Zeitschrift EE

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Herausragende klimaaktiv Gebäude in der Steiermark

Klimaaktive Gebäude

klimaaktiv ist die Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Eines der wichtigsten Programme innerhalb dieser Initiative ist ‚klimaaktiv Bauen und Sanieren‘, und steht für Energieeffizienz, ökologische Qualität, Komfort und Ausführungsqualität von Gebäuden. Der vor 15 Jahren erstmals definierte klimaaktiv Gebäudestandard wird seitdem regelmäßig im Austausch mit Bauträgern, Politik und den Anforderungen aus dem Klimaschutz überarbeitet und bildet die Grundlage für die gleichnamige Zertifizierung von Gebäuden. Die Programmleitung liegt bei der ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik in Wien. Sie wird in allen Bundesländern von Regional- und Fachpartnerorganisationen unterstützt; die Energie Agentur Steiermark GmbH ist Regionalpartner für die Steiermark, AEE INTEC und GEA sind steirische Fachpartner im Programm.

Wohngebäude Reininghaus Zehn, klimaaktiv Gold zertifiziertes Gebäude in der Steiermark. Foto: Luef

Die Regional- und Fachpartner sind für die Durchführung von Beratungen zum Gebäudestandard und Plausibilitätsprüfungen der klimaaktiv Gebäude zuständig. Die Regionalpartner stehen zusätzlich im jeweiligen Bundesland für alle Fragen der Gebäudedeklaration und -bewertung zur Verfügung und unterstützen bei der regionalen Verankerung und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist damit gelungen, Unternehmen und Institutionen mit umfassender Erfahrung im Bereich des Nachhaltigen Bauens innerhalb von klimaaktiv Bauen und Sanieren zu vernetzen, und bisher 59 Gebäude in der Steiermark zu zertifizieren.

Klimaaktiv Gebäude aus der Steiermark

Etwa 10 Jahre nach der hochqualitativen Sanierung ihres Schulzentrums hat die Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark ein historisches, baufälliges Gebäude im Ortszentrum in ein offenes und einladendes Gemeindezentrum umgebaut. Der Kern der historischen Bausubstanz ist auf das 16. Jahrhundert zurückzuführen. Der Gebäudezustand war desolat. Die Gebäudehülle wurde thermisch an die heutigen Standards des Wärmeschutzes herangeführt. Durch Aufsparrendämmung im Dachbereich blieben die bestehenden Sparren sichtbar. Im Sparrenzwischenraum wurde eine weiß lasierte Holzschalung sowohl als optisches Gestaltungselement als auch zur Akustikoptimierung montiert. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Fernwärme aus Biomasse, die über eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung abgegeben wird. Die Besprechungsräume im Erd- und im Dachgeschoß wurden mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. In den Sommermonaten kann gekühlt werden. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeud-ein-oesterreich/objekt-des-monats-8-2019.html

Dachausbau mit Akustikoptimierung in Holz - Sanierung Gemeindezentrum Neumarkt. Foto: Gemeinde Neumark

Das Wohngebäude ‚Reininghaus Zehn‘ war das erste fertiggestellte Gebäude auf dem erst in Umsetzung befindlichen Grazer Stadtteil „Smart City Reininghaus“. Es besteht aus 155 Wohnungen sowie Büroflächen in klimaaktiv Gold Standard. Mit der hauseigenen Photovoltaikanlage beziehen die Mieterinnen und Mieter ihren Strom primär direkt vom Dach. Dieser ist um 30 % günstiger als der Strom von einem der Hauptstromlieferanten. E-Bike Ladestationen sowie E-Car-Sharing bieten Möglichkeit für nachhaltige Mobilität. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeude-in-oesterreich/objekt-des-monats-11-2020.html

Mit einer Nutzfläche von knapp 6.000 m² ist das „mineroom Leoben“ eines der weltweit größten Studierenden-Wohnheime in Holzmischbauweise und Passivhausqualität. Neben einer hocheffizienten Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung, einer thermisch optimierten Gebäudehülle aus einer plastischen, mehrfärbigen Holzschalung und einer größtmöglichen PV-Anlage, wurden auch stromverbrauchende Komponenten optimiert und Standby-Funktionen vermieden. Das gesamte Objekt ist mit LED-Beleuchtung ausgestattet. Platz und Leerverrohrungen für einen möglichen Batteriespeicher sind vorhanden. Im Gebäude wurden für die Tragkonstruktion und die Fassade ca. 1.900 m³ Holz verbaut, dadurch sind hier ca. 2.000 Tonnen CO2 gebunden. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeude-in-oesterreich/odm-2017-05.html

Innenhofansicht mineroom Leoben. Foto: AEE INTEC / Armin Knotzer

Volksschule Semriach – eine steirische Schul-Vorzeigesanierung

Die Marktgemeinde Semriach hat ihre 1822 errichtete Volksschule gemeinsam mit Arch. Dipl.-Ing. Gerhard Kopeinig thermisch hochwertig saniert. Das 3-geschoßige Gebäude wird zu schulischen und zu Vereinszwecken genutzt. Zusätzlich zur Sanierung erfolgte ein Ausbau im Ober- und Dachgeschoß. Die Gesamtsanierung umfasste die Innendämmung, den Einbau eines Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung, ökologische Materialien wie Zellulose als Dämmung im Dach, die Optimierung des Beleuchtungssystems sowie die Errichtung einer Photovoltaikanlage.

