Zeitschrift EE

Heizen und Kühlen mit Beton

Wohn- oder Arbeitsräume können mit thermisch aktivierten Gebäudeteilen erwärmt oder gekühlt werden. Statt wertvollen Platz in einem Haus mit großvolumigen Speichern zu verstellen, wird die Energie einfach in die Wände, Böden oder Decken eingeleitet und kontinuierlich abgegeben.

In den idealen Vorstellungen von Bauherren wird möglichst viel Heizenergie mit Kollektoren auf dem Dach eines Hauses erzeugt und möglichst lange für die Nutzung im Gebäude gespeichert; bisher meist in großvolumigen Wärmespeichern, die viel Platz brauchen und teuer sind.

Abbildung: CoWomen Berlin/Unsplash

Das Forschungsprojekt solSPONGEhigh von AEE INTEC in Zusammenarbeit mit der TU Graz zeigt eine Alternative dazu auf: speichert man Solarwärme statt in Pufferspeichern in Decken, Wänden oder Fundamenten der Bauwerke, kann weit mehr als die Hälfte des jährlichen Heiz- und Warmwasserbedarfs mit der Sonne gedeckt werden. solSPONGEhigh steht für „Hohe solare Deckungsgrade durch thermisch aktivierte Bauteile im urbanen Umfeld“.

Das Konzept dahinter heißt Bauteilaktivierung oder auch Betonkernaktivierung. Dabei wird ein Rohrregister – ähnlich dem bei einer Fußbodenheizung – beim Bau des Gebäudes in der Bodenplatte und in den Zwischendecken auf der Ebene der Stahlbewehrung verlegt (siehe Abbildung 1). Das von der Sonne erwärmte Wasser fließt durch das Rohrregister und wird vom umliegenden Beton aufgenommen. Der Beton dient als thermischer Speichernd kann gleichzeitig als alleiniges und kostenoptimiertes Wärmeabgabesystem wirken. In Wohngebäuden wie in Funktionsbauten wurde das Konzept in Österreich bereits erfolgreich eingesetzt.

Immer wichtiger wird auch das Kühlen von Gebäuden. „Die Möglichkeit zum Kühlen erweist sich bereits jetzt als wertvoller, vielfach auch notwendiger Beitrag für die Sicherstellung ­eines über das ganze Jahr gesicherten hohen thermischen Komforts. Vor dem Hintergrund des derzeit ablaufenden Klimawandels wird die Bedeutung dieser Thematik in naher Zukunft stark ansteigen. Die ganzjährige Temperierung von Wohngebäuden mittels Bauteilaktivierung kann damit als wichtiger Bestandteil von Planungsansätzen in Bezug auf zukunftsgerechtes Bauen eingeordnet werden.“ (Zitiert aus dem Projektbericht „Energiespeicher Beton“, erstellt im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“).

Mit dem solSPONGEhigh-Projekt untersuchten die Wissenschaftler für drei Gebäudetypen und verschiedene Haustechniksysteme, welche maxi­ male solare Deckung durch Bauteilaktivierung erreicht werden kann.

Die Bauteile werden dabei entweder direkt über eine solarthermische Kollektoranlage oder über eine solarstrombetriebene Wärmepumpe aktiviert.

Abbildung 1: Bauteilaktivierung in der Zwischendecke: Das Rohrregister wird auf der Ebene der unteren Beweh­ rung oder zentral auf die Zwischendecke gelegt und dann mit Beton umgossen. Foto: AEE INTEC

Abbildung 2: Dieses Einfamilienhaus im Vorarlberg mit 27,4 Quadratmeter Flachkollektoren auf dem Dach wird übers Jahr zu 74 Prozent solar beheizt aufgrund der aktivierten Bodenplatte und Zwischendecke. Foto: AEE INTEC

Foto: Kulturzentrum Hallwango. Bauteilaktivierung ist nicht auf den Wohnungsbaubeschränkt: In diesem Veranstaltungs­ zentrum in Hallwang wurde mit 139 Quadratmeter Flachkollektoren auf dem Dach zusammen mit 480 Kubikmeter Betonteilaktivierung der Bodenplatte und der Geschoßdecke ein solarer Heizanteil von 93 Prozent innerhalb einer wissenschaftlichen Begleitforschung messtechnisch nachgewiesen.

