Zeitschrift EE

Zurück zu 2019-01: Solarwärme in der Industrie

Solarenergie im industriellen Wasser- und Abwassermanagement

Christoph Brunner, Anna Grubbauer, Alexander van der Kleij

Der Wandel hin zu einer nachhaltigen, ressourcen- und energieeffizienten Industrie stellt in den kommenden Jahren eine große Herausforderung dar. Die effiziente Bereitstellung von Energie, die bestmögliche Integration erneuerbarer Energieträger und die Rückgewinnung von Ressourcen im Sinne einer Kreislaufschließung müssen damit einhergehen. Der Einsatz von solarer Prozesswärme stellt in der Industrie ein großes, aber bislang weitgehend ungenutztes Potenzial dar. Für die langfristige und erfolgreiche Einführung von Solarthermie sind innovative und konkrete Lösungen gefragt. Die Integration von solarer Prozesswärme zur Versorgung von Technologien zur Wasserbehandlung und -aufbereitung stellt ein neues Anwendungsgebiet mit großem technischen und wirtschaftlichen Potenzial dar. Das effiziente Zusammenspiel, der Nexus zwischen Solarenergie und Wasser eröffnet neue und innovative Lösungsansätze, die im Rahmen eines Projektes der internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 62) behandelt werden.

Im IEA SHC Task 62 steht der Nexus aus Solarenergie, Wasser und Industrie im Fokus. Fotos: iStock/Fotolia

Neue Technologien und Anwendungsgebiete: Nexus Solarenergie – Wasser – Industrie

Das Expertennetzwerk des Projekts greift ausgewählte Themen und Forschungsergebnisse auf, um die Möglichkeiten, Herausforderungen und Vorteile der Einbindung von Solarthermie in der Aufbereitung von Abwasser im industriellen Kontext zu behandeln. Hauptziel ist es, den Einsatz von Solarthermie in der Industrie zu erhöhen, neue Kollektortechnologien zu entwickeln und die industrielle sowie kommunale Wasseraufbereitung als neues Anwendungsgebiet mit hohem Marktpotenzial für Solarthermie zu erschließen. Der Nexus zwischen Solarthermie, Wasseraufbereitung und Industrie ermöglicht die Entwicklung innovativer Technologiekombinationen für eine nachhaltigere, ressourcen- und energieeffizientere Industrie.

Thermisch betriebene Wasserabtrenntechnologien?

Ein Forschungsschwerpunkt des Projekts liegt in der Kombination von solarthermischen Kollektoren mit Technologien zur Aufbereitung von Abwasser zu einer innovativen und wirtschaftlich attraktiven Gesamtlösung für die Industrie. Die Nutzung von thermisch betriebenen Trenntechnologien wie Membrandestillation in Kombination mit solarer Prozesswärme stellt eine energetisch und wirtschaftlich vielversprechende Alternative zu herkömmlichen strombetriebenen Trenntechnologien dar. Im Rahmen der Arbeiten wird eine technische und ökonomische Potenzialbewertung für den Einsatz von solarbetriebener Wasseraufbereitung mit dem FokusMembrandestillation durchgeführt. Dadurch sollen neue Umsetzungen initiiert bzw. weitere Forschungsund Entwicklungsfragen definiert werden.

Solare Wasserdekontaminierungsund -desinfektionssysteme

Zusätzlich zu thermischen Technologien stehen im Task 62 auch Aufbereitungstechnologien im Fokus, die die direkte UV-Strahlung nutzen. Es werden neue industrielle Anwendungsgebiete für diese solaren Wasserdekontaminierungs- und -desinfektionssysteme erhoben und durch die Identifikation von technischen, wirtschaftlichen und politischen Barrieren für neue Dekontaminations- und Desinfektionssysteme in der industriellen Wasser- und Abwasserwirtschaft können die laufenden Arbeiten besser auf die Bedürfnisse der Industrie abgestimmt, die Integration erleichtert und die Anzahl an Umsetzungen erhöht werden. Die gleichzeitige Nutzbarmachung von Wärme und UV-Licht in einer Technologie stellt ein neues Anwendungsgebiet von Solarenergie (UV, photokatalytische Anwendungen, etc.) in der Industrie dar.

Entscheidungshilfe für Anwender

Die entwickelten Konzepte zur Integration von Solarenergie in der Abwasser- und Prozesswasseraufbereitung werden in einem „Decision-Support-Tool“ Stakeholdern (Industriebetrieben, Anlagenplanern, Technologieanbietern, etc.) als Werkzeug zur Verfügung stehen, um damit die Entscheidungsfindung und detaillierte Planung von Gesamtsystemen (weitere Kombination mit Abwärme, anderen Erneuerbaren, etc.) zu unterstützen. Dadurch können Barrieren in der Umsetzung durch fehlendes Know-how der Anwender überwunden sowie die Marktdurchdringung von solarbasierten Trenntechnologien erleichtert werden.

