Zeitschrift EE

 erneuerbare energie: 2.2021

Demoprojekte Solarhaus: Erkenntnisse aus der Begleitforschung

Ein Konsortium unter der Leitung von AEE INTEC führt seit 2014 die wissenschaftliche Begleitforschung bei ausgewählten Solarhäusern mit mindestens 70 Prozent solarer Deckung des Gesamtwärmebedarfs durch. Zentrale Aufgaben waren einerseits verpflichtende Beratungsgespräche mit den Förderwerbern und andererseits eine messdatenunterstützte Analyse während des ersten Betriebsjahres.

Rund 40 Prozent des österreichi schen Endenergiebedarfs werden für das Heizen von Gebäuden ver-- wendet, und rund die Hälfte davon wird mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Die Nutzung von Solarwärme für Heizung und Warmwasser ist daher ein wichtiger Ansatzpunkt für die Ökologisierung dieses Bereichs. Die Sonne liefert fast unbeschränkt Energie, die Nutzung der Solarwärme ist kostenlos und verursacht auch kein CO2. Trotzdem gibt es eine wesentliche Herausforderung: Die Speicherung der Solarwärme über Stunden, Tage oder Wochen, um auch an kalten Wintertagen ausreichend Wärmeenergie zur Verfügung zu haben.

Solarhaus mit Bauteilaktivierung in Kärnten. Das energietechnische System umfasst 37 m² fassadenintegrierte Kollektoren, einen 1.360-Liter-Pufferspeicher, 42 m³ Betonspeicher zur Nutzung von Bauteilaktivierung und eine 18-kWp-Photovoltaikanlage am Dach. Foto: AEE INTEC

2014 wurde vom Klima- und Energiefonds erstmalig ein Förderprogramm für Ein- und Zweifamilienhäuser mit mehr als 70 Prozent solarer Deckung in Bezug auf Heizwärme und Warmwasserbedarf aufgelegt. Die Voraussetzungen für ein Solarhaus waren entsprechend den Förderkriterien des Klima- und Energiefonds dann gegeben, wenn es sich um ein Niedrigstenergiehaus (Ein- oder Zweifamilienwohnhaus) mit einer mindestens 70 %igen solaren Deckung des Gesamtwärmebedarfs handelte. Ermöglicht wird dies durch einen sehr guten Wärmeschutz, kombiniert mit einer leistungsstarken Solarwärmeanlage und gegebenenfalls einer Bauteilaktivierung. Auf ein Zusatzheizsystem kann abhängig von Ausführung und Standort verzichtet werden, dies ist jedoch nur bei Gebäuden mit 100 Prozent solarer Deckung möglich. Bei den meisten ausgeführten Projekten sind zusätzliche Heizmöglichkeiten – meist Holzheizungen oder Wärmepumpen – erforderlich.

Im Rahmen des Förderprogramms gibt es eine wissenschaftliche Begleitforschung. Diese unterstützte alle FörderwerberInnen durch ein Beratungsgespräch vor Einreichung des Förderprojekts. Besonders innovative Projekte wurden dabei von einem ExpertInnengremium für die Teilnahme am Monitoringprogramm der Begleitforschung ausgewählt. Die ausgewählten Projekte werden nach Fertigstellung der Anlage und Bezug des Gebäudes ein Jahr lang wissenschaftlich betreut und erhalten Feedback zur Anlagenoptimierung.

Im Rahmen der sechs zwischen 2014 und 2019 ausgeschriebenen Förderprogramme wurden insgesamt 108 Beratungsgespräche für Solarhäuser mit einer Gesamtkollektorfläche von 4.072 m² und einem mittleren solaren Deckungsgrad von rund 76 Prozent durchgeführt.

Von den insgesamt 108 beratenen Projekten wurden von einer internationalen Expertenjury 43 Projekte für ein einjähriges Monitoring ausgewählt. Die ausgewählten Gebäude wurden mit umfangreicher Messtechnik für eine detaillierte Input-Output-Analyse sowie für eine Analyse und Bewertung sämtlicher Abschnitte des Wärmeversorgungssystems ausgestattet und über ein Jahr lang messtechnisch begleitet. Die Monitoringperiode wurde für 19 Projekte bereits abgeschlossen und erbrachten interessante Ergebnisse.

