Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Renewable Gasfield

Herstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff

Die ökonomischen, ökologischen und sozialen Konsequenzen des Klimawandels sind seit Jahren nicht mehr von der Hand zu weisen. Die Umstellung auf erneuerbare Energieträger führt jedoch zu einer zeitlichen und räumlichen Entkopplung von Angebot und Nachfrage, weshalb unser bestehendes Energiesystem um kurz-, mittel- und langfristige Energiespeicherung erweitert werden muss.[1] Eine Schlüsseltechnologie dafür stellt die Umwandlung von elektrischer Energie in chemisch gebundene Energie in Power-to-Gas (PtG) Anlagen dar.

In diesem Zusammenhang ist die Energie Steiermark aktuell in mehreren Forschungsprojekten tätig. Im Rahmen der Vorzeigeregion WIVA P&G setzt Energie Steiermark als Leader des Subprojekts „Renewable Gasfield“ den gesamtheitlichen Power-to-Gas-Ansatz von der Wasserstoffproduktion aus Elektrolyse mittels Stroms aus lokalen erneuerbaren Energiequellen bis hin zu einer flexibel steuerbaren Methanisierungs-Anlage um. Das vielseitige Anlagenkonzept beinhaltet die Speicherung, Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff sowie die Produktion von synthetischem Methan. Wesentliche Anlagenkomponenten sind eine 850 kW-Photovoltaik-Anlage, ein 1 MW-Elektrolyseur und eine Methanisierungsanlage.

Ziel des Projekts ist es, mit grünem Strom aus einer lokalen Photovoltaikanlage und zertifiziertem grünem Strom in dem 1 MWel-Elektrolyseur grünen Wasserstoff zu erzeugen. Dieser wird gasförmig mit Trailern bei 300 bar an die Abnehmer in der Region aus den Sektoren Gewerbe, Industrie und Mobilität transportiert. Zusätzlich wird der Wasserstoff vor Ort zur Produktion von synthetischem Methan (SNG) genutzt. Die SNG-Produktion erfolgt mittels Methanisierung unter Nutzung von CO2-haltigem Biogas aus einer angrenzenden bestehenden Biogasanlage. Das SNG wird nach der Aufbereitung vor Ort ins lokale Erdgasnetz eingespeist [3]. Das Projekt befindet sich gerade im der Umsetzungsphase. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für Ende 2022 geplant. Das Investitionsvolumen beträgt 10,5 Mio. Euro, die erzeugte Wasserstoffmenge 300 000 kg/Jahr. Diese Menge entspricht 37 Mio. mit einem Wasserstoffauto oder 3,8 Mio. mit einem Wasserstoffbus gefahrenen Kilometern. 37 Mio. Kilometer entsprechen etwa der Jahreskilometeranzahl von 2500 PKW. Ab 2023 besteht die Möglichkeit, die Anlage zu besichtigen.

Anlagendimensionierungstools

Um trotz der hohen Variantenvielfalt und den stark unterschiedlichen Anforderungen an PtX-Anlagen eine effiziente Anlagenauslegung und -optimierung zu ermöglichen, sind unterstützende Methoden und Werkzeuge notwendig. Dazu sind sowohl vereinfachte Anlagendimensionierungstools für die ersten Grobauslegungen als auch detaillierte thermodynamische sowie ökonomische Modelle nötig. Diese Programme wurden vom Projektpartner HyCentA entwickelt und werden von der Energie Steiermark genutzt. Um den Anlagenbetrieb möglichst realitätsnah abzubilden und verschiedene Szenarien miteinander anhand technischer und ökonomischer Kennzahlen bewerten zu können, werden Daten wie Strompreiskurven, Lastprofile, Abnahmeprofile, Wirkungsgradkennlinien und Kostenfunktionen der einzelnen Anlagenkomponenten hinterlegt [3].

Die Grobauslegung der Anlage erfolgt mittels des in der nachfolgenden Abbildung schematisch dargestellten „Excel-Estimators“.

