Zeitschrift EE

 erneuerbare energie: 2.2021

Was zu Veränderung führt

Es ist schon erstaunlich: die vom Menschen verursachten Krisen kommen überall auf der Welt im Leben der Bürgerinnen und Bürger an, ihre Folgen sind sichtbar, die Szenarien dramatisch – und was passiert? Die Menschheit steckt den Kopf in den Sand. Während im Großen längst klar ist, dass gravierende Veränderungen auf uns zukommen, fällt es im Kleinen unglaublich schwer, diese Veränderungen in den Alltag zu übernehmen …

Redaktion: Diethold Schaar

Vom Schulbuch bis zur Spitzenforschung sind sich alle einig: Der Mensch verursacht eine nie dagewesene Zerstörung. Artensterben, Übersäuerung der Meere, Überdüngung der Böden und die Veränderung des Klimas. Diese ökologischen Krisen bedrohen alle Lebensbereiche. Sie machen die Zukunft so ungewiss wie schon lange nicht mehr. Wenn wir so weitermachen, wartet keine bessere Welt auf unsere Kinder. Es wartet noch nicht einmal eine gute Welt auf sie. Wenn wir nämlich nichts ändern, dann ändert sich alles“, schreibt die Klimaaktivistin und Vertreterin des Klimavolksbegehrens Katharina Rogenhofer in ihrem soeben erschienen Buch mit dem Titel „Ändert sich nichts, ändert sich alles!“.

Wir sind in der paradoxen Situation, dass wir immer genauer wissen, was schiefläuft und welche Fehler wir machen; das führt aber nicht automatisch zu einem nachhaltigeren Verhalten.

Hans Holzinger, pädagogischer Leiter der Robert­Jungk­Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, hat zu dem Thema im vergangenen Jahr ein Arbeitspapier mit dem Titel „Wann lernen Gesellschaften“ herausgegeben. Die Corona­Krise hat gezeigt, dass gesellschaftliche Ressourcen mobilisiert und Einschränkungen umgesetzt werden können, um Bedrohungen zu begegnen. Immer öfter wird daher die Frage gestellt, warum das in Bezug auf Umwelt­ und Klimagefahren nicht auch funktioniert. Dieser Artikel ist in großen Teilen eine Zusammenfassung dieser Arbeit, ergänzt um aktuelle Beiträge zum Thema.

Hans Holzinger, pädagogischer Leiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Foto: Fellinger

Wir Menschen in den modernen westlichen Gesellschaften wachsen mit einem Konsumverhalten auf, das höchst problematisch ist. Die uns umgebende Warenwelt besteht nicht nur aus Dingen, die wir brauchen, die nützlich sind und uns den Lebensalltag erleichtern. Wir werden viel stärker geprägt durch die Erlebnisse und Glücksversprechen, die mit unserem Konsum einhergehen, und entwickeln keine Beziehung mehr zu unserer Welt, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst.

„Die Menschen der früheren Agrar­ und Handwerksgesellschaften waren nicht umweltbewusster als wir, aber sie verfügten nicht über die technologischen Möglichkeiten, die Umwelt derart zu zerstören, wie dies heute der Fall ist“, schreibt Holzinger in seinem Arbeitspapier. „Die industrielle Produktionsweise ermöglicht in immer kürzerer Zeit mit immer weniger menschlicher Arbeitskraft immer mehr Güter zu produzieren. Die weitere Automatisierung durch Roboter und Künstliche Intelligenz beschleunigt diesen Prozess noch mehr.“ Das Konsumverhalten und die Produktion von Wegwerfgütern ergänzen einander und führen auf direktem Weg zu einer vielfachen Übernutzung der Ressourcen unserer Erde.

Dabei verhalten wir uns nicht viel anders als kleine Kinder. Einen großen Teil dessen, was wir tun, schauen wir von anderen ab. Kleinkinder lernen am besten, wenn sie andere beobachten und nachahmen. Erwachsene sind nicht viel anders, auch sie unterliegen einem starken Nachahmungsoder Gruppendruck. Wenn andere ein größeres Auto oder ein Haus im Grünen haben, wollen wir es auch. Wenn andere sich Fernreisen oder einen Wochenendtrip zum Shoppen gönnen, wollen wir das auch. Dieses miteinander Vergleichen und der Anspruch, dass wir immer mehr haben wollen, je mehr wir haben, tragen dazu bei, dass das Aussteigen aus dem Steigerungskarussell schwerfällt. Der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger spricht in diesem Zusammenhang von den „Tretmühlen des Glücks“.

