Zeitschrift EE

erneuerbare energie: 1.2021

Drohnen im Einsatz gegen städtische Hitzeinseln

Im Zuge des Klimawandels werden städtische Hitzeinseln (Intra Urban Heat Islands) immer mehr zur Herausforderung für die Stadtplanung. Das österreichische Forschungsinstitut AEE INTEC hat eine Methode entwickelt, die solche Hotspots nicht nur aufspürt, sondern auch die für den Organismus wichtige „gefühlte Temperatur“ mit hoher Präzision berechnet. Durch die einfache Darstellung möglicher Veränderungen hilft „SmartCitySensing“, die besten Maßnahmen auszuwählen und so Hitzeinseln effektiv zu reduzieren.

Dass es in städtischen Grünanlagen selbst bei nahezu gleicher Lufttemperatur gefühlt um mehrere Grad kühler ist als auf asphaltierten Plätzen, ist kein Geheimnis. Im Deutschen spricht man deshalb umgangssprachlich oft von „gefühlter Temperatur“, manchmal auch vom „thermischen Komfort“. Quantifzieren lässt sich das mit dem „Universal Thermal Climate Index“ (UTCI) – ein Ausdruck, der auch die Komplexität der Fragestellung widerspiegelt. Der UTCI bildet beispielsweise die Kühlung durch den Wind ab, aber auch die Wärmestrahlung der Oberflächen und die Solarstrahlung, die aus verschiedenen Richtungen auf den Körper einwirkt. Die gefühlte Temperatur bzw. der UTCI ist im positiven Fall ein Wohlfühlfaktor, der über die Attraktivität öffentlicher Räume entscheidet – im negativen Fall sorgt ein zu hoher UTCI für Hitzestress im Organismus. Hitzewellen machen sich regelmäßig in der Sterbestatistik bemerkbar. Die WHO empfiehlt deshalb, die Hitzebelastung in Städten gezielt zu reduzieren. Da absehbar ist, dass die Temperaturen im Zuge des Klimawandels weiter steigen werden, ist der Hitzeschutz als Maßnahme für die Klimaresilienz umso wichtiger.

Die Drohne von Skyability wird mit unterschiedlichsten Sensoren bestückt und erkundet dann zum Beispiel innerstädtische Plätze wie „Am Eisernen Tor“ Foto: AEE INTEC

Doch das ist gar nicht so leicht, denn dafür muss man sowohl alle Hitzeinseln in der Stadt kennen, als auch die Wirksamkeit konkreter Maßnahmen bewerten können. Diese Möglichkeit bietet das Verfahren „Smart City Sensing“, das im gleichnamigen Forschungsprojekt des österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) von AEE INTEC und Skyability aus Österreich und einem Konsortium aus dem chinesischen Guangdong entwickelt wurde.

Die ersten Messungen in Österreich wurden am „Eisernen Tor“ in Graz durchgeführt. Der Platz im Zentrum der steirischen Hauptstadt ist nicht nur zentral für das öffentliche Leben, sondern auch sehr vielseitig in seiner mikroklimatischen Struktur. Hier gibt es Grünflächen, Asphalt, Bäume und sogar einen Springbrunnen. Mit einer Drohne wurde in einem dreidimensionalen Raster eine Vielzahl von Daten erfasst, die man für eine gründliche Analyse des Mikroklimas braucht, insbesondere aber die Gestalt der Gebäude und Vegetation sowie die Oberflächentemperaturen und Reflexionen der Sonneinstrahlung auf allen Oberflächen.

Das fertige Verfahren bietet AEE INTEC nun als Dienstleistung für Kommunen an. Mit einer Kombination aus dreidimensionalen, von Drohnen erfassten Messwerten einerseits und Simulationsmodellen andererseits können hoch aufgelöste dynamische Heat Maps einzelner Plätze oder der ganzen Stadt erstellt werden. Diese Hybridlösung bildet das lokale Mikroklima weit realistischer ab als herkömmliche Mikroklimasimulationen. Gleichzeitig ist sie räumlich genauer als Messungen, in die lediglich grobe Daten aus Flugzeugen, Satellitenaufnahmen oder einzelnen Wetterstationen eingespeist werden. Durch die Aufnahmen der Drohnen können mit geringem Aufwand deutlich größere Flächen erfasst werden als mit den bisherigen mikroklimatischen Untersuchungsmethoden. An einem Tag schaffen die Drohnen eine Stadt, ein einzelner Platz ist in wenigen Minuten überflogen. Die Veränderungen im Tages- und Jahresverlauf können ebenfalls simuliert und zusätzlich mit zyklischen Vermessungen verifiziert werden. Dafür kann man zum Beispiel einen Tag mit mehreren Flügen genauer untersuchen oder den Schwerpunkt auf die Jahreszeiten legen, die für das Mikroklima besonders interessant sind.