Die Ergebnisse sind vielversprechend. Ein Kollektorfeld von 20 Quadratmetern kann ein Niedrig­ energiehaus einer Familie übers Jahr hinweg bereits mit einem Anteil von deutlich mehr als der Hälfte der benötigten Wärme beheizen und mit Warmwasser versorgen – vorausgesetzt, die Decken speichern und heizen mit. Der Anteil der Sonne steigtuf bis zu 80 Prozent des Wärmebedarfs, wenn man die Kollektorfläche verdoppelt und mit einer Sole/ Wasserwärmepumpe kombiniert.

Den Praxistest haben viele vom Energie- und Klimafonds geförderte Solar-Aktivhäuser bereits erfüllt. Für die Förderung wird eine solare ­Deckung des Wärmebedarfs von 70 Prozent und mehr verlangt und wird anhand von Messungen innerhalb des wissenschaftlichen Begleitforschungsprogrammes überprüft. Ein Beispiel ist das Einfamilienhaus in Vorarlberg mitinem spezifischen Heizwärme­bedarf laut Energieausweis von 34 kWh/m2a (siehe Abb. 2).

Auf dem Dach fangen 27,4 Quadratmeter Flachkollektoren die Sonne ein. In der Bodenplatte sowie der Zwischendecke können 48 Kubikmeter Beton thermisch aufgeladen werden. Die Messungen von AEE INTEC haben gezeigt, dass übers Jahr 74 Prozent des Heiz- und Warmwasserbedarfs mit der Sonne gedeckt werden.

Ohne Aktivierung der Geschoßdecken könnte ein so hoher Solaranteil am jährlichen Wärme­ bedarf eines Einfamilienhauses nur mit einem großvolumigen Wasserspeicher erreicht werden.

Entscheiden sich die Bauherren allerdings für eine PV-Anlage und Wärmepumpe – eine derzeit sehr beliebte Variante im Neubau –, müssen sie sich mit einem deutlich niedrigeren Solaranteil zufriedengeben. Eine 20 Quadratmeter große PV-Anlage deckt zusammen mit einer Luft/Wasserwärmepumpe bei einem Niedrigenergiegebäude 24 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs aus solaren Erträgen – auch eine doppelt so große PV-Anlage in Kombination mit Betonteilaktivierung liegt bei nur 36 Prozent. Mit einer PV-Anlage mit 60 Quadratmetern, installiert auf Dach- und Fassaden­ flächen, würden 42 Prozent solare Wärmedeckung erreicht werden.

Nun bestimmt allerdings nicht nur die Ökologie die Entscheidung der Kunden, sondern auch die Ökonomie, und hier kann das solarelektrische Versorgungskonzept punkten, vor allem weil Überschussstrom mit der Einspeisevergütung abgerechnet werden kann. Die Annuität, also der Kapitalwert der Investition über den angenommenen Betrachtungszeitraum von 25 Jahren, liegt bei der 60-Quadratmeter-Photovoltaik- und Wärmepumpen-Variante bei 2.644 Euro und erreicht 42 Prozent solare Deckung (siehe Abbildung 3). Die Familie mit der 20-Quadratmeter-Solarthermie- und Wärmepumpen-Variante kommt auf eine Annuität von ­3.101 Euro, erreicht jedoch mit der geringeren Fläche einen deutlich höheren Solaranteil von ­58 Prozent pro Jahr.

Auch Mehrfamilienhäuser können zu über 50 Prozent solar beheizt werden, wenn die Speichermassen in Böden und Decken genutzt werden. Allerdings steht aufgrund des kompakten Baukörpers weniger Dachfläche in Bezug auf das zu beheizende Volumen zur Verfügung, sodass die Simulationen des Projektteams bei einem Niedrigenergie-Mehrfamilienhaus mit 125 Quadratmetern Kollektorfläche eine maximale solare Deckung von 59 Prozent ergaben. Auch hier gilt: die mit PV-Strom betriebene Wärmepumpe bleibt bei gleicher Solarfläche mit 48 Prozent solarer Deckung deutlich darunter.

Allerdings wirkt sich bei den ökonomischen Betrachtungen die Einspeisevergütung noch stärker aus, sodass die jährliche Annuität der Solarstromvariante nur mehr halb so hoch ist wie bei dem solarthermischen Hausversorgungssystem.