Genauso von Bedeutung sind einmal eingeübte Routinen, von denen wir uns nicht leicht verabschieden. Da wir in unserem immer komplexer werdenden Leben eine Vielzahl an Entscheidungen treffen müssen, sind wir auf Routinen angewiesen.

JBZ Arbeitspapiere 49
Hans Holzinger Wann lernen Gesellschaften?

Gelingensfaktoren und Barrieren für gesellschaftlichen Wandel im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung Robert Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen, 2020

Die Arbeitsschwerpunkte von Mag. Hans Holzinger sind Nachhaltiges Wirtschaften, Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung, neue Wohlstandsmodelle, Transformationsprozesse. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und pädagogischer Leiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, Moderator von Zukunftswerkstätten, Mitherausgeber des Magazins „ProZukunft“ und Autor mehrerer Bücher. Zuletzt erschienen: „Wie wirtschaften? Ein kritisches Glossar (2018), „Von nichts zuviel – für alle genug“ (2016)

Download unter www.jungk-bibliothek.org

Bei jeder Handlung neu entscheiden zu müssen, würde uns heillos überfordern. Wobei in diesem Befund auch ein positiver Aspekt versteckt ist: Routinen müssen erst einmal gelernt werden, was folglich auch für das Einüben ökologischen Verhaltens genutzt werden könnte. Würde die Politik Rahmenbedingungen gestalten, damit wir das Richtige tun, ließen sich auch neue Routinen erlernen.

Wenn wir trotz besseren Wissens im alten Fahrwasser bleiben, dann liegt das auch daran, dass sich das Lustprinzip gegen das Verantwortungsprinzip durchgesetzt hat. Wir sind zwar für Klimaschutz, aber wenn der Urlaub naht, dann siegt doch der Wunsch nach der Fernreise. Wenn es regnet, lässt man das Fahrrad doch lieber zu Hause, es steht ja auch das Auto vor der Tür. Ich kaufe ohnedies „bio“ und fahre ein E-­Auto, warum soll ich dann auch noch auf das Fliegen verzichten?

Neben den Routinen führen auch Fehleinschätzungen zu falschen Maßnahmen. Wir glauben mit „Duschen statt in der Badewanne baden“ zum Wassersparen beizutragen. Dabei wird übersehen, dass der höchste Wasserverbrauch in den Kleidern steckt, die wir kaufen: Für die Produktion eines Baumwoll­T­Shirts werden bis zu 15.000 Liter Wasser verbraucht.

Die Deutsche Bundesumweltagentur hat 2019 in einer Studie die Fehlwahrnehmungen in Bezug auf die Wirksamkeit von Klimamaßnahmen erhoben. Mit 22 Prozent gaben die meisten der Befragten an, dass „keine Plastiksackerl zu verwenden“ am meisten zum Klimaschutz beiträgt. In der Realität bringt diese Maßnahme so gut wie keine CO-Einsparungen. Überschätzt wurde auch das Verwenden des Standby-­Modus bei Geräten. Immerhin 18 Prozent gaben „einmal weniger fliegen“ an, was in der Tat wirksam ist (0,68 Tonnen CO-Einsparung) und 16 Prozent votierten für „moderne Heizung und Wärmedämmung einbauen“, was mit 0,77 Tonnen Einsparung ebenfalls relevant ist.

„Regionales und saisonales Essen kaufen (15 Prozent Zustimmung, aber nur 0,05 Tonnen CO2-­Einsparung) wurde gegen­ über „kein Fleisch mehr essen“ (10 Prozent Zustimmung, dafür aber 0,45 Tonnen CO2-­Einsparung) stark überschätzt. 14 Prozent nannten „treibstoffsparend Autofahren“ als wirksamste Maßnahme, was jedoch im Durchschnitt nur 0,34 Tonnen CO2-­Einsparung bringt. Autofrei leben wurde leider nicht abgefragt.

Sachkundiges Wissen ist wichtig, aber keine hinreichende Bedingung für Verhaltensänderung. Das Wissen über die Zusammenhänge steigt und dennoch gelingt die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit nur begrenzt. Die Ausrede, wir hätten es nicht gewusst, zieht immer weniger. Vielmehr verweist die Komplexitätsfalle heute auf die Verdrängungsleistung, die wir tagtäglich vollbringen (müssen). Wie sollen wir den Tag gut verbringen, wenn dieser bereits mit Nachrichten über Hitzewellen, Stürme, Hochwasser, abgeholzte Regenwälder, verloren gegangene Arten und zerstörte Böden beginnt. Diese Verdrängungsleistung vollbringen wir auch tagtäglich gegenüber den Hungernden, den in Kriegen Umkommenden, den im Mittelmeer Ertrinkenden – eine Ethik gegenüber den Fernsten ist eben schwerer aufrechtzuerhalten als die Ethik und Empathie gegenüber den Nächsten.