Das Start-up SolarDew entwickelte sich aus dem niederländischen multinationalen Unternehmen Akzo Nobel und konzentriert sich auf die Entwicklung einer nachhaltigen Lösung für Wasserentsalzung. Das Start-up erarbeitete mit Experten aus den Bereichen Membrane, Polymere, Solar- und Wassertechnologien eine Methode zur Erzeugung sauberen Wassers ausschließlich mit Solarenergie. Die Idee zur Technologie entstand vor dem Hintergrund, dass es für Haushalte und kleine Gemeinden in Küsten- oder Trockengebieten, die täglich mit Brack- oder Salzwasser zu kämpfen haben, keine flächendeckenden, kommerziell verfügbaren Lösungen zur Entsalzung gibt und die Problematik der Wasserverknappung in schnell wachsenden Städten sowohl in Entwicklungsals auch in Industrieländern zunimmt.

Die Technologie entfernt Bakterien, Viren, Chemikalien und Salz, indem kontaminiertes Wasser mit Hilfe von Sonnenergie erwärmt und durch eine kostengünstige und speziell entwickelte Membran verdampft wird, um sauberes Wasser zu erzeugen. Das System ist für jede Art von Salzwasser oder verschiedene Grade biologischer oder chemischer Wasserkontamination geeignet. Das Besondere der Technologie ist unter anderem, dass der Prozess der Wasserabtrennung im Solarkollektor integriert ist. Diese Vereinfachung und die Tatsache, dass die Module durch Produktionsmaschinen aus der Verpackungsindustrie hergestellt werden können, führt zu einem in Herstellung und Betrieb sehr kostengünstigen Produkt. Aufgrund der physikalischen und chemischen Eigenschaften der SolarDew-Membran treten kaum Deckschichtbildung und Verblockung (Fouling) auf und dadurch bleibt die Wasserproduktion konstant. Verunreinigungen werden automatisch aus dem System abgeleitet. Neben der Sonnenenergie sind keine zusätzlichen Energiequellen notwendig, was in Regionen, in denen praktisch keine Infrastruktur vorhanden ist, von Vorteil ist.

SolarDew-Kollektor zur Aufbereitung von Salzwasser zu Trinkwasser. Die Technologie basiert auf Solarthermie. Foto: SolarDew

In tropischen oder subtropischen Klimata kann ein dreistufiges Haushaltssystem mit Außenabmessungen von 0,9 x 1,8 m zwischen 9 und 12,5 Liter Trinkwasser pro Tag bereitstellen und damit genug, um die minimalen Tagesanforderungen von zwei bis drei Personen zu erfüllen. Der Output bezieht sich auf einen durchschnittlichen Tag in einem Land mit einer Sonneneinstrahlung zwischen 1750 kWh/m2*a - 2500 kWh/m2*a. Das Start-up SolarDew bietet unterschiedliche Lösungen, angefangen bei kompakten, aufblasbaren Produkten für den Einsatz nach Naturkatastrophen bis zu Systemen, die Einzelpersonen oder Gemeinden zuverlässig und langfristig mit Trinkwasser versorgen. Größere Trinkwasserstationen ermöglichen die Produktion von 5 000 Liter Wasser und mehr pro Tag. Nach Prototypentests sollen bis Ende 2019 die ersten Demonstrationsprojekte in Chile und Oman starten.

Gemeinsam mit lokalen Partnern will SolarDew das Produkt 2020 auf den Markt bringen.

Querschnitt durch ein SolarDew-Modul. Quelle: SolarDew

Ausblick

Nach dem Vorbild von SolarDew werden im Rahmen des Projektes IEA SHC Task 62 innovative und wirtschaftlich attraktive Gesamtlösungen für die Industrie durch die Kombination von Wasserbehandlung und -aufbereitung mit Solarenergie geschaffen, um einerseits wertvolle Ressourcen wie Wasser, Energie, etc. einzusparen, den Nexus zwischen Solarenergie, Wasser und Industrie in Österreich und Europa herzustellen und damit einen neuen Markt für Technologieanbieter (Solarthermie, Wasserbehandlung und -aufbereitung) zu erschließen.

Autor

Dipl.-Ing. Christoph Brunner ist Leiter und Dipl.-Ing. Anna Grubbauer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Alexander van der Kleij ist zuständig für Produktentwicklung und Marketing bei SolarDew International. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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