Volksschule Semriach – kurz nach Fertigstellung der Vorzeigesanierung. Foto: ARCH+MORE / Luttenberger

Es wurde eine adaptierte Version einer Clusterschule umgesetzt. Die Klassenräume grenzen jeweils an Gruppenräume sowie an freie Lernzonen, die unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bieten. Die Räume sind freundlich, und der Wohlfühlcharakter zieht sich durch die ganze Schule. Die gesamten Heizflächen im Gebäude wurden erneuert. Die Verrohrung wurde hydraulisch saniert und weiterverwendet. Die gesamte Heizungs- und Lüftungsanlage ist zentral geregelt. Zur Verbesserung der Luftqualität in den Klassen wurde in allen Unterrichtsräumen eine Komfortlüftung ausgeführt. Die Lufteinbringung erfolgt über textile Luftsäcke, damit wurde sichergestellt, dass es in den Klassen zu keinen Zugerscheinungen kommt. Es wurde versucht, so viel wie möglich mit dem Baustoff Holz zu arbeiten, und wieder zu verwenden, so sind auch die Brandschutztüren aus Lärchenholz gefertigt. Besonderes Augenmerk lag auf dem Chemikalienmanagement (keine Raumgifte). Das Projekt wurde mit lokalen Unternehmen in 11 Wochen umgesetzt!

Dachboden der Volksschule in Semriach vor und nach der Sanierung. Die Umbaumaßnahmen wurden nach den klimaaktiv Kriterien durchgeführt. Foto: ARCH+MORE / Luttenberger

Detail Sommerkomfort- und Tageslichtanalyse

Für die Volksschule Semriach wurde im Zuge der klimaaktiv Bewertung eine dynamische Gebäudesimulation durchgeführt. Dazu wurden fünf Klassenzimmer ausgewählt. Von den fünf Klassenzimmern sollten zwei Räume typisch für das Schulgebäude sein, drei Räume sollten im Hinblick auf den thermischen Komfort und den Tageslichtfaktor als kritisch eingestuft sein.

Die ausgewählten fünf Räume sind über das Schulgebäude verteilt, befinden sich in unterschiedlichen Geschoßen und besitzen unterschiedliche Ausrichtungen. Die Ziele der Simulation waren die Bestimmung des Tageslichtfaktors und der Nachweis der thermischen Behaglichkeit.

Laut klimaaktiv Kriterienkatalog für Dienstleistungsund Schulgebäude ist der Nachweis des thermischen Komforts mittels dynamischer Gebäudesimulation erfüllt, wenn die Temperatur von 26 °C in maximal 5 % der Nutzungszeit überschritten wird. (Siehe PDF – Seite 40)

Operative Raumtemperatur der Größe nach sortiert - aufgetragen über die Nutzungsstunden Quelle: AEE INTEC

Die Grafik zeigt die operativen Raumtemperaturen der fünf untersuchten Räume, der Größe nach sortiert über die kumulierten Nutzungsstunden – in Stunden und Prozent. Diese Darstellungsform ermöglicht einen schnellen Überblick, wie viele Überschreitungsstunden vorliegen. Als Beispiel für Raum 3 sind das maximal 23 Stunden pro Jahr oder umgerechnet knapp 2,1 % der Nutzungsstunden. Der klimaaktiv Zielwert wird somit deutlich erfüllt.

Fazit und Ausblick

Während bei Neubauten der klimaaktiv Standard schon häufig mitgeplant, geprüft und erfasst wird, gibt es aktuell sehr viel weniger Sanierungen, die in äquivalenter Qualität zum Neubau erfasst und durchgeführt wurden – das verdeutlicht auch die https://klimaaktiv-gebaut.at Datenbank, die derzeit etwa 120 Gebäudesanierungen, aber schon 920 Neubauten auflistet. Gebäudesanierung ist noch immer ein eher ‚exotisches‘ Thema, und bleibt SpezialistInnen und baulichen HasardeurInnen vorenthalten. Es gibt immer noch zu viele Schnittstellenprobleme, ungelöste technische Details und hoch zeitaufwändige Bauablaufschwierigkeiten. Gerade deshalb und wegen des starken politischen Rückenwindes sollten sich mehr Unternehmen dem Thema widmen und qualitativ hochwertige Gebäudesanierungen in klimaaktiv oder ähnlichem Standard umsetzen.

Weiterführende Informationen

Infos rund um die Sanierung: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung.html

Wesentliche Motive zur Sanierung: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren.html

klimaaktiv Angebote für Bauträger und Gemeinden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren/von-nachbarn-und-der-community-lernen.html

klimaaktiv Angebote unter anderem für Gemeinden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren/mitten-im-leben.html

Vorlage für Gemeinderatsbeschluss zum Downloaden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/dienstleistungsgeb/gemeindegebaeude-2018.html

AutorInnen

Dipl.-Ing.in Heidrun Stückler ist Teamleiterin für Bauen & Energie – Qualitätssicherung bei der Energie Agentur Steiermark GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Arch. Dipl.-Ing. Gerhard Kopeinig ist Architekt und Geschäftsführer der ARCH+MORE ZT GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. David Venus und Dipl.-Ing. Armin Knotzer sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Bereichs „Gebäude“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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