Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Österreich auf dem Weg zu einer nachhaltigen und zirkulären Gesellschaft

Unsere gemeinsamen Herausforderungen, wie Klimakrise, Kontamination und Zerstörung von Ökosystemen und der damit einhergehende Biodiversitätsverlust sowie die zunehmende Verknappung der begrenzten planetarischen Ressourcen, zeigen die Grenzen unseres linearen Wirtschaftssystems schonungslos auf. Es ist höchste Zeit, dass wir das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist.

Foto: Stanislaw Pytel / Getty Images

Der neue Weg – Wirtschaften im Kreislauf

Als Reaktion auf diese globale Bedrohung hat die Europäische Kommission Ende 2019 ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket für einen nachhaltigen ökologischen Wandel auf den Weg gebracht – den sogenannten „Green Deal“. Das zentrale Ziel des Green Deals ist es, die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Ein wesentlicher Bestandteil, um dieses Ziel zu erreichen, ist der im März 2020 veröffentliche Aktionsplan der Kreislaufwirtschaft. Die zentralen Themen dieses europäischen Masterplans sind eine nachhaltige Produktpolitik sowie Abfallvermeidung und Recycling.

Auch wir in Österreich setzen dazu engagierte Schritte, um diese Ziele zu erreichen. Die Vision der Bundesregierung ist die Umgestaltung der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale, nachhaltige Kreislaufwirtschaft bis 2050. Das soll durch eine nachhaltige Entwicklung, die sowohl die Erhaltung unserer Ökosysteme als auch eine hohe Lebensqualität und materiellen Wohlstand für uns und künftige Generationen sichert, ermöglicht werden. Daher wurde im aktuellen Regierungsprogramm die Entwicklung einer österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie festgeschrieben. Denn neben der Energiewende und der Mobilitätswende ist die Kreislaufwirtschaft der dritte Schlüssel für die Erreichung unserer Klimaschutzziele. Nur wenn wir die begrenzt vorhandenen Ressourcen im Kreislauf führen, können wir die Treibhausgase auch in den energieintensiven Industrien ausreichend beschränken.

Abbildung. Quelle: Europäische Kommission

Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz

Unsere Klimaziele sind nur mit der Umsetzung einer effizienten Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaftsmodelle bieten großes Potenzial für die Reduktion von Emissionen, indem wir die Art und Weise ändern, wie wir Güter produzieren und nutzen. Die globalen Treibhausgasemissionen sind zu rund 50 Prozent, der Biodiversitätsverlust und der Wasserstress zu mehr als 90 Prozent auf die Gewinnung und Verarbeitung von primären Rohstoffen zurückzuführen. Allein die Produktion von Stahl, Zement, Kunststoffen, Papier und Aluminium verursacht 36 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen.

Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz

Gerade die jüngsten Entwicklungen zeigen auf beklemmende Weise, wie wichtig die Sicherung der Verfügbarkeit von Rohstoffen ist. Der Krieg in der Ukraine ist vor allem eine humanitäre Katastrophe und eine Völkerrechtsverletzung. Aber darüber hinaus spüren wir in Europa auch massiv eine Störung der Lieferketten und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen. Hier kann die Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten, unabhängiger von Importen zu werden und somit die Resilienz der österreichischen Wirtschaft zu stärken.

Der Ressourcenverbrauch in Österreich hat sich in den Jahren von 2010 bis 2018 zwar stabilisiert, allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Der inländische Materialverbrauch (DMC – Direkter Materialeinsatz minus Ausfuhr in das Ausland) lag 2018 bei 167 Millionen Tonnen (Mt) pro Jahr bzw. bei 19 Tonnen pro Kopf und Jahr und liegt damit um 5 Tonnen über dem europäischen Durchschnitt. Über die Hälfte davon entfiel auf nicht-metallische Mineralstoffe, vor allem Baurohstoffe (95 Mt/a), knapp ein Viertel auf Biomasse (38 Mt/a), 15 Prozent auf fossile Energieträger (24 Mt/a) und 5 Prozent auf Metalle (8 Mt/a). Noch deutlich höher als der DMC ist der österreichische Material-Fußabdruck (Der Material-Fußabdruck (MF) berücksichtigt neben den in Österreich gewonnenen Rohstoffen (DMC) auch die Menge aller Rohstoffe, die im Ausland für die Herstellung und den Transport der in Österreich verbrauchten oder genutzten Güter und Dienstleistungen verwendet werden). Er lag 2017 bei 33 Tonnen pro Kopf und Jahr und somit ebenfalls weit über dem europäischen Durchschnitt von 23 Tonnen.

Österreichischer Materialverbrauch (DMC). Quelle: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Ressourcennutzung in Österreich, BMK 2020, Band 3

Materialien sorgfältiger und gezielter einzusetzen, Produkte möglichst lange zu nutzen und Stoffe möglichst lange im Wertstoffkreislauf zu halten – das sind die Gebote der Stunde und das alles sind Kernelemente der Kreislaufwirtschaft. Die aktuellen Herausforderungen zeigen uns die Grenzen unseres derzeitigen Wirtschaftssystems schonungslos auf. Ein kollektives Umdenken ist unumgänglich und dringendst geboten.

Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie

Im Herbst 2020 erfolgte der Startschuss für die Arbeiten an einer österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie. In einem breit angelegten und transparenten Beteiligungsprozess haben ca. 250 Experten aus verschiedensten Disziplinen ihr Fachwissen eingebracht, um gemeinsam die für eine Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu entwickeln.

