Zeitschrift EE

Kläranlagen als Energiequelle

Neue Verfahren zur Abwasserreinigung liefern Energie und Dünger und verbessern die Wirtschaftlichkeit von Kläranlagen.

Kläranlagen mit aerober Wasserreinigung haben sich über die Jahrzehnte bewährt. Ihnen ist es zu verdanken, dass unsere Flüsse und Seen heute auch in Ballungsräumen relativ sauber sind.

Betrachtet man die Stoff- und Energieflüsse dieser in den 1970er und 1980er Jahren entwickelten Technologie, gibt es jedoch einiges zu verbessern.

Bildlich gesprochen heißt kommunale Ab­wasserreinigung heute vor allem: Luft in das Abwasser blasen, damit Bakterien die Nährstoffe aus den Fäkalien abbauen können. Vor allem zersetzen sie dabei Kohlenstoff- und Stickstoff-Verbindungen.

Luftaufnahme einer Kläranlage in der Schweiz. Foto by Swissair - ETH-Bibliothek: E-Pics Bildarchiv online

Die Belüftung des zu klärenden Abwassers braucht eine Menge elektrische Energie. Österreichische Kommunen wenden dafür etwa 20 Prozent ihres gesamten Energiebedarfs auf – rund 40 Kilowattstunden pro Einwohner und Jahr. Und die Verbindungen, die von den Bakterien zersetzt werden, sind andernorts begehrt: Ammonium (NH4) ist der weltweit wichtigste Rohstoff für landwirtschaftlichen Dünger. Um ihn zu produzieren, setzen Industriebetriebe ein bis zwei Prozent des gesamten weltweiten Energiebedarfs ein. Auch Phosphor und Kalium können als Wertstoffe aus den Abwässern einer Kläranlage zurückgewonnen werden. Und die Kläranlage kann unterm Strich sogar zum Energieerzeuger und -speicher für das Strom- und Wärmenetz werden. Je nach Abwasser kann durch die Kombination mehrerer Technologien der Strom­bedarf um zehn bis 20 Prozent sinken, während zugleich die Biogas-Ausbeute um 20 bis 30 Prozent steigt.

Stickstoff-Rückgewinnung

Um Ammonium-Phosphat aus dem Abwasser als Dünger zurückzugewinnen, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, bei denen etwa ein Teil der Belüftungsenergie eingespart werden kann, oder wo im Prozess Biogas für die Nutzung in der Energieerzeugung entsteht.

Energie produzieren

Sehr viele Kläranlagen nutzen bereits Klärgas oder Biogas in Blockheizkraftwerken, um Strom und Wärme für den eigenen Bedarf zu erzeugen. Doch die Energieerzeugung ist oft noch ausbaufähig. Dafür gibt es viele Ansätze, die für unterschiedliche Anlagen verschieden gut passen. Steht genug Platz zu Verfügung, kann zum Beispiel schon im Vorklärbecken durch längere Verweilzeiten mehr kohlenstoffhaltiger Schlamm abgetrennt werden. Bei wenig Platz ist ein Mikrosieb mit Trommelfilter eine Alternative. Ergänzend kann Flotation genutzt werden: Durch das Einblasen von Luft kommen kleine Partikel an die Oberfläche und können abgetrennt werden.

Auch der Einsatz von Co-Substraten im Faulbehälter (z. B. Bio-Abfälle oder Abfälle aus Großküchen) kann den Biogas-Ertrag erhöhen.

Zusätzliche Energie gewinnbringend nutzen

Gerade im Sommer, wenn die Faulbehälter nicht oder kaum beheizt werden müssen, steht in Kläranlagen nach heutigem Stand bereits oft mehr Energie zur Verfügung, als gebraucht wird. Anders sieht es aus, wenn man z. B. mit einer Klärschlammtrocknung das Gewicht und damit die Entsorgungskosten für den Schlamm reduziert. Immer häufiger werden Kläranlagen auch durch eine zusätzliche Reinigungsstufe für Mikroverunreinigungen ergänzt. Diese benötigt zusätzliche elektrische Energie.