Wenn Wissen und Werte miteinander kollidieren, sind diese Konflikte für uns schwer aufzulösen. Wer gerne Fernreisen macht, aber weiß, dass dies dem Klima schadet, kommt in einen inneren Konflikt, genauso wie jemand, der gerne und viel Fleisch isst, im Wissen, dass dies wenig nachhaltig ist.

Entscheidend sind die Reaktionen auf solche inneren Konflikte: Sie können durch Nichtwahrnehmung oder Leugnen von Informationen vermieden werden, ebenso durch selektive Informationsaufnahme sowie durch Vermeidung von Situationen oder Personen, die mich darauf hinweisen könnten. Eine weitere Reaktion wäre in der Tat die Veränderung des Verhaltens, was jedoch nicht immer gelingt.

Wer ständig mit negativen Kriseninformationen überschüttet wird, kann darauf auch in der Form reagieren, dass er „zumacht“, sozusagen in den Verdrängungs­-Modus schaltet. Eine spezielle Form der Verdrängung beschrieb der Philosoph Thomas Mohrs mit dem YOLO-­Argument, das für „You only live once“ steht: wenn alles den Bach runter geht, dann wollen wir wenigstens jetzt noch gut leben.

Den wichtigsten Punkt sieht Hans Holzinger in seinem Arbeitspapier in dem, was er als „Gemeinwohlfalle“ bezeichnet: Warum soll ich mich ökologisch verhalten, wenn es der Nachbar nicht tut? Wenn alle anderen fliegen und das Flugzeug sowieso fliegt, warum soll ich darauf verzichten? Auf einer überindividuellen Ebene: Was soll das kleine Österreich schon ausrichten? Die größte Bedrohung kommt ohnehin von den Chinesen, weil die so viele sind.

Aus einer systemischen Sicht ist dem Einwand, dass mein Verhalten allein nichts bzw. zu wenig bewirkt, durchaus recht zu geben. In Summe zählt nicht das Verhalten Einzelner, sondern das Verhalten aller. Wenn sich alle ein Stück weit nachhaltiger verhalten, verbessert das die Nachhaltigkeitsbilanz bedeutend mehr als durch einige 100­Prozent­Ökos.

Der renommierte Journalist und Autor Wolfgang Uchatius schrieb 2019 in der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT über den „Mythos vom Verzicht“ unter dem provokanten Titel: „Ich habe kein schlechtes Gewissen mehr“. In dem Beitrag versuchte er Antworten darauf zu geben „warum es in Ordnung ist, Auto zu fahren, in den Urlaub zu fliegen, Fleisch zu essen – und trotzdem für Klimaschutz einzutreten“.

Im Kern argumentierte er, dass wir aufhören sollten, die CO2-­Emissionen der einzelnen Menschen zu messen und diese zu einer Reduzierung ihres CO2-­Fußabdrucks anzuhalten. Viel wirksamer sei es, uns für neue Regeln, die für alle gelten, einzusetzen. Es brauche ein neues Verständnis von Freiheit und einen anderen Zugang zu Verboten. „Die Befreiung der Sklaven verringerte die Freiheit ihrer Herren. Genau wie später die Arbeits­ und Sozialgesetze die Freiheit der Unternehmen verringerte.“ Alle diese Gesetze hätten die Freiheit der Menschen, andere auszubeuten, eingegrenzt. Nun geht es darum die Ausbeutung der Erde zu reduzieren. Auch das werde kaum möglich sein, ohne die Freiheit des Menschen ein wenig zu mindern: „Der Klimawandel mag auch ein privates Problem sein, aber er ist vor allem ein politisches. Auch die Natur braucht Sozialgesetze“, so der Autor. 71 Prozent der Deutschen, so zitiert Uchatius eine Umfrage, halten die Erderwärmung für das größte Weltproblem. Wie ernst sie das nehmen, hänge weniger von der Bereitschaft ab, freiwillig auf Flüge oder Autofahrten zu verzichten, sondern davon, ob sie bereit sind, dieses Verhalten einschränkende Gesetze „zu akzeptieren oder sie sogar einzufordern“.

