Zeitschrift EE

 nt 03 | 2022 Speicheroption Bauteilmasse

Impulsprogramm des Klima- und Energiefonds - „Energieflexibilität durch thermische Bauteilaktivierung“

Energiewende notwendig zur Erreichung der Klimaziele

Die fortschreitende Energiewende erfordert zum Erreichen der gesetzten Klimaziele eine Steigerung der Energieeffizienz, eine Reduktion von Treibhausgasemissionen sowie steigende Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Da der Gebäudebereich für einen wesentlichen Anteil am Energieverbrauch und an den CO2-Emissionen in Österreich verantwortlich ist (in etwa 33 Prozent), muss dieser zur Erreichung der Klimaschutzziele einen maßgeblichen Beitrag leisten und bis 2040 CO2-neutral werden. Der Gebäudesektor steht hier vor besonderen Herausforderungen und benötigt dabei die Neu- und Weiterentwicklung von Technologien, die hauptsächlich erneuerbare Energien nutzen. Eine Technologie mit hohem Potenzial stellt die Bauteilaktivierung dar. Dabei werden in ohnehin notwendigen Bauteilen wie Decken, Wänden oder Böden wassergeführte Heizungsrohre verlegt, welche die Beheizung sowie die Kühlung des Raumes mit niedrigen Systemtemperaturen bzw. geringer Temperaturspreizung ermöglichen. Dadurch können die großen thermischen Speichermassen der Gebäude sehr energieeffizient nutzbar gemacht werden. Die Bauteilaktivierung kann dabei in unterschiedlicher Ausführung, in Neubauten, Sanierungen, Nachverdichtungen oder Aufstockungen zum Einsatz kommen und in unterschiedlichen Materialien eingebracht werden. Durch thermische Bauteilaktivierung lässt sich ohne großen Aufwand infolge sehr niedriger Systemtemperaturen ein niedriger Gesamtenergieverbrauch erreichen und auch Wärme aus volatilen erneuerbaren Energiequellen über einen längeren Zeitraum speichern. Das Gebäude wird dadurch zu einem wichtigen Baustein der Energiezukunft und -flexibilität. Dies zeigt beispielsweise das Monitoringprojekt „Gebäude als Speicher“ [1], in dem ein Einfamilienhaus mit Bauteilaktivierung über eine Wärmepumpe im Jahresmittel zu 80 Prozent mit Überschuss-Windstrom eines Windparks beheizt werden konnte. Einige innovative Bauprojekte, die diese zukunftsfähige Technologie bereits einsetzen, sind auf der „Innovationslandkarte Bauteilaktivierung“ der Zukunftsagentur Bau zu finden [2].

Mehrkosten entstehen beim Bau mit Bauteilaktivierung gegenüber einer herkömmlichen Fußbodenheizung grundsätzlich nicht. Lediglich die Kosten für die Planungsleistungen eines Wärmeversorgungskonzepts mit Bauteilaktivierung können hier höher ausfallen. Um den Einsatz von Bauteilaktivierung im mehrgeschossigen Wohnbau voranzutreiben, setzt der Klima- und Energiefonds auf diese Technologie und unterstützt erhöhte Planungsdienstleistungen mit dem neuen Förderprogramm „Thermische Bauteilaktivierung“.

Bauteilaktivierung in Beton und Holz. Fotos: Fachhochschule Salzburg GmbH, Smart Building (2022)

Förderprogramm des Klima- und Energiefonds

Im Rahmen des Programms „Energieflexibilität durch thermische Bauteilaktivierung“ werden gezielt Planungsleistungen für gesamtheitliche Wärmeversorgungskonzepte mit thermisch aktivierten Gebäudemassen als Wärmespeicher sowie lokal erzeugter Energie oder erneuerbarem Strom aus Erzeugungsspitzen in Verbindung mit Wärmepumpen unterstützt (Themenfelder 1 und 2). Zur Minimierung von Lastspitzen wird auch die Einbindung von bauteilaktivierten Gebäuden in Mikro-, Nah- und Fernwärmenetze vom Klima- und Energiefonds adressiert (Themenfeld 3).

Die Fachhochschule Salzburg - Smart Building ist gemeinsam mit der Zukunftsagentur Bau für die wissenschaftliche Begleitung zuständig. Dies beginnt mit dem Abhalten eines Informationsgesprächs mit den Förderwerbern, in dem die eingereichten Projekte besprochen und die Anforderungen des Förderprogramms aufgezeigt werden, um diese inhaltlich zu erfüllen.

