Zeitschrift EE

 nt 01 | 2022 Flexibilisierung industrieller Energiesysteme

Abwärmenutzung und Power-to-Heat in Fernwärmenetzen - Eine Fallstudie aus Schweden

Der Kampf gegen den Klimawandel erfordert eine signifikante Reduzierung der CO2-Emissionen. In und um Städte werden 75 Prozent der weltweiten CO2- Emissionen in die Atmosphäre freigesetzt. Somit ist es von großer Bedeutung, hier konkrete Umsetzungen zu erreichen. Rund 80 Prozent des Wärmebedarfs in Stockholm wird durch Fernwärme gedeckt. Das Netz basiert auf der etablierten Technologie der 3. Generation, mit Vorlauftemperaturen zwischen 70 °C und 110 °C (High Temperature District Heating - HTDH). Netze mit niedrigeren Temperaturen (Low Temperature District Heating - LTDH) ermöglichen die Integration von Abwärme auf unterschiedlichen Temperaturniveaus. Das Potenzial von Abwärmenutzung zur Verbesserung der Umweltauswirkungen eines LTDH-Teilnetzes wurde in Vorstudien aufgezeigt, wobei die erreichbare CO2- Reduktion in der Größenordnung von 10 Prozent lag. Dieses ermutigende Ergebnis zeigt eine Richtung für weitere Maßnahmen auf.

Foto: unsplash.com

Integration der Abwärme eines Supermarkts

Die vorliegende Studie untersucht die Nutzung der Abwärme einer lokalen Quelle (Supermarkt), um den CO2-Fußabdruck der Fernwärmeerzeugung insgesamt zu reduzieren. In einem Supermarkt ist das Kühlsystem bzw. dessen Rückkühlung die relevante Quelle für ein Fernwärmenetz. Dabei wird überschüssige Wärme abzüglich des internen Wärmebedarfs, die von den Kältemaschinen erzeugt wird, in das Fernwärmenetz eingespeist. Der Supermarkt trägt dazu bei, den Einsatz von umweltschädlichen und teuren zentralen Heizkesseln des lokalen Netzes zu verringern. Gleichzeitig kann das Unternehmen dank der Ressource Abwärme, die sonst ungenutzt emittiert würde, ein zusätzliches Einkommen generieren.

Von hoher Relevanz sind außerdem die Synergien, die ein integriertes Erdwärmespeichersystem zusammen mit dem CO2-Kältesystem des Supermarkts dem Unternehmen bieten kann. Dieser Speichertechnologietyp weist eine höhere Flexibilität bei unterschiedlichen Wärmebedarfstemperaturen und eine größere Heizkapazität als herkömmliche Speicher auf. Der Erdwärmespeicher schafft eine Reservekapazität und ist so dimensioniert, dass er im Sommer eine Kühlung des Supermarkts ermöglicht.

Die interne Wärmelast des Supermarkts ist auch im Winter relativ gering. Dadurch kann das Fernwärmenetz die anfallenden Abwärmekapazitäten zu einem Großteil nutzen, womit wiederum positive wirtschaftliche Effekte für den Supermarkt erzielt werden können. Diese Lösung erfordert jedoch einen zusätzlichen Strombedarf, insbesondere im Zusammenhang mit der Wärmeentnahme aus dem geothermischen Speicher. Dieser Anwendungsfall eignet sich gut für eine Power-to-Heat-Strategie. Das dahinterstehende Konzept besagt, dass der Stromverbrauch in Zeiten verlagert werden sollte, in denen der Anteil der erneuerbaren Energien im Versorgungsmix hoch ist. Umgekehrt sollte der Stromverbrauch minimiert werden, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist.