VERGLEICH VON SIMULATIONS- UND MESSERGEBNISSEN

Bei den gemessenen Wärmeverbräuchen für Raumwärme und Warmwasserbereitung wurden deutliche Unterschiede im Vergleich zu den prognostizierten Werten festgestellt. Bei rund der Hälfte der Projekte traten Mehrverbräuche über 20 Prozent, bei drei Projekten über 50 Prozent auf. Klimabereinigt ergaben sich bei 16 der 19 Gebäude mit abgeschlossenem Monitoring Heizwärme-Mehrverbräuche zwischen 20 Prozent und 150 Prozent. Eine genauere Betrachtung konnte die Unterschiede hauptsächlich auf einen Mehrverbrauch beim Heizwärmebedarf zurückführen. Die Gründe reichen von nicht vollständig fertiggestellten Gebäuden (z. B. nicht fertiggestellte Fassade) über Nutzungsänderungen (z. B. Einliegerwohnung statt Garage) und der von Nutzern gewünschten höheren Raumtemperaturen bis hin zur im Gebäude bzw. in Bauteilen verbliebenen Feuchtigkeit aus der Bauphase. Aus diesen Gründen ist ein unmittelbarer Vergleich zwischen Planung und Messung nicht möglich. In allen Fällen konnten innerhalb der Heizperiode Raumtemperaturen in den Wohnräumen über 21 °C erreicht werden. Der Median der Raumtemperaturen in der Heizperiode lag bei rund 23 °C.

Hinsichtlich dem Deckungsgrad konnten acht Projekte 70 Prozent solaren Deckungsgrad erreichen bzw. überschreiten. Bei vier Solarhäusern lag der gemessene solare Deckungsgrad zwischen 60 und 70 % und sieben Solarhäuser wiesen solare Deckungsgrade unter 60 % auf. Der tatsächliche Wärmeverbrauch stellt dabei eine grundlegende Einflussgröße in Bezug auf den solaren Deckungsgrad dar. Teilweise lag eine für die Erreichung hoher solarer Deckungsgrade ungünstige Regelungsstrategie vor. So wurde beispielsweise bei einzelnen Gebäuden mit thermischer Bauteilaktivierung ein zu schmales Temperaturband gewählt, wodurch der geplante Speichereffekt nicht erreicht werden konnte. Die Prognoseerwartungen für den spezifischen Solarertrag wurden in rund 60 Prozent der Fälle überschritten, wobei ein Zusammenhang zwischen Verbrauch und spezifischem Solarertrag deutlich feststellbar war. Im Mittel wurden spezifische Solarerträge von 312 kWh/m²a, bezogen auf die Aperturfläche, erreicht.

SPEICHERTECHNOLOGIEN UND ZENTRALE ERKENNTNISSE

Für die Erreichung hoher solarer Deckungsgrade haben sich auf dem Markt zwei Speichertechnologien etabliert: klassische große Wasser-Pufferspeicher und thermische Bauteilaktivierung. Die eingereichten Solarhauskonzepte nutzen entweder eine dieser Speichertechnologien bzw. kombinieren beide Technologien.

Durch Bauteilaktivierung als primärem Wärmespeicher- und Wärmeabgabesystem können die benötigten Wasserspeicher vergleichsweise klein dimensioniert werden. In 22 von 108 Gebäuden wurden Wasserspeicher bis maximal 1.450 Liter geplant. Aufgrund der multifunktionalen Nutzung des Bauteils können damit Pufferspeichervolumina und verlustbehaftete Oberflächen reduziert werden. Gleichzeitig können die verbaute Fläche minimiert und Kostenreduktionspotenziale erschlossen werden. Eines der betrachteten Solarhäuser mit einem spezifischen Heizwärmebedarf von 34 kWh/m²a und einer Energiebezugsfläche von 143 m² konnte mit konsequenter Bauteilaktivierung, einem 950-Liter-Pufferspeicher und 17 m² Brutto-Kollektorfläche eine gemessene solare Deckung von 77 Prozent erreichen.