In den österreichischen Medien taucht seit kurzer Zeit immer öfter ein Verein auf, der auf den ersten Blick für Erstaunen sorgt: „CEOs for Future – Verein zur Förderung der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“. Galten die Lobbyisten der Wirtschaft bisher vor allem als Bremser im System, scheinen immer mehr von ihnen jetzt ganz ordentlich aufs Gas steigen zu wollen. „Die Kosten für Klimaschäden je Tonne CO2 seien bekannt“, wird der ehemalige Verbund­-Chef Wolfgang Anzengruber in einer Reaktion auf die im Oktober 2021 angekündigte ökosoziale Steuerreform zitiert. Und weiter. „Sie liegen für die heutige Generation bei 220 Euro, für die kommenden Generationen bei 600 bis 700 Euro.“ Der Politik attestierte er in diesem Zusammenhang, die Probleme zu wenig energisch anzugehen.

Auf der Homepage des Vereins heißt es weiter: „Wir haben die Verantwortung den Krisen unserer Zeit mutig und entschlossen zu begegnen – im Großen wie im Kleinen. Schließlich geben wir heute mit unserem (Nicht­)Handeln die Richtung vor, in welcher Welt wir und zukünftige Generationen leben werden und auf welcher Basis wir den Wohlstand von morgen erwirtschaften können. Wir müssen die Klimakrise und das Vergeuden von Rohstoffen und Naturschätzen in den Griff bekommen, sonst haben wir jährliche Schäden in zwei­ bis dreistelliger Milliarden­Höhe. Wir schaffen die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft nur gemeinsam mit der Jugend.“

Ganz ähnlich argumentiert Hans Holzinger im Arbeitspapier „Wann lernen Gesellschaften“. Appelle an die Freiwilligkeit bzw. den Verzicht Einzelner werden nicht reichen, es wird auch neue Regeln für alle brauchen, die von der Politik geschaffen werden müssen. Er plädiert für ein fünfstufiges Modell von ökologischem Verhalten, das vom Wissen über das Sollen und Wollen hin zum Können und Müssen reicht.

Wichtig ist zunächst Wissen, d. h. informiert zu sein über die Folgen des eigenen Handelns sowie über alternative Handlungsmöglichkeiten. Dazu kommt das Sollen, also die Werte, die in einer Gesellschaft wichtig sind: Gebote, Normen, Ideale, Zukunftsbilder, Erzählungen vom guten Leben, das was als erstrebenswert gilt. Die dritte Stufe betrifft das Wollen als intrinsische Motivation. Man könnte auch sagen, das verinnerlichte Wertesystem. Ich tue etwas nicht, weil andere dies verlangen, sondern weil es mir selbst wichtig ist. Als vierte Bedingung für Verhaltensänderung gilt das Können – und zwar im doppelten Sinn: als Fähigkeit bzw. Kompetenz, sich nachhaltig zu verhalten, aber auch im Sinne von Rahmenbedingungen, die das gewünschte Verhalten ermöglichen.

Wissen, Sollen und Wollen haben stark mit Bildung, Kultur und Werte bildenden Instanzen (Medien, Schulen, Universitäten) zu tun. Das Können führt ins Feld der Politik, der Gestaltung von Anreizsystemen und Gelegenheitsstrukturen. Ebenfalls diesem zuzuordnen ist schließlich die fünfte Stufe: das Müssen, also gesetzliche Verpflichtungen.

Vielleicht ist auch alles viel einfacher und gar nicht so kompliziert, wie es jetzt noch erscheint. Der französische Schriftsteller und Politiker Victor Hugo (1802– 1885) hat schon zu seiner Zeit formuliert: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“.

Ewald Selvicka

Mitgründer und Geschäftsführer AEE INTEC

Foto: AEE INTEC

Du gehörst zu den Menschen, die mit ihrem Einsatz für erneuerbare Energie in Österreich einen substanziellen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung geleistet haben. Wie sieht Deine Bilanz nach fast vier Jahrzehnten aktiven Gestaltens aus?

Ist der Wunsch zur Veränderung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise in Deinem Umfeld heute ausgeprägter als am Beginn Deiner Tätigkeit oder weniger ausgeprägt?

Ich denke, da hat sich wenig geändert. Schon vor 30 Jahren gab es Menschen, die auf Grund Ihres religiösen (z. B. Katholische Jugend) oder politischen Hintergrundes (Friedensbewegung, Anti-Atominitiativen) die Überzeugung hatten, dass nur gegen etwas zu sein zu wenig ist, und damit die Bio-Bewegung in der Landwirtschaft oder eben die Energieinitiativen mit den Biomasse-Heizwerken und der Solaranlagen-Selbstbau-Initiative gestartet und unterstützt haben. Jetzt ist es ein Teil der Jugend, die im Konsumismus keine Zukunft sieht und nach Alternativen sucht und diese in der von der Lebensmittelindustrie gepuschten „Vegan-Bewegung“ oder eben bei Fridays for Future findet.