Vergleich dreier Szenarien

Die Studie behandelt drei Hauptszenarien. Ziel ist es, aus techno-ökonomischer und ökologischer Sicht mögliche Synergien zwischen dem Fernwärmenetz und dem Kältesystem in Kombination mit dem geothermischen Speicher des Unternehmens zu vergleichen. Der Zusammenschluss dieser beiden Systeme ist nicht auf die überschüssige Abwärmenutzung des Supermarkts beschränkt. Vielmehr bietet die Kombination der CO2-Kältetechnik mit einem Erdwärmespeicher die Möglichkeit, zusätzliche Wärme an das Fernwärmesystem zu liefern. Im Sommer kann das Erdreich als Wärmesenke genutzt werden, um die Kühlleistung des Supermarkts zu erhöhen, was zu Einsparungen bei der Kühlung führt. Im Winter kann diese Wärme entnommen und genutzt werden. Die Szenarien in dieser Studie beziehen sich auf ein neues Stadtgebiet, das in das bestehende städtische Versorgungsnetz integriert werden soll. Abbildung 1(a) zeigt das Konzept der Basiskonfiguration (SC1_Bas). Dieses entspricht einer Erweiterung des HochtemperaturNetzes der Stadt. Die Gebäude mit mehreren Wohnungen werden als Gebäudeblöcke (BBs) gruppiert, basierend auf ihrem gemeinsamen Anschluss an eine Fernwärme-Unterstation. Der Technologiemix für die Wärmeversorgung besteht aus Kraft-WärmeKopplungsanlagen (CHP), Großwärmepumpen (LSHP) und Heizkesseln (Leichtöl auf Basis von Biomasse, Pflanzenöl und fossilem Öl). Der Supermarkt ist in diesem Szenario vom Netz getrennt.

In Szenario 2 (SC2) wird als alternative Option für die Heizungsinfrastruktur des Fernwärmenetzes ein Teilnetz mit Wärmepumpen vorgeschlagen. Wie in Abbildung 1(b) dargestellt, wird der Supermarkt an das Teilnetz angeschlossen. Die Intention ist die Versorgung mit rückgewonnener Wärme, wann immer sie verfügbar ist. Der interne Wärmebedarf des Supermarkts wird vollständig selbst gedeckt. Wie in Abbildung 1(c) und (d) dargestellt, sind im Vergleich zu SC2 in Szenario 3 (SC3) zusätzlich zum Erdwärmespeicher des Supermarkts zwei thermische Energiespeicher-Einheiten integriert. Dabei handelt es sich um geschichtete Warmwasserspeicher: ein großer thermischer Energiespeicher (lsTES) und ein kleiner thermischer Energiespeicher (ssTES). Ersterer ist in den zentralen Fernwärmeversorgungsmix integriert. Der zweite ist mit dem Supermarkt gekoppelt. Das spezifische Ziel dieses Szenarios ist die Untersuchung des Potenzials zur Verringerung der Umweltauswirkungen durch die Steuerung des Stromverbrauchs nach dem Power-to-Heat-Konzept.

Abbildung 1: Konzeptionelle Auslegung der Infrastruktur für 3 Szenarien (Basisszenario Szenario 1 (a) , Szenario 2 mit der Wärmerückgewinnung des Kühlsystems und Nutzung überschüssiger Abwärme des Supermarkts (b) und Szenario 3 mit zusätzlicher Integration von thermischen Energiespeichern, die beladen (c) und entladen (d) werden)

Um die Szenarien über einen relevanten Zeitraum zu vergleichen und die Basis für eine Optimierung zu schaffen, war es notwendig, das System in einem Simulationstool abzubilden. Für die einzelnen Komponenten wurden digitale Modelle entwickelt und validiert und in einer Systemsimulation kombiniert. Fokus war die Untersuchung unterschiedlicher Regelungsstrategien für diesen Bezirk. Für das erste Szenario (SC1_Bas) wird der Supermarkt als eigenständiges System betrachtet, das den internen Kühl- und Wärmebedarf über das CO2-Kältesystem deckt. Für das zweite Szenario werden zwei Regelungsstrategien betrachtet (SC2-SM_opt und SC2-SM_max). Der Hauptunterschied zwischen SC2-SM_opt und SC2-SM_max besteht in der Steuerung der Gaskühlerleistung und der Wärmeentnahmeleistung aus dem Erdwärmespeicher. Hinsichtlich der Power-to-Heat-Regelung wurden zwei Optionen in Betracht gezogen (SC3-SPdriven und SC3-CO2driven). Das Steuersignal zur Aktivierung von Power-to-Heat basiert auf den Spotmarktpreisen für Strom oder auf den CO2-Emissionen des Strommix. In beiden Fällen wird ein Triggerwert gewählt, der dem Jahresdurchschnitt der stündlichen Werte von 2018 entspricht (458 SEK/MWh bzw. 41 g/kWh).