VORTEILE DER BAUTEILAKTIVIERUNG

  • Einsatz in Wohn-, Büro- und Betriebsgebäuden möglich
  • Beton kann Wärme zwischenspeichern und zeitversetzt abgeben
  • Der Einsatz von Sonnenkollektoren eignet sich besonders gut als Hilfsmittel für die Betonkernaktivierung
  • Heizen und Kühlen ist möglich
  • Für die Kühlung von Räumen kann Grundwasser genutzt werden
  • Hoher thermischer Komfort übers Jahr, jedoch keine Klimatisierung
  • Geringerer Energieverbrauch, hohe Behaglichkeit (geringe Temperatur­unterschiede der Oberflächen)

NACHTEILE DER BAUTEILAKTIVIERUNG

  • Betonkernaktivierung reagiert langsam auf Veränderungen der Außentemperatur
  • Eine Nachtabsenkung der Heiztemperatur ist kaum möglich
  • Bei niedrigen Außentemperaturen reicht bei weniger gut gedämmten Gebäuden die Heizung der Räume durch Betonkernaktivierung allein nicht aus
  • Für die Planung und Steuerung der Anlage ist das Know-how bzw. die Zusammenarbeit von Fachleuten frühzeitig gefragt
  • Akustikmaßnahmen an der Decke sind nur eingeschränkt möglich
  • Wärme- und Kälteabgabe ist eingeschränkt
  • Hochwertige Gebäudehülle und geringe Lüftungsverluste sind erforderlich

Die Resultate aus den ökonomischen und ökologischen Vergleichen haben gezeigt, dass die Kopplung von solaren Umwandlungstechnologien mit der thermischen Bauteilaktivierung ein großes Potenzial besitzt, hohe solare Deckungsgrade zu erreichen und die Effizienz konventioneller Energieversorgungssysteme stark zu erhöhen – bei moderaten Kosten. Die Ergebnisse machen außerdem deutlich, dass die Fähigkeit der Bauteile, Wärme zu speichern, ein enormes Potenzial zur Energieflexibilität aufweist. Schlechtwetterperioden mit geringer Einstrahlung können demnach länger – ohne Betrieb des Zusatzheizsystems – überbrückt bzw. der Strom- oder Wärmebezug aus Netzen verzögert in Anspruch genommen werden.

Ein besonderes Merkmal der Bauteilaktivierung ist der Selbstregeleffekt. Wärme wird nur dann abgegeben, wenn die Temperatur im Raum niedriger ist als im Speichermedium, und ist die Temperatur im Raum höher als im Speichermedium, wird sogar Wärme aufgenommen. Die Strahlungswärme aus den aktivierten Bauteilen wird – entsprechend dem Kachelofenprinzip – als sehr angenehm empfunden.

Für den Betrieb der aktivierten Bauteile werden selbst bei tiefsten Außentemperaturen nur Vorlauftemperaturen von knapp über 30 Grad Celsius benötigt. Damit eignet sich dieses System bestens für eine besonders effektive Nutzung erneuerbarer Energien – neben der Kombination mit thermischen Sonnenkollektoren sind es vor allem Wärmepumpen, die hier zum Einsatz kommen.

Da nach aktuellen Prognosen nicht absehbar ist, dass die Klimakatastrophe gestoppt werden kann, müssen auch in der Gebäude- und Haustechnikplanung Szenarien berücksichtigt werden, wie mit den zu erwartenden signifikant höheren Außen­temperaturen umgegangen werden soll. Vor diesem Hintergrund ist die Bauteilaktivierung als System, das sowohl heizen als auch kühlen kann, ein wichtiger Teil des zukunftsorientierten Bauens.

Abbildung 3: Wärmepumpen (WP) in Kombination mit Solar­ wärmeanlagen erreichen deutlich höhere solare Deckungsraten bei Heizung und Warmwasserbedarf als Wärmepumpen mit PV Anlagen. Allerdings liegen die jährliche Annuität, also der Kapitalwert der Inve­stition, bei den Solarstrom Varianten deutlich niedriger, da der eingespeiste Solar­ strom vergütet wird. Quelle: AEE INTEC & IWT

Das Projekt „solSPONGEhigh – Hohe solare Deckungsgrade durch thermisch aktivierte Bauteile im urbanen Umfeld“ wurde im Rahmen des Förderprogrammes „Stadt der Zukunft“ des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie realisiert.

Dieser Artikel basiert auf dem Bericht zu dem Projekt solSPONGEhigh und wurde von der Redaktion der „erneuerbare energie“ überarbeitet und ergänzt.

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