Die in der Kreislaufwirtschaftsstrategie formulierte Vision ist die Umgestaltung der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale, nachhaltige Kreislaufwirtschaft bis 2050. Das Kernstück bilden vier konkret messbare strategische Zielsetzungen:

  1. Reduktion des Ressourcenverbrauchs in zwei Schritten Reduktion des Inländischen Materialverbrauchs (DMC) um 25 Prozent auf 14 Tonnen pro Kopf und Jahr bis 2030 Senkung des Material-Fußabdrucks (MF) um 80 Prozent auf 7 Tonnen pro Kopf und Jahr bis 2050
  2. Steigerung der inländischen Ressourcenproduktivität (Wirtschaftswachstum in Relation zum Ressourcenverbrauch. Beschreibt das Verhältnis zwischen monetärem Output und Ressourceninput) um 50 Prozent bis 2030
  3. Steigerung Zirkularitätsrate (sie misst den Anteil des recycelten und wieder in die Wirtschaft eingespeisten Materials) auf 18 Prozent bis 2030
  4. Reduktion des materiellen Konsums in privaten Haushalten um 10 Prozent bis 2030

Diese Ziele stellen die Leitplanken für die mittel- und langfristige Entwicklung der Ressourcennutzung und der Kreislaufwirtschaft in Österreich dar.

Im Rahmen der Erstellung der Kreislaufwirtschaftsstrategie wurden rund 600 Maßnahmen in den Schwerpunktbereichen Bauwirtschaft und Infrastruktur, Mobilität, Kunststoffe und Verpackungen, Textilwirtschaft, Elektro- und Elektronikgeräte, Informations- und Kommunikationstechnologien, Biomasse, sowie Abfälle und Sekundärressourcen ausgearbeitet. In jedem Schwerpunktbereich wurden konkrete Vorhaben entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufes, von der Produktgestaltung über die Nutzung bis hin zum Abfallmanagement, erarbeitet. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen sollen Materialien gezielter eingesetzt, länger genutzt und unter Erhalt ihrer Eigenschaften stofflich wiederverwendet oder wiederverwertet werden. Nur das, was gar nicht mehr stofflich rezyklierbar ist, soll einer energetischen Verwertung zugeführt werden. Die Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten, eine erhöhte Reparaturfähigkeit, und die Entwicklung von Geschäftsmodellen auf Basis von Dienstleistungen anstatt von Produkten, sind weitere notwendige Entwicklungen. Effizienter Ressourceneinsatz muss sich für alle Teile der Wertschöpfungskette auch ökonomisch lohnen. Leistungsbasierte Geschäftsmodelle wie „Chemical Leasing“ (Chemical Leasing zielt auf eine effizientere Nutzung von Chemikalien im Produktionsprozess ab, indem es die Geschäftsbeziehung zwischen dem Nutzer von Chemikalien und dem Lieferanten neu definiert.) sind der Schlüssel dazu.

Der Umsetzungsprozess der Kreislaufwirtschaftsstrategie wird von einer mit dieser Aufgabe durch das Klimaschutzministerium noch zu beauftragenden Stelle begleitet und dokumentiert. Vorgeschlagen wird die Schaffung eines „Circularity Lab“ in Anlehnung an das bereits eingerichtete „Climate Lab“. Eine zentrale Aufgabe des Umsetzungsprozesses wird darin bestehen, „Best Practice“- Beispiele innovativer Kreislaufwirtschaftsprojekte darzustellen, zu analysieren und aufzubereiten, sodass eine breite Umsetzung spezifischer Lösungsansätze ermöglicht wird. Bis spätestens Ende 2025 wird das Klimaschutzministerium einen Bericht zur Evaluierung der Strategie und ihrer Umsetzung vorlegen. Darüber hinaus werden seitens des BMK Fortschrittsberichte zur Umsetzung erstellt werden.

Die Wandlung hin zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft erfordert das Engagement und die Mitwirkung aller. Die Politik ist gefordert die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Aber auch die Bereitschaft der Wirtschaft, Kreisläufe zu schließen, und der Bevölkerung zu einem nachhaltigen Konsumverhalten, wird für den Erfolg der Strategie ganz entscheidend sein. Daher sind die Einbindung, Information und Aufklärung der Öffentlichkeit sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unabdingbar für eine erfolgreiche Transformation Österreichs hin zu einer nachhaltigen und zirkulären Gesellschaft.

Autoren

Mag. Dr. Thomas Jakl ist stellvertretender Sektionsleiter der Sektion V - Umwelt und Kreislaufwirtschaft im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Harald Kasamas ist in Sektion V - Umwelt und Kreislaufwirtschaft, Abteilung V/5 des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Stellungnahme

"In einer Kreislaufwirtschaft werden die Bedürfnisse der Gesellschaft mit einem Optimum an Ressourceneffizienz gedeckt. So ist der effizienteste Weg für saubere Oberflächen zum Beispiel, Verschmutzungen zu vermeiden. Der Vorzug gilt Geschäftsmodellen, welche sich etwa an der zu erbringenden Leistung (Wärme, Licht, Mobilität etc.) und nicht am Absatz der Energieträger orientieren. Längere Nutzung von Produkten ist im Fokus und eigentliches Recycling erfolgt erst dann, wenn Produkte am Ende ihres Lebenszyklus angelangt sind."

Dr. Thomas Jakl, Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Sektion V – Umwelt und Kreislaufwirtschaft. Foto: BMK

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