Ist eine Fernwärme-Versorgung in der Nähe, kann das Biogas umweltfreundliche Energie für viele Haushalte liefern und bei Aufbereitung auf Erdgas-Qualität sogar ins allgemeine Erdgas-Netz eingespeist werden.

Wenn das Biogas verkauft anstatt zur Eigenversorgung genutzt wird, müssen Strom und Wärme für den Eigenbedarf natürlich ersetzt werden. Das kann zum Beispiel über eine elektrisch angetriebene Wärmepumpe geschehen, die Wärme aus dem Abwasser entnimmt. Legt man einen erzielten Gaspreis von 4 Cent pro Kilowattstunde und einen Einkaufspreis für den Strom von 13 Cent pro Kilowattstunde zugrunde, kommt in der Berechnung unter Einbeziehung von Investitionen bzw. Abschreibungen, Betriebskosten, entgangenem Nutzen (also den nun anfallenden Kosten für den Einkauf von Strom und Wärme) sowie den Erlösen ein Plus für die Kläranlage heraus.

Energie speichern mit Power-To-Gas

Mit einem größeren Anteil von Wind- und Sonnenstrom werden Speichertechnologien immer wichtiger. Eine Möglichkeit ist, bei Erzeugungsspitzen Wind- und Sonnenstrom zur Erzeugung von Gas zu verwenden (Power-to-Gas). Das heißt, zunächst wird mit den Erzeugungsspitzen aus dem Stromnetz ­Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten (Elektrolyse). Im nächsten Schritt wird aus dem Wasserstoff und CO2 Methan erzeugt (Methanisierung). In Kläranlagen ergeben sich dabei vielerlei Synergieeffekte: Der Sauerstoff aus der Elektrolyse kann für die Belüftung oder – falls vorhanden – eine Ozonierung verwendet werden. Für die Methanisierung kann das CO2 aus dem Biogas oder der Biogas-Aufbereitung genutzt werden. Die bei der Methanisierung entstehende Wärme kann zur Heizung des Faulturmes verwendet werden. Und nicht zuletzt ist in Kläranlagen qualifiziertes Betriebspersonal ohnehin vorhanden – es entstehen also auch hier Synergien.

Die beste Lösung für die eigene Kläranlage

Die „richtige“ Lösung für die jeweils eigenen Anforderungen zu finden, ist eine komplexe Aufgabe: Welche Stoff- und Energieströme fallen an – und zu welchen Zeiten? Welche Kosten und Zusatzeinnahmen sind zu erwarten? Welche Kooperationen mit Wärme- oder Stromnetzbetreibern sind möglich? Um einen ersten Überblick zu gewinnen, ist das „Decision Support Tool“ (DEST) hilfreich, das von der Homepage der AEE INTEC heruntergeladen werden kann. Mit Hilfe von realen Input-Daten über den Abwasser-Zulauf und der Auswahl verschiedener Technologien können dabei verschiedene Szenarien erstellt und mit der Ist-Situation verglichen werden. Bilanziert werden dabei die Wertstoffe Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor. Auf der energetischen Seite fließen Biogas, Wärme und Strom in die Bewertung ein. In der Auswertung werden außerdem ökonomische und ökologische Größen berücksichtigt. Neben Jahreswerten kann auch mit Monatswerten gerechnet werden, um saisonale Schwankungen zu berücksichtigen.

Mögliche Stoff- und Energieflüsse in einer Kläranlage

Das Decision Support Tool (DEST) und ein detailliertes Manual können unter www.ar-hes-b.aee-intec.at heruntergeladen werden

WEITERE INFORMATIONEN: DI Christoph Brunner Bereichsleiter Industrielle Prozesse und Energiesysteme AEE – Institut für Nachhaltige Technologien Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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