Schematische Darstellung der Funktionsweise des Excel-Estimators (MD … Mitteldruck, ND … Niederdruck) [3]

Das Tool liefert Informationen zu den Investitionskosten der Komponenten, Druckverläufen und Regenerationsdauern der Speicher, Speichermassen und -drücken, notwendigen Förderleistungen der Verdichter sowie zu den Befüllzeiten der Trailer für den Wasserstofftransport. Mit Hilfe dieser Daten kann die Energie Steiermark Betankungspläne erstellen und die maximale Anzahl der Trailerbefüllungen pro Woche ermitteln.

Für die Detailauslegung sowie die weiteren Untersuchungen von verschiedenen Betriebsstrategien ist es zielführend, auf das detailliertere Anlagensimulationstool „Hydra – Hydrogen Infrastructure Simulation and Optimization Tool“ zurückzugreifen.

Basierend auf Matlab-Simulink® ermöglicht Hydra eine technische und ökonomische Bewertung sowie Optimierung von Wasserstoffanlagen. Eine detaillierte Modellbibliothek ermöglicht eine einfache Anpassung der Anlagentopologie an unterschiedlichste Anforderungen [4,5].

Ergebnisse

Zur Erhebung der Abnahmeprofile wurde zu Projektstart eine Analyse der potenziellen H2-Abnehmer durchgeführt. Der Fokus der Energie Steiermark liegt auf der regionalen Verwertung des erzeugten Wasserstoffs, weshalb nur Abnehmer im Umkreis von ca. 80 km um den Anlagenstandort analysiert und kontaktiert wurden.

Abnehmer

Die oben dargestellten Abnahmemengen sind das Ergebnis von Lieferverträgen bzw. Annahmen von Abgabemengen aus den Erkenntnissen des Projekts. Zusätzlich dazu werden von Seiten des Betreibers folgende weitere Anforderungen an die Anlage festgelegt:

  • Eine Elektrolyse-Leistung von 1 MW und eine Wasserstoffproduktionsrate unter Volllast von 210 Nm³/h.
  • Unter der Woche muss die Befüllung von mindestens einem leeren Trailer pro 24 Stunden möglich sein.
  • Die maximale Befüllzeit eines Trailers ist mit sechs Stunden anzusetzen.

Basierend auf diesen Randbedingungen werden die Massen- und Energiebilanzen auf Subsystemebene der Elektrolyse, Methanisierung, Speicher, Verdichter und Trailer berechnet. Für die Berechnung der druckabhängigen Massenströme zwischen den Komponenten sind Verdichterkennfelder und Druckverlustmodelle hinterlegt. Die Befüllung der Trailer kann auf mehrere Arten erfolgen. Im Konzept A erfolgt die Befüllung nur über den Verdichter, welcher Wasserstoff aus den Niederdruckspeichern (NDSpeicher) bezieht. In Konzept B erfolgt die Befüllung der Trailer mittels Kombination von Überströmen aus den Mitteldruckspeichern (MD-Speicher), getrieben durch die Druckdifferenz. Bei Erreichen des Druckausgleichs wird der Trailer mit dem Verdichter bis zum maximalen Druck von 300 bar weiter befüllt. Eine Befüllung durch ausschließliches Überströmen aus dem Mitteldruckspeicher wird aufgrund des höheren Platzbedarfes nicht betrachtet. Aufgrund der deutlich niedrigeren Speicherkapazität und der niedrigeren Verdichterleistung des Konzeptes B wurde dieses als die kostengünstigere Option zur Umsetzung ausgewählt. Eine 3D- Darstellung mit allen wichtigen Komponenten der geplanten Anlage ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

3D-Ansicht des geplanten Anlagen-Konzepts. Quelle: Energie Steiermark Technik GmbH

