Zeitschrift EE

nt 01 | 2023 Datengesteuerte Intelligente Gebäude

Das Internet der Dinge für die Energiewende

Die wachsende Verfügbarkeit energierelevanter Daten birgt ein großes Potential. Neue digitale Dienstleistungen (Digital Energy Services) ermöglichen bestehende Energiesysteme intelligenter – das heißt ökonomischer, ökologischer und auch stabiler - zu betreiben.

Der Campus Inffeldgasse der Technischen Universität Graz dient als Experimentierfeld, in dem die TU Graz intelligente Energiesysteme der Zukunft erforscht und erprobt. Foto: Markus Kaiser / TU Graz

Das Internet of Things (IoT) ist das Rückgrat dieser intelligenten Dienstleistungen. Im IoT werden einzelne Entitäten (z. B. Sensoren, Aktuatoren oder andere Geräte) zu einem komplexen, interagierenden Netzwerk verbunden. Zwischen den Entitäten können Daten ausgetauscht, Aktionen ausgelöst, Daten gespeichert oder Prozesse analysiert und optimiert werden. Die einzelnen Entitäten im IoT operieren auf Basis verschiedenster Datenmodelle und bedienen sich unterschiedlicher Netzwerkprotokolle. Die Datenübertragung zwischen den Geräten, bezeichnet als „Machine-to-machine Communication“, ist deshalb eine zentrale Herausforderung in der Implementierung derartiger Systeme. Die Standardisierung der Übertragungstechnologie würde Erleichterung bringen, schreitet aber sehr langsam voran. Die Vielfalt der Steckdosen in unterschiedlichen Ländern oder inkompatible Ladekabel für elektronische Geräte verdeutlichen diesen Umstand.

Als Alternative zur direkten Kommunikation zwischen Geräten beginnen sich zunehmend IoT-Middleware-Plattformen zur Lösung von Standardisierungs- und Kommunikationsproblemen zu etablieren.

IoT-Middleware Plattformen

IoT-Middleware Plattformen bündeln einerseits die Informationsströme und fungieren als Übersetzer zwischen den einzelnen physikalischen Geräten, Sensoren und Aktuatoren. Anderseits sind sie aber auch in der Lage komplexere, benutzerorientierte digitale Services zur Verfügung zu stellen. So können Prozessvisualisierungen, Vorhersage-Services (Forecasting/Prediction Services), prädiktive Regelungen, automatische Fehlererkennung und umfangreiche Analysefunktionen implementiert werden.

Im Rahmen einer kürzlich publizierten Studie[1] haben wir Anwendungsmöglichkeiten, funktionale und nicht-funktionale Anforderungen, sowie aktuelle Herausforderungen im Bereich von IoT-Middleware für intelligente Energiesysteme untersucht. Neben der Bedeutung von technischen Standards wie Kommunikationsprotokollen (HTTP, MQTT, LoRaWAN) zeigt sich, dass semantische Standards und im Besonderen formale Ontologien (Ontologien definieren semantisches Wissen (wo ist das Gerät; welche Einheit hat es; ...) über Objekte (Temperatursensor, Kühlgerät, ...) und deren Beziehungen) zur Darstellung der Daten und ihrer Beziehungen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und dem Einsatz von IoT-Middleware spielen.

Ontologien sind entscheidend, um die Funktionalitäten im IoT so zu beschreiben, dass sie sowohl von Menschen verstanden als auch von Maschinen verarbeitet werden können. Das Ziel liegt darin die einzelnen Entitäten, unabhängig von deren Funktionen und Anwendungsdomänen, semantisch zueinander in Beziehung setzen zu können.

In unserer Studie wurden Expert*innen zur Bedeutung von Ontologien befragt. Obwohl über 70 Prozent der Expert*innen die Bedeutung von einheitlichen Ontologien als sehr hoch einschätzen, werden diese nur in rund 10 Prozent der aktuellen IoT-Systeme in der Praxis eingesetzt.

Weltweit gibt es bereits verschiedene Initiativen zur Entwicklung von Ontologien für intelligente Systeme: SAREF, BRICK, oder das Project Haystack sind prominente Beispiele. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vermeidung sogenannter Lock-In-Effekte (Vendor Locks), bei denen es für Anwender*innen schwierig ist, den Anbieter zu wechseln. Obwohl es über 60 Prozent der von uns befragten Expert*innen für sehr wichtig halten Vendor Locks zu vermeiden, sind nur 30 Prozent der Befragten bereit ihre Datenmodelle und Ontologien für andere Anwender*innen zur Verfügung zu stellen. Dieser Umstand zeigt, wie wichtig es ist, den Entwickler*innen und Anwender*innen von IoT-Software die kommerziellen und nicht-kommerziellen Vorteile von offenen Lösungen nahezubringen.

