Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Solarwärme verdreifachen: REPowerEU setzt Maßnahmen für beschleunigte Solar-Revolution

Lange Jahre ging es mit Europas Energiewende eher gemächlich dahin. Technologien wie Wind und Sonne konnten seit dem Jahr 2000 zwar Zuwächse verzeichnen, die Treibhausgasemissionen stiegen dennoch unaufhörlich, weil der Energieverbrauch stetig zunahm und weiterhin zum Großteil fossil gedeckt wurde. Als im Jahr 2015 endlich ein globales Klimaabkommen in Paris unterzeichnet wurde, lagen sich die Delegierten vor Freude in den Armen. In den Jahren danach blieben allerdings die Taten aus. Die ambitionslose UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 wurde schließlich zum unbeabsichtigten Startschuss einer weltweiten Klimabewegung, die sich Wochen danach als Fridays For Future formierte und die Politik mit Massenprotesten auf der Straße unter Zugzwang brachte. Eine unmittelbare Folge war, dass die EUKommission im Jahr darauf den European Green Deal ausrief, eine neue Wachstumsstrategie, mit der Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden sollte. Doch die Treibhausgasemissionen in Europa stiegen unaufhaltsam weiter. Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2020 wurde daher nach langem Ringen eine Verschärfung des Klimaziels für 2030 beschlossen, die Emissionen sollten bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden, nicht um 40 Prozent wie im Green Deal beschlossen. Das Paket „Fit für 55“ umfasste eine Reihe von Vorschlä- gen zur Aktualisierung der EU-Rechtsvorschriften, um die Klimaziele rascher zu erreichen. So wäre es wohl weitergegangen, alle paar Jahre verschärfte Rechtsvorschriften, hätte es nicht den Einmarsch Russlands in die Ukraine im heurigen Februar gegeben. Seither ist alles anders, jetzt kann es nicht schnell genug gehen, die „gefährliche Abhängigkeit der EU von russischer fossiler Energie“ zu beenden, wie EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagt. Die energiepolitische Antwort der EU auf Russlands Krieg gegen die Ukraine ist, im Vergleich zu bisherigen Bemühungen einen Turbo zu zünden, der die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland bis 2027 beendet und die EU früher als geplant komplett unabhängig von Öl, Gas und Kohle macht.

Foto: Wilke

REPowerEU-Plan als Turbo

Der Turbo wurde von der EU-Kommission im Mai unter dem Namen „REPowerEU“ gezündet. In Rekordzeit wurde ein umfangreicher Plan vorgelegt, der die Energiewende in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen soll. Der Plan ist eine Mischung aus mehr erneuerbarer Energie, weniger Energieverbrauch, Investitionen in die Infrastruktur, Beschaffung von Flüssiggas und Wasserstoff aus anderen Ländern und Hilfen für Mitgliedsländer, deren Abhängigkeit von russischer Energie besonders groß ist. Die Eckpunkte des REPowerEU Plans sind:

  • EU-Erdgasbevorratung: Befüllung der Erdgasspeicher bis 1. November 2022 auf 80 Prozent bzw. ab 1. November 2023 auf 90 Prozent
  • Anhebung des Ziels für erneuerbare Energien von 40 auf 45 Prozent
  • Anhebung des Energieeffizienzziels in der Gebäudeeffizienzrichtline von 9 auf 13 Prozent
  • EU-Solarstrategie – Verdoppelung des Solarstroms und Verdreifachung von Solarwärme und Geothermie
  • Integration von Großwärmepumpen, Geothermie und Solarwärme in die Fernwärme/Fernkälte
  • Ausgewiesene „Go-to-Gebiete“ für erneuerbare Energien mit schnelleren Genehmigungsverfahren
  • Produktion von 10 Mio. Tonnen erneuerbarem Wasserstoff in der EU und 10 Mio. Tonnen Wasserstoffimporten bis 2030
  • Aktionsplan zum Ausbau von Biomethan

Sämtliche Maßnahmen im REPowerEU Plan benötigen bis 2027 zusätzliche Investitionen, dabei ist von mehr als 300 Milliarden Euro die Rede.