Was führt(e) aus Deiner Beobachtung bei den Menschen, die Du kennst, zu nachhaltigen Veränderungen?

Teilweise sehe ich bei Menschen, die schon alles haben, dass sie sich fragen, wo kann es noch eine Steigerung geben, und dabei erkennen, dass das auch nicht glücklicher macht.

Was blockiert(e) Veränderungen?

Unsere Bequemlichkeit und Unwissenheit. Viele Menschen wollen sich nicht informieren und verdrängen alle Themen, die eine Veränderung ihres Handelns erfordern würden. Und „nachhaltiges Handeln“ ist noch immer teurer.

Was fehlt Dir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch?

Umweltzerstörung muss einen richtig hohen Preis bekommen, und es braucht eine Informationskampagne, damit niemand mehr behaupten kann, dass er über die Auswirkungen seiner Handlungen nicht Bescheid weiß.

Gab es Fehler in den vergangenen Jahrzehnten, aus denen wir lernen sollten?

Die Überhöhung der Bestrebungen „sich selbst zu verwirklichen“ haben konsumorientierten Individualismus gefördert. Slogans wie „Geiz ist geil“ oder „Ich hab’ nichts zu verschenken“ haben solidarisches Handeln zur Ausnahme und nicht zur Selbstverständlichkeit gemacht.

Was treibt Dich an?

Eine soziale Erziehung, die Mitgefühl für benachteiligte Menschen und den Schutz der Natur fördert.

Doris Hammermüller

Obfrau AEE NOW (Niederösterreich-Wien)

Foto: AEE NOW

Ist der Wunsch zur Veränderung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise in Deinem Umfeld heute ausgeprägter als am Beginn Deiner Tätigkeit oder weniger ausgeprägt?

Etwas mehr.

Woran kannst Du das festmachen?

Die Erkenntnis, dass eine Veränderung nötig ist, ist stärker geworden. Es ist wie eine zweite Welle, die die letzten 15 Jahre eher schwach war und jetzt wieder Fahrt aufnimmt.

Was führt(e) aus Deiner Beobachtung bei den Menschen, die Du kennst, zu nachhaltigen Veränderungen?

Fast ausschließlich reale machbare Möglichkeiten, etwas zu verändern (z. B. durch E-Auto, PV-Anlage … ). Im Bereich Ernährung vermischt sich die Vorstellung von Gesundheit mit dem Öko-Gedanken. Und natürlich sind auch Förderungen ein Anreiz.

Was blockiert(e) Veränderungen?

Zu komplizierte Lösungen – eine Gastherme austauschen ist für viele schon eine (zu?) große Hürde.

Was fehlt Dir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch?

Die Grundwerte unserer Gesellschaft gehören geändert: Fairness und Respekt vor Menschen und Natur als oberste Prinzipien, die Wirtschaft dient ALLEN Menschen, ohne dabei die Natur zu zerstören.

Welche Themen siehst Du, um noch notwendige Verhaltensänderungen bei relevanten Personen in Deinem Umfeld/bei relevanten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen?

  • Tiefere Einsicht in den dramatischen Zustand der Zerstörung unseres Planeten
  • Von Seiten der Politik wirklich tiefgreifende Strukturveränderungen, die es den Menschen leichter machen richtig zu handeln. Zum Beispiel:
    • Das normale Lebensmittel ist bio, auf das Tierwohl wird geachtet. Alles andere wird hoch besteuert und erhält einen riesigen roten Punkt auf der Verpackung.
    • Die Förderpolitik in der Landwirtschaft muss grundlegend verändert werden, es gibt nur mehr Geld für naturnahe Produktionen.
    • Die CO2-Steuer ist so hoch, dass alle anderen Energieträger billiger sind.

usw.

Gab es Fehler in den vergangenen Jahrzehnten, aus denen wir lernen sollten?

  • Keine „Behübschungen“ mehr, wie zum Beispiel tausend „Positivsiegel“ die unübersichtlich und teilweise unglaubwürdig sind.
  • Massive Besteuerung aller schädlichen Handlungen.
  • Auch das E-Auto ist so ein Kompromiss, zuerst müssen die Öffis super ausgebaut

werden, dann können Leute zum Verzicht aufs Auto gelenkt werden.

Was treibt Dich an?

Die Vision einer gerechten ökologischen Gesellschaft.