Trotz der vielen Einsatzmöglichkeiten für IoT-Infrastruktur, wie Regelungsoptimierung, Demand-SideManagement oder der automatischen Erkennung von Fehlern, werden IoT-Middleware-Plattformen zur Zeit hauptsächlich zur Visualisierung von Energieverbrauch und Energieproduktion, zur Systemüberwachung und zur Darstellung der Energieeffizienz eingesetzt.

Inframonitor am Innovation District Inffeld der TU Graz

In Abstimmung mit dem Projekt Klimaneutrale TU Graz 2030[2] wird der Campus Inffeldgasse in den kommenden Jahren zum Innovation District Inffeld weiterentwickelt. Das Initialprojekt UserGRIDs[3], ist der erste Schritt in Richtung eines Living Labs, in dem die TU Graz intelligente Energiesysteme der Zukunft erforscht und erprobt.

Das Rückgrat dieses Living Labs ist die IoT-Plattform Inframonitor. Diese ermöglicht die Kommunikation zwischen physikalischen Geräten, Sensoren und Aktuatoren, in verschiedenen Gebäuden und bietet den Gebäudetechniker*innen intelligente Services, die automatisch Wasserverbrauch, Energieproduktion aus Photovoltaik, sowie den Energieverbrauch der Gebäude und Versuchsanlagen analysieren, aufzeichnen und visualisieren. Zudem sind aktuell Funktionen zur automatisierten Fehlererkennung und Regelungsoptimierung in Entwicklung bzw. Erprobung.

Abbildung 1 zeigt einen Überblick über den Inframonitor am Beispiel intelligenter Wasser- und Stromzähler. Messwerte (energy meter, water meter) werden an einen MQTT-Broker übermittelt und in einer Datenbank (influxDB) gespeichert. Die automatisierte Diagnose der Abweichung zwischen Messdaten und prognostizierten Daten erzeugt im Bedarfsfall ein Warnsignal (system status /alerting). Eine detaillierte Beschreibung der umfangreichen Funktionen und Details zur Systemarchitektur können in [4] nachgelesen werden.

Abbildung 1: Architektur des Inframonitors

Abbildung 2 zeigt die Visualisierung der Stromproduktion durch drei Photovoltaikanlagen am Innovation District Inffeld, sowie deren Diagnosezustand. Dieser wird aus dem Vergleich zwischen Messwerten und Prognosewerten eines Machine-Learning sowie eines physikalischen Modells abgeleitet.

Abbildung 2: Visualisierung der PV-Ertragsdiagnose

Im Rahmen des Projekts „Data-Driven Smart Buildings“ (IEA EBC Task 81) diskutieren wir mit Kolleg*innen in aller Welt über Erfahrungen, Möglichkeiten und Grenzen von IoT-Anwendungen im Bereich intelligenter Gebäude. In der Forschung beschäftigen wir uns aktuell mit Security- und Privacy-Aspekten, sowie Methoden zur automatischen Erstellung von Ontologien. Im Bereich der Energy-Services forschen wir an der Integration von physikalischem Wissen in Anwendungen der künstlichen Intelligenz, damit diese zukünftig robuster und vertrauenswürdiger werden.

Autor*innen

Dipl.-Ing. Thomas Schranz ist PhD-Student am Institut für Softwaretechnologie, Intelligent Systems Group, der Technischen Universität Graz.

Dr. Thomas Mach arbeitet am Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz und forscht im Bereich Gebäude sowie District Heating and Cooling.

Priv.-Doz. Dr. PhD Gerald Schweiger leitet die Intelligent Systems Group am Institut für Softwaretechnologie der Technischen Universität Graz.

Weiterführende Informationen

[1] Alfalouji, Schranz, Schweiger et al., IoT Middleware Platforms for Smart Energy Systems: An Empirical Expert Survey, Journal: MDPI Buildings, February 2022

[2] Projekt Klimaneutrale TU Graz 2030, https://www.tugraz.at/en/tu-graz/university/climate-neutral-tu-graz/climate-neutral-tu-graz/

[3] User-Centered Smart Control and Planning of Sustainable Microgrids (UserGRIDs), Vorzeigeregion-Energie, gefördert durch den Klimaund Energiefonds 2021-2024,

[4] Schranz, Alflouji, Hirsch, Schweiger, An Open IoT Platform: Lessons Learned from a District Energy System, 2022 Second International Conference on Sustainable Mobility Applications, Renewables and Technology (SMART)

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