Abbildung 2: Jährliche CO2-Emissionen der untersuchten Szenarien

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Aus der Gesamtperspektive des Bezirks zeigt sich, dass die Wärmerückgewinnung aus dem Supermarkt den jährlichen Verbrauch an fossilen Brennstoffen im Heizkraftwerk um bis zu 88 Prozent im Vergleich zum Ausgangswert reduziert. Dies ermöglicht einen Rückgang der CO2-Emissionen um etwa 10 Prozent, wie in Abbildung 2 dargestellt. Der Einsatz einer Power-toHeat-Steuerung führt zu einem Anstieg des jährlichen Verbrauchs an fossilen Brennstoffen im lokalen Fernwärmesystem im Vergleich zur Basisvariante.

Wenn die Strompreise als Signal verwendet werden (SPdriven), steigen die CO2-Emissionen um etwa 5,3 Prozent. Dies ist in erster Linie auf eine höhere Belastung des Fernwärmenetzes zurückzuführen, wenn der Supermarkt keinen Strom nutzt, wenn dieser teuer ist. Diese Situation tritt während der Spitzenlastzeiten auf, in denen die Verfügbarkeit von Wärmerückgewinnung und thermischer Energiespeicherung gering ist. Wenn die CO2-Emissionen als Signale verwendet werden, können die gesamten CO2-Emissionen aufgrund eines geringeren Verbrauchs von umweltschädlichem Strom um etwa 9,4 Prozent gesenkt werden. Dies deutet darauf hin, dass mehr sauberer Strom zur Verfügung steht, als durch die Strompreise angezeigt wird. Dieses wichtige Ergebnis bedeutet, dass auf CO2- Emissionen basierende Steuersignale im Vergleich zu Strompreisen eine bessere Lösung darstellen können. Darüber hinaus zeigt die techno-ökonomsiche Analyse, dass die Auswirkungen auf die Kosten der Wärmeerzeugung (LCOH) bei der Umsetzung von Power-to-Heat im Vergleich zum Basisszenario vernachlässigbar sind (±1%). Dieses Ergebnis zeigt den Nutzen der Integration des Betriebs des Supermarkts auf Quartiersebene, indem der Zugang zu den Spotmarktpreisen freigeschaltet wird. Dies spiegelt sich auch in der Perspektive des Unternehmens wider. Es zeigt sich, dass die Szenarien ohne Power-to-Heat wesentlich teurer sind. Wie in Abbildung 3 dargestellt, sinken die Kosten im Vergleich zu den Werten ohne Power-to-Heat um bis zu 32 Prozent (OPEX), wenn der Supermarkt Zugang zu den Spotmarktpreisen für Strom erhält. Eine potenzielle Geschäftsmöglichkeit ist daher, den Supermarkt als dezentrales Asset in das Fernwärmesystem zu integrieren.

Abbildung 3: Betriebsausgaben (OPEX – operational expenditures) für den Supermarkt. In Szenario 1 und 2 beziehen sich die Balken links und rechts auf Strompreise für Private bzw. Marktpreise.

Autor*innen

Monica Arnaudo, PhD ist als Data Scientist bei Danfoss tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Monika Topel Capriles, PhD, arbeitet als Wisschaftlerin am Royal Institute of Technology in Stockholm (KTH). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page