Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Flexible Sektor-Kopplung

Der steigende Anteil an fluktuierendem Wind- und PV-Strom im Netz sorgt für große Stromspitzen und daher zur Belastung des Stromnetzes. Aufgrund von fehlenden elektrischen Speichermöglichkeiten müssen diese Kraftwerke daher teilweise abgeschaltet werden. Durch Energiespeicherung mit Hilfe von thermischen, chemischen oder elektrischen Speichertechnologien im Wärme- (Kälte-) und Mobilitätssektor können Stromspitzen aus dem Netz genutzt werden, um einerseits die Netze zu entlasten und andererseits den Anteil an erneuerbaren Energien auch in anderen Sektoren zu erhöhen.

Darstellung der möglichen Verbindungen zwischen Speichertechnologie, Sektoren und Anwendungen. Nur Elektrizität als zu speichernde Energieform wird betrachtet. Quelle: AEE INTEC

Untersuchungen zu Sektor-Kopplung im Rahmen der Internationalen Energieagentur

Das Hauptziel eines Projekts des Energiespeicher-Technologie-Programms der Internationalen Energieagentur (IEA ES Task 35 „Flexible Sector Coupling“) ist es, die Möglichkeiten und Auswirkungen von Energiespeicherung für die Kopplung von Energiesektoren zu klären. Dafür werden sowohl vorhandene als auch zukünftige Technologien und unterschiedliche Konfigurationen von Speichersystemen berücksichtigt. Mögliche Technologien werden von den teilnehmenden Expert*innen erfasst und das Potenzial sowohl technisch als auch wirtschaftlich und in Bezug auf verschiedene geografische Randbedingungen bewertet.

Da die Herausforderungen nicht nur Österreich betreffen, sondern eine länderübergreifende Zusammenarbeit erfordern, ist das Technologieprogramm „Energy Storage“ der Internationalen Energieagentur (IEA ES TCP) die ideale Plattform für einen intensiven Erfahrungsaustausch auf internationaler Ebene. Österreich ist mit vier teilnehmenden Forschungsinstituten – AEE INTEC, AIT (Austrian Institute of Technology), UIBK (Universität Innsbruck) und FH OÖ (Fachhochschule Oberösterreich) – sehr gut vertreten. Weitere Partner sind ZAE Bayern, Forschungszentrum Jülich, DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), Fraunhofer IOSB (Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung), FfE (Forschungsstelle für Energiewirtschaft, Deutschland), KTH (Royal Institute of Technology, Schweden), TNO (Niederlande), EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt), HSLU (Hochschule Luzern, Schweiz), PlanEnergi (Dänemark) sowie die internationalen Organisationen IRENA und Weltbank.

Nutzung von erneuerbarer Elektrizität für Mobilität und Wärme

Das Titelbild zeigt, welche Speichertechnologien, welche Sektoren und Anwendungen in der Arbeit des Tasks inkludiert werden. Erneuerbare Elektrizität kann zur Herstellung von Treibstoffen (Power-to-X) wie Wasserstoff, Ammoniak, E-Methan oder E-Fuels genutzt und in den zwei Sektoren Mobilität und Wärme für leichte oder schwere Fahrzeuge oder für Wärme und Kälte in Industrie und Gebäuden eingesetzt werden.

Es gibt viele unterschiedliche Speichertechnologien, und daher noch viel mehr Kombinationsmöglichkeiten für die Sektor-Kopplung. Um Möglichkeiten und Herausforderungen in der Sektor-Kopplung besser beurteilen zu können, wurde die mögliche Zahl von typischen Anwendungsfällen, die gesammelt und beschrieben wurden, daher beschränkt. Eine Übersicht listet mögliche Technologien, die wichtigsten technischen Eigenschaften der Technologie, enthält ein Bild und beschreibt die Möglichkeiten und Herausforderungen der Technologie in ein paar Sätzen. Die folgende Abbildung zeigt einen Demonstrator für die Methanol-Erzeugung in Dänemark als Beispiel für Power-to-X. In diesem Beispiel wird das produzierte Methanol als Fahrzeugkraftstoff eingesetzt.

Kurzbeschreibung einer Methanol-Umwandlungsanlage. Quelle: IEA ECES Task 35

Ein anderes Beispiel, für Power-to-Heat, zeigt die folgende Abbildung. Mittels Großwasserwärmespeicher kann bei geringen Verlusten Wärme vom Sommer in den Winter gespeichert werden. Der Speicher kann netzdienlich eingesetzt werden und Elektrizitäts-Überschüsse mittels Wärmepumpen als Wärme speichern.

Beschreibung eines Großwasserwärmespeichers; Überschuss-Elektrizität wird mittels Wärmepumpen als Wärme gespeichert Quelle: IEA ECES Task 35

Numerische Modelle

Als weiteres Ziel des Projekts werden numerische Modelle zur Berechnung des Effekts von Energiespeichertechnologien auf zwei Ebenen angewandt: in Städten und im nationalen Maßstab. Die Modelle können zusätzliche Aussagen über die Wirkung der Verwendung von Speichern im Zusammenhang mit dem Anteil von erneuerbaren Energien im Energiemix sowie über die optimierte Integration von Speichertechnologien liefern.

Aus den bisherigen Arbeiten des Projekts können bereits einige Schlüsse gezogen werden:

  • In Zukunft wird der Elektrizitätssektor den größten Anteil an erneuerbaren Energien einnehmen. Hintergrund ist die Erwartung, dass PV und Wind die wichtigsten erneuerbaren Energiequellen werden.
  • Mobilität und Wärme sind verantwortlich für 75 Prozent der Treibhausgasemissionen.
  • Sektor-Kopplung ist entscheidend für eine Dekarbonisierung aller Sektoren.
  • Flexible Sektor-Kopplung ist essentiell um eine gute Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen.
  • Eine große Anzahl unterschiedlicher Speichertechnologien ist in Entwicklung, aber auch am Markt verfügbar.
  • Bei der Auswahl der am besten geeigneten Speichertechnologie ist es wichtig, immer die Anforderungen der Anwendung als Ausgangsbasis zu nehmen. So wird direkte Nutzung von Elektrizität in einer Kältemaschine und Speicherung der Kälte zum Beispiel viel kostengünstiger sein als die Speicherung von Elektrizität in Batterien für die Erzeugung von Kälte zu einem späteren Zeitpunkt.

Autor

Dr. Wim van Helden ist Leiter des Bereichs „Technologieentwicklung“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

https://iea-es.org/task-35/

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