Solarwärme und Geothermie verdreifachen

Neben dem Fokus auf Strom enthält der Plan erstmals konkrete und ambitionierte Aussagen zu erneuerbarer Wärme. Besonders Solarwärme und Wärmepumpen werden als Technologien gesehen, die sich schnell einführen lassen, da sie sowohl Vorteile für das Klima als auch finanzielle Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen bringen. Der Anteil von Solarwärme und Geothermie an der Energieversorgung soll bis 2030 verdreifacht werden, so die EU-Solarstrategie. Neben klassischen Sonnenkollektoren sollen bei Gebäuden auch Hybridlösungen wie PVT-Kollektoren breiter zum Einsatz kommen. Solarwärme und Geothermie sollen darüber hinaus stärker in der Fernwärme genutzt werden. Um genü- gend Freiflächen für solare Großanlagen zu finden, sollen ausgewiesene Vorranggebiete, so genannte "Go-to-Areas" für erneuerbare Energie definiert werden, in denen schnellere Genehmigungsverfahren gelten. Die Genehmigungsdauer für solare Großanlagen soll auf maximal drei Monate sinken, was einer kleinen Revolution gleichkommt. Bislang vergehen von der Entscheidung bis zur Umsetzung von solaren Großanlagen gern einmal drei Jahre, bis die Flächen gesichert und alle Genehmigungen eingeholt sind. Eine Beschleunigung bei den Genehmigungen soll neue Investoren anziehen, so die Hoffnung der EU.

Foto: Austria Solar / GREENoneTEC

EU Innovation Fund als Hebel

Um innovative Klimaschutztechnologien schneller in den Markt zu bringen, wurde vor zwei Jahren ein "EU Innovation Fund" eingerichtet, der den REPowerEUPlan als Finanzierungsinstrument unterstützt. Dieser weltweit einzigartige Fonds verfügt für 2020 bis 2030 über ein Budget von 10 Milliarden Euro, jedes Jahr eine Milliarde Euro für Investitionsprojekte in emissionsarme Technologien und Prozesse in der Industrie, erneuerbare Energie und Energiespeicherung. Die erste Ausschreibung Ende 2020 brachte 30 Projekte mit 118 Millionen Euro Fördervolumen. Es werden Kleinprojekte (2,5 – 7,5 Millionen Euro Investitionssumme) und Großprojekte (über 7,5 Millionen Euro) gefördert, mit bis zu 60 Prozent der Investitionssumme. Die 30 Projekte deckten ein breites Spektrum an Technologien ab. So wurden acht Projekte zu Stromspeichern gefördert, vier zu Wasserstoff, zwei zu Abwärme in der Industrie und ein Projekt für Geothermie. Es gab auch ein Projekt zu solarer Prozesswärme, den Zuschlag hat der französische Projektentwickler NewHeat erhalten. Mit einer 20 MWth starken Solarwärmeanlage wird in einer kroatischen Malzfabrik die Luft zum Trocknen von Malz vorgewärmt. Das Projekt erhielt 4,5 Millionen Euro aus dem Fonds und deckt 50 Prozent des Prozesswärmebedarfs der Fabrik, was 4 000 Tonnen pro Jahr an Treibhausgasen spart. Dieses Projekt ist typisch für die Art von Investitionen, die in den nächsten Jahren tausendfach in Europa getätigt werden müssen, um uns aus der fossilen Abhängigkeit zu befreien. Die Maßnahmen des REPowerEU-Plans sollen diesen Weg beschleunigen und Unternehmen sowie Haushalte zum Wechsel der Energieversorgung weg von fossiler Energie und hin zu rein erneuerbarer Versorgung animieren. Jetzt geht´s um‘s Anpacken – die Solar-Revolution kann kommen!

Autor

Dipl.-Ing. Roger Hackstock ist Geschäftsführer des Verbandes Austria Solar, der Branchenvertretung der Solarwärme in Österreich. Twitter: @RogerHackstock

Kommentar

"Europa importiert Energie und Ressourcen zu relativ hohen Kosten und generiert Wertschöpfung durch die Umwandlung in Chemikalien und Materialien. Die derzeitigen starken Preissteigerungen forcieren eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Europa, welche die Abhängigkeit der Prozessindustrie von Importen zu hohen Kosten verringert. Das eingesparte Geld kann für die Schaffung von, Arbeitsplätzen in der Kreislaufwirtschaft verwendet werden, in der die Prozessindustrie nach dem Sammeln, Sortieren und Recyceln von Altstoffen neue Materialien mit der gleichen Reinheit und Leistungsfähigkeit herstellt, die den Anforderungen zukünftiger Produkte entsprechen."

Ludo Diels, A. SPIRE (Proccesses4Planet), Chair of Advisory and Programming Group. Foto: VITO

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