Die Drohnen sind mit speziellen Messköpfen ausgestattet, die im Rahmen des Projektes entwickelt wurden. Dazu gehören unter anderem eine Thermografiekamera für die langwellige Wärmestrahlung, eine Multispektralkamera für die kurzwellige Solarstrahlung und bei Bedarf auch Sensoren für Luftschadstoffe.

Für die chinesischen Partner im Konsortium stand vor allem die Messung der Luftqualität im Vordergrund. Dafür wurden spezielle Sensorköpfe entwickelt, die zum Beispiel Feinstaub, Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Ozon und flüchtige organische Verbindungen messen können. Mit der großräumigen Messung lassen sich die eingesetzten Schadstoffmodelle präzisieren und reale Gradienten feststellen. So können zum Beispiel einzelne Schadstoffquellen aufgespürt werden, die bisher nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

In Österreich standen dagegen die Temperaturmodelle im Zentrum des Projekts. Mit den Drohnendaten lassen sich zudem auch die Vegetation und Materialeigenschaften von Oberflächen erfassen. Weitere Daten wie Luftfeuchte sowie Windrichtung und Windgeschwindigkeit werden je nach Fragestellung per Drohne oder am Boden gemessen. Das Modell zur Berechnung des thermischen Komforts beinhaltet nicht nur alle diese Faktoren, sondern auch die menschliche Physiologie. So trifft horizontale Wärmestrahlung zum Beispiel auf eine deutlich größere Körperfläche als senkrechte Strahlung. Derzeit dient ein erwachsener Mensch als Modell, es ist aber auch möglich, gezielt die Wirkung auf sensible Gruppen wie Kinder oder ältere Menschen zu untersuchen.

So entsteht ein mit einer Heat-Map überlagertes Stadtmodell in einer Auflösung von 1 x 1 m. Für Städte, die noch kein 3-D-Stadtmodell haben, kann dieses gleich mit angefertigt werden. Liegt schon ein 3-D-Modell vor, werden die neuen Mikroklimadaten dort eingefügt, zum Beispiel über CITYGML oder ArchGis. In einem Webtool kann man sich durch dieses Modell bewegen.

SmartCitySensing kann jedoch nicht nur den Ist-Zustand darstellen, sondern auch simulieren, wie sich Veränderungen auswirken. So kann man Eingriffe wie Bau- oder Begrünungsmaßnahmen nicht nur qualitativ einschätzen, sondern auch quantitativ abschätzen. Angenommen, der heißeste Punkt auf einem Platz erwärmt sich an Sommertagen auf eine gefühlte Temperatur von mehr als 42 Grad und man will diese auf 38 Grad senken – was muss dann passieren? Im Modell lassen sich verschiedene Maßnahmen ausprobieren: Eine begrünte Wand, neu gepflanzte Bäume, eine Rasenfläche, bauliche Maßnahmen, Verschattungselemente, Wasserflächen oder einfach ein hellerer Straßenbelag. Das Modell zeigt auch, an welcher Stelle des Platzes die Maßnahme die größte Wirkung entfaltet. Ist das Modell einmal erstellt, können die StadtplanerInnen selbst mit dem Webtool den Ist-Zustand evaluieren und gezielt geplante Maßnahmen auf ihre Wirkung bewerten. Sie können zum Beispiel den Begrünungsanteil erhöhen oder die Oberflächeneigenschaften von Fassaden verändern.

Die Stadt Graz hat sich nach dem Forschungsprojekt entschlossen, SmartCitySensing auch in Zukunft für die Stadtplanung zu nutzen. Es werden derzeit systematisch Plätze beflogen, die in den nächsten Jahren umgestaltet werden sollen. Die Ergebnisse aus der Analyse mit SmartCitySensing werden in den Entscheidungsprozess einbezogen.

Ein Ergebnis kann dann eine Darstellung der gefühlten Temperaturen in dem jeweiligen Bereich sein. Foto: AEE INTEC

Ansprechpartner bei AEE INTEC sind DI Dr. Tobias Weiss (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und DI Daniel Rüdisser (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Weitere Informationen zum Projekt: smacise.aee-data.at

Direkt zum Webtool: www.aee-data.at/smacise/webtool/

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