Die Anlage der Energie Steiermark besteht aus einer Photovoltaikanlage mit einer Modulfläche von rund 6.000 m² und einer maximalen elektrischen Leistung von 850 kW. Die Einspeisung der elektrischen Energie aus der PV-Anlage und dem Stromnetz sowie die Regelung der Netzspannung erfolgt über mehrere Transformatoren. Die Wasserstofferzeugung erfolgt über 1 MW-Proton-Exchange-Membrane (PEM) Elektrolyseure mit einer nominellen Wasserstofferzeugungsrate von 210 Nm³/h (19 kg/h). Der Wasserstoffausgangsdruck beträgt 30 bar, die Sauerstoffabgabe erfolgt atmosphärisch. Die Genehmigung der Anlage erfolgt auf Basis des zukünftig geplanten Vollausbaus des Standortes, weshalb in der Abbildung zwei Elektrolyseure in Containerbauweise dargestellt sind. Im Umfang des Forschungsprojektes ist die Realisierung eines Elektrolyseurs geplant, wobei die Erweiterung bereits konkret geplant ist. Den Elektrolyseuren nachgeschalten ist ein 30 bar Niederdruckspeicher mit ca. 100 kg H2 Fassungsvermögen. Dieser dient als Puffer zwischen dem Verdichter und dem Elektrolyseur, sowie zur Versorgung der Methanisierung. Über den Verdichter wird der Wasserstoff von 30 bar auf 500 bar verdichtet und im Mitteldruckspeicher bei 500 bar gespeichert. Das Fassungsvermögen des MD-Speichers entspricht 360 kg H2. Auch hier sind zwei Verdichter-Container vorgesehen, wobei der Zweite erst nach der Anschaffung des zweiten Elektrolyseurs errichtet wird. Die Befüllung der Trailer erfolgt auf der Trailerabfüllanlage. Es werden vier Stellplätze mit 2 Befüllanschlüssen, die über einen 300 bar Befüllschrank versorgt werden, realisiert. Die Befüllung der Trailer erfolgt als Kombination aus Überströmen aus dem MD-Speicher und Boostern mittels Verdichter aus dem MD-Speicher und NDSpeicher. Die Einspeisung in das Erdgasnetz erfolgt in der „Übergabestelle Erdgasnetz“. Im Container „Standortsteuerung“ befindet sich die Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (EMSR) der gesamten Anlage. Die Energie Steiermark errichtet hier auch ein Informationsgebäude für Infoveranstaltungen am Standort.

Umfang des Forschungsprojektes Renewable Gasfield [2]

Projektpartner

Energie Steiermark Technik GmbH (Konsortialführung), HyCentA Research GmbH, Energieinstitut an der JKU Linz, Energie Agentur Steiermark GmbH, Energienetze Steiermark GmbH, Montanuniversität Leoben, WIVA P&G - Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas, Abteilung 15 - Energie, Wohnbau, Technik der Steiermärkische Landesregierung

Autor*innen

Markus Sartory, Nejc Klopčič, Karl-Heinz Kopp, Alexander Trattner, HyCentA Research GmbH, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.hycenta.at

Klaus Neumann, Energie Steiermark Technik GmbH, www.e-steiermark.com

Stefan Fink, Energienetze Steiermark GmbH, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Literatur

[1] Klell M, Eichlseder H, Trattner A. Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik: Erzeugung, Speicherung, Anwendung. 4th ed. Wiesbaden, Heidelberg: Springer Vieweg; 2018.

[2] Energie Steiermark. Grünes Gas aus grünem Strom

[3] Kopp Karl-Heinz, Klopcic Nejc, Radner Fabian, Markus Sartory Markus, Trattner Alexander, Neumann Klaus. Renewable Gasfield – Konzeptionierung einer PtG Anlage basierend auf Verbrauchsszenarien für die regionale Wasserstoffversorgung von mobilitäts- und Industrieanwendungen im Rahmen von Renewable Gasfield. In: Energy for future - Wege zur Klimaneutralität: 17. Symposium Energieinnovation 16.-18. Februar 2020, TU Graz, Österreich. Graz: Verlag der Technischen Universität Graz; 2020.

[4] Sartory Markus, Staggl Bernhard, Radner Fabian, Kopp Karl-Heinz, Trattner Alexander, Neumann Klaus. Optimierung der Anlagenkonfiguration und Betriebsstrategie einer Wasserstoffproduktionsanlage im Rahmen von Renewable Gasfield. In: Energy for future - Wege zur Klimaneutralität: 16. Symposium Energieinnovation 12.-14. Februar 2020, TU Graz, Österreich. Graz: Verlag der Technischen Universität Graz; 2020.

[5] Radner F. Entwicklung und Optimierung von Betriebsstrategien für Wasserstoffproduktionsanlagen im Power-to-X Verbund [Masterarbeit]. Graz: Technischen Universität Graz; 2020.

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