Christoph Brunner | Christian Fink

Geschäftsführer AEE INTEC

Foto: AEE INTEC

Foto: AEE INTEC

Ist der Wunsch zur Veränderung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise in Eurem Umfeld heute ausgeprägter als am Beginn Eurer Tätigkeit oder weniger ausgeprägt?

Es hat sich definitiv geändert, dass sich viel mehr Menschen in unserem Umfeld mit dem Thema auseinandersetzen und unterschiedliche Zugänge finden. Vor 20 Jahren ist man meistens mit seiner Meinung in Kreisen, die sich nicht beruflich mit dem Thema „Nachhaltigkeit und erneuerbarer Energie“ beschäftigt haben, noch alleine dagestanden. Dieses Bewusstsein hat sich stark verändert. Leider hat dieses stärkere Bewusstsein noch nicht voll durchgeschlagen und zu den notwendigen Aktivitäten sowie Veränderungen in den Lebensgewohnheiten geführt.

Woran könnt Ihr das festmachen?

Das im engeren Umfeld zumindest darüber nachgedacht und diskutiert wird, wie man seine Mobilitätsgewohnheiten verändern kann oder ob man seine alte Öl- bzw. Gasheizung doch durch eine erneuerbare Energieversorgung ersetzen soll. Im beruflichen Umfeld merkt man zum Beispiel bei der produzierenden Industrie und bei Fernwärmeanbietern, dass Maßnahmen zur Dekarbonisierung konkret entwickelt werden und über einen Umsetzungsfahrplan nachgedacht wird. Eine 100 % Versorgung mit erneuerbarer Energie ist nicht mehr nur eine Vision, sondern in vielen Fällen werden konkrete Maßnahmen in diese Richtung verfolgt.

Was führt(e) aus Eurer Beobachtung bei den Menschen, die Ihr kennt, zu nachhaltigen Veränderungen?

Es ist sehr gut erkennbar, dass meist die eigenen Kinder eine Veränderung im Denken bewirken. Junge Leute haben oft auch einen direkteren oder sogar radikaleren Zugang zur Veränderung. Dies gepaart mit den Erfahrungen der älteren Generation führt oft zu einem nachhaltigen Umdenken und zum Setzen konkreter Maßnahmen. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass das Vorleben einer nachhaltigen Lebensweise wahrscheinlich den stärksten Motor darstellt, um auch andere davon zu überzeugen, dass eine Veränderung gut möglich ist. Deshalb sind auch Best-Practise-Examples das stärkste Argument gegen Kritiker und Zweifler. Aber auch starke Persönlichkeiten, wie z.B. Greta Thunberg mit ihrer Initiative Fridays for Future, bewirken insbesondere bei jungen Menschen Veränderung.

Was blockiert(e) Veränderungen?

Ein aus unserer Sicht starkes Hindernis für Veränderungen im Energiebereich ist die noch vorhandene Förderung von fossiler Energie. Solange hier weiter ein künstliches Ungleichgewicht geschaffen wird, wird es schwierig bleiben, den Einsatz von erneuerbarer Energie flächendeckend umzusetzen. Erst langsam entstehen Anreizsysteme und Gesetzgebungen, die einen Umstieg für Endkunden erleichtern bzw. wirtschaftlich darstellen.

Was fehlt Euch auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch?

Ein wichtiger Schritt wäre eine Veränderung des Wirtschafts- und Wertesystems – ein erster Ansatz mit CO2-Steuer wurde ja bereits gesetzt. Unserer Meinung naxch muss eindeutig der Verbrauch von fossiler Energie stärker belastet werden und die Einnahmen daraus wieder für nachhaltige Entwicklungen investiert werden.

Gab es Fehler in den vergangenen Jahrzehnten, aus denen wir lernen sollten?

Ein Fehler der vergangenen Jahre war bestimmt, dass unterschiedliche erneuerbare Energietechnologien in Konkurrenz aufgetreten sind und dadurch den fossilen Energien zu lange das Feld überlassen haben. Das sollte in Zukunft nicht passieren und die Sache sollte im Vordergrund stehen.

Ein weiterer Fehler war bzw. ist, dass Klimaziele nicht verbindlich genug waren, weit weg erschienen sind und somit nicht zu konkreten Handlungen geführt haben. Obwohl beispielsweise bis 2040 nur mehr 18 Jahre für Aktivitäten zur Verfügung stehen, scheinen wir nichts dazugelernt zu haben. Nach wie vor werden von unserer Politik langfristige Gaslieferverträge abgeschlossen oder es ist nach wie vor erlaubt, neu errichtete Gebäude mit fossilen Energien zu versorgen, Neuwagen mit spezifischen Verbrauchswerten jenseits von 10 l/100 km anzumelden sowie Flugreisen zu Preisen anzubieten, die nicht einmal für ein Mittagessen für eine Familie reichen würden.