Das Informationsgespräch ist ein wichtiger Bestandteil, da hier bereits in einer frühen Planungsphase bei etwaigen Problemen im Zusammenhang mit dem Förderprogramm eingegriffen werden kann und notwendige Adaptionen direkt besprochen werden können. Zudem werden mithilfe eines Monitoringleitfadens die benötigten Datenpunkte je Themenfeld erklärt, sodass der Förderwerber diese entsprechend in die Planung miteinfließen lassen kann.

Die FH Salzburg ist gemeinsam mit der Zukunftsagentur Bau auch Ansprechpartner bei technischen Fragen für die Förderwerber während der Planungsphase und zuständig für die Überprüfung der Meilensteine aus technischer Sicht. Während der Informationsgespräche werden besonders innovative Konzeptideen vermerkt, um diese anschließend einer Kommission für ein wissenschaftliches Monitoring zu empfehlen.

Ein besonders innovatives Projekt ist zum Beispiel das Objekt Alszeile 93 in Wien von ÖSW „Österreichisches Siedlungswerk - Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft“ gemeinsam mit „Heimat Österreich gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m.b.H.“, welches die Abwärme eines im EG befindlichen Supermarktes in zwei Entwärmungsschritten nutzt. Einerseits wird die Energie direkt zum Heizen verwendet, andererseits dient überschüssige Leistung zum Regenerieren eines Tiefensondenfelds. Die Gebäudekühlung erfolgt über die Tiefensonden mit Free-Cooling.

Visualisierung des Projektes Alszeile 93. Quelle: OeSW_www.oln.at

Unterschiedliche Nutzungen im Gebäude (Wohnnutzung mit zusätzlichem betreutem Wohnen, Pflegeheim, Kindergarten, Ärztezentrum, Supermarkt) ergeben für die Bauteilaktivierung sehr unterschiedliche Temperaturanforderungen im Heiz- und Kühlbetrieb, sodass hier eine genauere Messdatenaufzeichnung sinnvoll für eine spätere Detailbetrachtung und Dissemination der Ergebnisse ist.

Mit Stand 07/2022 wurden 28 Beratungen mit Förderwerbern durchgeführt. 16 Projekte sind aktuell in der Förderung, davon haben vier Projekte bereits den Meilenstein 1 (Detail- und Umsetzungsplanung) abgeschlossen. Die Projekte haben einen Umfang von 107.000 m² BGF mit 1450 Wohneinheiten. Dafür wurde eine Fördersumme von 1.100.000 Euro beim Klima- und Energiefonds reserviert. Die Projekte befinden sich mehrheitlich im Osten Österreichs mit neun Projekten in Wien, gefolgt von drei Projekten in Salzburg und je zwei im Burgenland und der Steiermark. Somit sind in allen Bundesländern noch Einreichungen möglich und gewünscht.

Stellungnahme

"Die Thermische Bauteilaktivierung ist keine rocket science – es ist eine simple Technologie für nachhaltige Kühl- und Heizsysteme, aber mit großem Potenzial für die Klimaneutralität! Denn um diese für Österreich bis 2040 erreichen zu können, müssen die Emissionen auf null reduziert werden. Kern unseres Förderprogramms ist die Beauftragung von Planungsdienstleistungen und die wissenschaftliche Begleitung von Bauträgern zur optimalen Nutzung von thermisch aktivierten Gebäudemassen."

Ingmar Höbarth, Geschäftsführer Klima- und Energiefonds. Foto: Klima- und Energiefonds/Johannes Hloch

Autor*innen

Dipl.-Ing. Michael Moltinger, BSc, ist als Junior Researcher an der Fachhochschule Salzburg GmbH - Smart Building tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing.in Patricia Reindl, BSc, ist als Junior Researcher an der Fachhochschule Salzburg GmbH - Smart Building tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus Leeb ist als Forschungsleiter an der Fachhochschule Salzburg - Smart Building tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

[1] Monitoringprojekt „Gebäude als Energiespeicher“ S. Spaun, H. Kuster, A. Kuster, J. Lindenthal, R. Lechner, C. Dankl, Wien, 2019

[2] https://www.zukunft-bau.at/innovationslandkarte/bauteilaktivierung

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