Im Zuge der Begleitforschung konnte bei zwei Häusern eine sehr hohe solare Deckung messtechnisch nachgewiesen werden. Das eine Gebäude mit einem spezifischen Heizwärmebedarf von 19 kWh/m²a und einer Brutto-Grundfläche von 265 m² wurde in Oberösterreich in einer grundsätzlich nebelreichen Gegend errichtet. Durch die Kombination eines 31 m³ gro- ßen Pufferspeichers mit Bauteilaktivierung und 40 m² Kollektorfläche erreichte es vollständige solare Deckung. Das zweite Gebäude mit einem spezifischen Heizwärmebedarf von 34 kWh/m²a und einer Energiebezugsfläche von 213 m² in Tirol erreichte mit einem 6-m³-Pufferspeicher und einer rund 50 m² großen, fassadenintegrierten Solaranlage einen solaren Deckungsgrad von 95 Prozent.

Mehr als die Hälfte aller Solarhäuser in der Begleitforschung nutzt eine biomassebasierte Nachheizung. Mehrheitlich kommen im Heizraum positionierte Scheitholzkessel zum Einsatz, knapp gefolgt von hydraulisch eingebundenen Wohnraumöfen. Die restlichen Solarhäuser verwenden entweder Wärmepumpen oder Strom-direkt-Heizungen (elektrische Durchlauferhitzer oder elektrische Heizstäbe) als Nachheizung.

Besonders vielversprechend aus ökologischer und ökonomischer Sicht sind Projekte, die eine Nutzung von sommerlichen Überschüssen ermöglichen. Innerhalb des Programms wurden neben Poolerwärmung auch Anlagen umgesetzt, die Mehrerträge gebäudeübergreifend nutzen können.

Solarhäuser mit 95 Prozent … Foto: Bauherr

… und 100 Prozent solarer Deckung (Messwert). Foto: AEE INTEC

Im Verlauf des betrachteten Förderzeitraums wurden immer wieder Bestandsbzw. Sanierungsobjekte zur Förderung eingereicht, welche den SolarhausStandard erreichen konnten. Zwei derartige Gebäude befinden sich in der Begleitforschung. Diese Beispiele zeigen, dass Solarhäuser auch im Zuge von Bestandssanierungen umgesetzt werden können.

Insgesamt wurden bei rund 21 Prozent aller eingereichten Solarhäuser zusätzlich Photovoltaik-Anlagen konzipiert, wobei in den letzten Förderjahren eine deutliche Zunahme an PV-Anlagen festzustellen war. Im Sinne eines ganzheitlichen Solarhaus-Ansatzes mit möglichst hohen solaren Deckungsgraden sowohl für den Wärme- als auch den Strombedarf des Gebäudes inklusive Strom für Elektro-Mobilität ist diese Entwicklung als sehr positiv zu bewerten. Auch im Kontext einer vollständig erneuerbaren, übergeordneten Gesamtenergieversorgung stellen Solarhäuser aufgrund ihrer großen Speichermassen ein spannendes Flexibilisierungspotenzial für öffentliche Energieversorgungsnetze dar, das in zukünftige Planungen einbezogen werden sollte.

KOSTEN UND VERBREITUNG

Die Systemkosten der Anlagen der Begleitforschung (Solarthermieanlage inkl. Speicher und Montage) lagen zwischen 500 €/m² und 1.200 €/m². Bei größeren Anlagen ist ein deutlicher Skaleneffekt erkennbar, sprich, umso größer die Anlagen desto geringer die spezifischen Systempreise.

https://www.klimafonds.gv.at/projekte/projektberichte/

Ansprechpartner bei AEE INTEC: Dipl.-Ing. Walter Becke, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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