Was treibt Euch an?

Die Überzeugung, dass Veränderung möglich ist und zum überwiegenden Teil von uns Bürgerinnen und Bürgern kommen muss. Für uns ist es wichtig, Akzente zu setzen, damit neue Konzepte und Technologien erstmalig zum Einsatz kommen. Dadurch hoffen wir möglichst viele Menschen und Organisationen zu überzeugen, dass Veränderung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise möglich und für alle Menschen auf unserem Planeten lebenswert ist.

Heidemarie Rest-Hinterseer

Vorstand in der Erneuerbaren Energiegenossenschaft AEE eGen und Vorstandsmitglied im Verein AEE Salzburg

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Was führt zu Veränderung?

Konkret Erlebtes, Schlimmes oder Schönes, führt am sichersten zu Veränderung. Bloß theoretisch angenommene Katastrophen kommen kurz an, können aber nirgendwo andocken und verschwinden wieder aus der Wahrnehmung. Naturkatastrophen, die sich in immer kürzeren Abständen in allen Weltgegenden ereignen, haben die Sichtweise der Menschen nachhaltig verändert. Die Sehnsucht nach einer Lebensweise in Freundschaft und Respekt mit Natur und Umwelt ist stärker geworden.

Woran kannst Du die Veränderungen aktuell festmachen?

Bürgermeister diskutieren gar nicht mehr über die Installation einer PV-Anlage auf dem Reinhalteverband, sie fragen nur mehr nach der Größe und welche Förderung abgeholt werden kann. Die Ölheizung zu ersetzen, wird nicht in Frage gestellt, die Frage ist nur, wann. Plötzlich werden Bürgerinnen und Bürger von sich aus aktiv, die vorher eher abwartend waren.

Was führt aus Deiner Beobachtung zu nachhaltigen Veränderungen?

Nachhaltige Veränderung entsteht durch persönliches Unglück: Der Keller wird überschwemmt, der Ölkessel wird undicht und versaut das Fundament des Hauses. Plötzlich wird am Nahwärmenetz angeschlossen. Oder durch unfassbares Glück: Es kommt ein Kind zur Welt, und mit einem Mal soll die Welt noch weiteren Generationen eine schöne Heimat sein.

Was blockiert Veränderungen

Wenn die Kraft ausgeht, wenn Verzweiflung die Oberhand bekommt, kann positive Veränderung nicht mehr gestemmt werden. Veränderung an sich ist ja dem Universum immanent.

Was fehlt Dir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch?

Was jetzt fehlt, ist die Freude. Ich empfinde Menschen als Getriebene, als lustlos, vielleicht sogar zornig Agierende. Es soll Freude aufkommen über das schon Erreichte, das von Menschenhirnen Ersonnene oder zufällig Entdeckte und über die Schöpfung, die so unfassbar erhaben ist.

Welche Themen siehst Du, um noch notwendige Verhaltensänderungen bei relevanten Personen in Deinem Umfeld/bei relevanten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen?

Das Thema Verzicht hat eine falsche Konnotation bekommen. Etymologisch kommt Verzicht von verzeihen und verzeihen als Gegensatz zu zeihen, also anklagen. Verzeihen wäre dann, etwas nicht zu beanspruchen. Das ist ein großes Wort im Angesicht einer Anspruchskultur, die für sich immerwährende und jederzeitige Mobilität als Menschenrecht definiert. Oder Freiheit als Anspruch und nicht als Herausforderung.

Gab es Fehler in den vergangenen Jahren, aus denen wir lernen sollten?

Die komplette Monetarisierung alles Toten und Lebendigen ist ein tödlicher Fehler. Wenn etwas was wert ist, muss es einen Preis haben. Und dann?

Was treibt Dich an?

Meine Triebfeder ist meine Zuversicht: Manchmal kommt sie mir fast abhanden, ich erwische sie in letzter Sekunde noch einmal am Zipfel. Dann muss ich sie hegen und pflegen und mit ihr in inniger Freundschaft leben. Dazu muss sie genährt werden: Mit reichen Begegnungen, mit saftigen Farben und mit Üben. Geübt muss ja ein ganzes Leben lang werden!

