen zugrundeliegendes Gebäudetechnikschema mit Heizstab und Solarthermie als Wärmeerzeuger, mit Bypass zur direkten Beladung der aktivierten Betondecken.

Die in der Tabelle dargestellte Heizenergie in kWh/m²BGF bezeichnet den Energieaufwand des Elektrostabes, der den Speicher auf einer Mindestvorlauftemperatur hält. Dieser Heizstab könnte den Speicher z. B. durch ein Überangebot an PV- oder Windenergie beladen. Man erkennt die sinkende Energiemenge der Primärheizung (Elektrostab) durch die Anwendung des erweiterten Regelalgorithmus (die Temperaturtoleranz bzw. direkte Beladung der aktivierten Betondecken).

Energieaufwand eines Speicherheizsystems in den Monaten Jänner und Februar zum Heizen eines Gebäudes (240 m²BGF, U_Außenwand = 0.09 W/m²K, 40 m² Vakuumsolarkollektoren) und des Pufferspeichers, in Abhängigkeit der Überwärmung des Gebäudes und des Wasserspeichervolumens.

In der Tabelle ist die sinkende Heizenergie bei steigender Temperaturtoleranz und bei steigendem Pufferspeichervolumen dargestellt. Am Beispiel des 500 Liter Wassersspeichers reduziert sich der relative Energieaufwand mit steigender Raumtemperaturtoleranz um bis zu 45 %. Weitere Untersuchungen mit Variation der Gebäudequalität zeigten, dass die relative Energieeinsparung steigt, je geringer der Wärmeverlust des Gebäudes ist.

Der höhere Wirkungsgrad des Sollarkollektors ist entscheidend für die Reduktion des Heizenergiebedarfs. Ein höherer Wirkungsgrad ergibt sich durch geringere Kollektorvorlauftemperaturen. Durch das Temperaturband bzw. die Temperaturtoleranz kann der Solarkollektor mit geringerer bzw. raumtemperaturnaher Vor- und Rücklauftemperatur betrieben werden. Der gesamte Pufferspeicher wird in diesem Simulationsmodell auf einer konstanten Mindesttemperatur von 35°C gehalten, wodurch sich ein notwendiges Heizenergieminimum von 5,4 kWh/m²BGF ergibt.

Ausblick

Die Erkenntnisse des Projektes werden in ein Gesamtrechenverfahren, in dem auch eine Kostenanalyse hinterlegt sein wird, zusammengeführt. Eine Schulung mit der Software ist angedacht und soll Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Normung und des Energieausweises ermöglichen.

Weiterführende Informationen

Projektbeteiligte

ALLPLAN Gesellschaft m.b.H: DDI Dr. Simon Handler, Julian Bitrol BSc

AEE Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ-Wien (AEE NOW): Ing. Andreas Reiter

AEE INTEC: DI David Venus, DI Dr. Karl Höfler

TU WIEN Forschungsbereich Bauphysik und Schallschutz: Prof. Dr. Thomas Bednar, DDI Dr. Matthias Gladt, DI Sebastian Zilles, Alexander David MSc

Autoren

Dipl.-Ing. Sebastian Zilles arbeitet als Projektassistent am Institut für Hochbau und Technologie der TU Wien (Forschungsbereich für Bauphysik und Schallschutz) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. David Venus ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page