Nina Köberl

Öko Strombörse Salzburg, Biologin, Umweltpädagogin, aktiv bei Fridays For Future und Parents For Future Salzburg

Foto: AEE Slbg

Ist der Wunsch zur Veränderung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise in Deinem Umfeld heute ausgeprägter als am Beginn Deiner Tätigkeit oder weniger ausgeprägt?

Interessante Frage. Die Veränderung wünsche ich mir nicht, ich erwarte sie mir. Sie ist notwendig. Damit gehe ich meinem Umfeld wahrscheinlich auf die Nerven, aber es geht nicht anders. Mehr denn je ist klar: so geht es nicht weiter! Um eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder zu erreichen, MÜSSEN wir uns verändern.

Woran kannst Du das festmachen?

Zu Beginn meiner Tätigkeit ging es in erster Linie darum, Auftraggeber*innen und Entscheidungsträger*innen (damit auch Politiker*innen) nicht zu verärgern, schließlich sind sie unsere Geldgeber*innen. Heute bleibt keine Zeit, um vor Gesprächen mit Entscheidungsträger*innen Samthandschuhe anzuziehen. Zu viel Zeit ist verstrichen, in der einfach nicht gehandelt wurde. Heute bin ich konsequenter und ehrlicher.

Was führt(e) aus Deiner Beobachtung bei den Menschen, die Du kennst, zu nachhaltigen Veränderungen?

Zunächst das nötige Einfühlungsvermögen, um auf die jeweilige Lebenssituation Bezug nehmen zu können. Nicht alle haben die gleichen Voraussetzungen, solange die Politik diese nicht ermöglicht. Zudem braucht es den steten Diskurs, das Dranbleiben an relevanten Themen. Nachhaltige Veränderungen erziele ich dadurch, Menschen Mut zu machen und zu motivieren, sich aktiv an der Gestaltung unserer Zukunft zu beteiligen.

Was blockiert(e) Veränderungen?

Großkonzerne, deren CEOs nicht umdenken wollen, weil sie Angst davor haben, weniger Geld zu verdienen. Und Politiker*innen, denen ihr Einfluss bzw. ihr Status zu wichtig ist – jene, die vergessen haben, dass sie dafür bezahlt werden, uns Bürger*innen zu vertreten und Verantwortung in Hinblick auf wegweisende Entscheidungen haben.

Was fehlt Dir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch?

Zielgerichtete interdisziplinäre Zusammenarbeit, kreativ in der Umsetzung und mit Mut und Freude am Wirken.

Welche Themen siehst Du, um noch notwendige Verhaltensänderungen bei relevanten Personen in Deinem Umfeld/bei relevanten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen?

Nachhaltigkeit ist ein weitgreifender Themenkomplex. Neben der Ökologie spielen Soziales und Ökonomie eine ebenso wichtige Rolle, auch wenn das gerne übersehen wird. Im Laufe der Jahre habe ich zudem erkannt, dass viele gesellschaftsrelevante Themen wie Antirassismus, Antidiskriminierung und Feminismus wesentliche Teilaspekte der oben genannten Bereiche darstellen. Erst wenn wir innerhalb der Gesellschaft respektvoll miteinander umgehen und uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen und unserer Umwelt bewusst werden, kann der Umbau hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft gelingen.

Gab es Fehler in den vergangenen Jahrzehnten, aus denen wir lernen sollten?

Ich denke, im immer noch männlich-dominierten Arbeitsalltag ist es gang und gäbe rasch Entscheidungen zu treffen und zu handeln, ohne vorher lange nachzudenken. Geht es allerdings um lebenswichtige Entscheidungen, haben wir plötzlich alle Zeit der Welt? Das ist ein grundlegender Fehler, den es gilt, zukünftig auszuräumen. Es braucht die Ausgewogenheit aus Ruhe und mutiger Entscheidungsfreudigkeit, um nachhaltig zu handeln. Zudem sollten Politiker*innen endlich damit aufhören, „Klimaschmutz-Lobbyist*innen“ mehr Gehör zu schenken als Wissenschafter*innen und Expert*innen.

Was treibt Dich an?

Die Zukunft meiner Kinder und die Zukunft des Planeten. Schon als Kind war ich sehr naturverbunden. Es macht mich traurig, dabei zuzusehen, wie immer mehr Tiere und Pflanzen aussterben und wie durch Nicht-Handeln und sinnlose Eitelkeiten Menschen zunehmend ihren Lebensraum verlieren. Mich treibt unsere Verantwortung an, einen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten. Zudem kann ich der Zeit auch etwas Positives abgewinnen: Es ist eine aufregende, sich im Wandel befindliche Zeit und ich bin Teil davon. Es ist an mir, etwas daraus zu machen.

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