Zeitschrift EE

2019-03: Lebenszykluskosten von Gebäuden

Erfahrungsbericht: Betriebskostenvergleich von realisierten Wohnbauten aus der Sicht eines Bauträgers

Gerold Köhler

Kaum ein Thema bestimmt in Deutschland derzeit die öffentliche Diskussion so intensiv wie die sogenannte "Wohnungsnot". In Ballungszentren wird es immer schwieriger eine Wohnung zu finden und die Mieten steigen in rasantem Tempo. In der erhitzten Debatte häufig vergessen wird die Tatsache, dass nicht nur die „Kaltmiete“ steigt, sondern in zunehmenden Maße auch die 2. Miete, also die Kosten, die der Mieter für Unterhalt und Betrieb seiner Wohnung bezahlen muss.

Mehrfamilienhaus "Brüssel", Baujahr 2008, monatliche Nebenkosten € 2,05 /m2 WFL, Heizenergieverbrauch 36 kWh/m2a, Anteil Heizkosten/ Gesamtnebenkosten 10% Foto: Köhler & Meinzer GmbH & Co KG

Für das deutsche Wohnungsunternehmen Köhler & Meinzer aus der Nähe von Karlsruhe war dies Anlass, im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes CRAVEzero (www.cravezero.eu) die Verbrauchskosten seiner in den letzten Jahren errichteten Wohnungen näher zu analysieren, um aus den Ergebnissen Rückschlüsse für zukünftige Projekte zu ziehen. Es ergaben sich interessante und relevante Fragestellung: Wie haben sich die Nebenkosten in der Vergangenheit entwickelt? Wie haben sich erhöhte Dämmstandards und neue Technologien auf die Verbräuche der Wohnungen ausgewirkt? Welche Möglichkeiten hat der Nutzer, um auf seine Verbrauchskosten Einfluss zu nehmen?

Historische Betrachtung

Der Schwerpunkt der Auswertung lag auf Objekten, die in den letzten 10 Jahren errichtet wurden. In der betriebseigenen Hausverwaltung werden aber auch Wohnungen erfasst, die in den siebziger bzw. in den neunziger Jahren gebaut wurden. In einer kurzen historischen Betrachtung sollen auch diese in die Untersuchung miteinbezogen werden. Als Vergleichsmaßstab herangezogen werden die Betriebskosten der Gebäude bezogen auf die Wohnfläche des Objektes. Ein besonderer Fokus bei der Untersuchung wird auf die Heizkosten gelegt.

Objekt 1: Mehrfamilienhaus "Rosenweg", Baujahr 1973, monatliche Nebenkosten € 1,90/m2 WFL, Heizenergieverbrauch 111 kWh/m2a, Anteil Heizkosten/Gesamtnebenkosten 38 %

Am 25. November 1973 war der erste autofreie Sonntag in Deutschland. Vor dem Hintergrund der Ölkrise hatte die Bundesregierung ein Sonntagsfahrverbot verhängt. Die Zeiten billiger Energie waren vorbei, die Endlichkeit fossiler Energieträger drang in das Bewusstsein der Bevölkerung ein.

Vor diesem Hintergrund erfuhr das obige Objekt bautechnische Verbesserungen: So wurden statt der üblichen Einfachverglasung Doppelfenster eingesetzt, der Bauherr legte bei den sogenannten Hohlblocksteinen für das Außenmauerwerk Wert auf einen hohen Bimsanteil zur besseren Wärmedämmung. Das Gebäude ist bis zum heutigen Zeitpunkt unsaniert, deshalb überraschen die im Verhältnis zum Lebensalter niedrigen Heizenergieverbräuche.

Objekt 2: Mehrfamilienhaus "Potsdam", Baujahr 1995, monatliche Nebenkosten € 2,31 /m2 WFL, Heizenergieverbrauch 118 kWh/m2a, Anteil Heizkosten/Gesamtnebenkosten 24%

Im Jahr 1995 trat die 2. Novelle der Wärmeschutzverordnung in Kraft, mit dem Ziel, die Heizenergieverbräuche weiter zu reduzieren. Trotz erheblich besserer Dämmqualitäten von Außenmauerwerk, Dach und Fenster im Vergleich zum Gebäude "Rosenweg" aus den siebziger Jahren sind bei diesem Mehrfamilienhaus sogar höhere Heizenergieverbräuche festzustellen. Eine Erklärung mag im Nutzerverhalten liegen, auf das im Folgenden noch näher eingegangen werden soll bzw. auch in der Gebäudegeometrie. Das Objekt „Rosenweg“ aus dem Jahr 1973 ist wesentlich kompakter, d.h. im Vergleich zum Gebäudevolumen hat es einen wesentlich geringeren Außenwandanteil, über den Heizenergie verloren gehen kann.

Nebenkosten werden bei hohem Dämmstandard von Warmwasserbereitung und Kosten für Komfort dominiert.

Objekt 3: Mehrfamilienhaus "Brüssel", Baujahr 2008, monatliche Nebenkosten € 2,05 /m2 WFL, Heizenergieverbrauch 36 kWh/m2a, Anteil Heizkosten/Gesamtnebenkosten 10%

Im Jahr 2004 wurde die Wärmeschutzverordnung von der wesentlich strengeren Energieeinsparverordnung abgelöst. Deren Anforderungen wurden mit der Novellierung im Jahr 2007 noch weiter verschärft, was sich auf die Heizenergieverbräuche der Wohnungen drastisch ausgewirkt hat: So verbrauchen die Bewohner des Hauses "Brüssel" im Vergleich zum Gebäude "Potsdam" aus dem Jahr 1995 weniger als ein Drittel an Heizenergie.

Die Grafik zeigt beispielhaft einen Ausschnitt aus einer Nebenkostenabrechnung. Deren Analyse führt zu weiteren interessanten Erkenntnissen:

Komfort kostet

Den Einsparungen an Heizenergie stehen andere Kostentreiber gegenüber. Während der im Beispiel dargestellte Zweipersonenhaushalt einer Dreizimmerwohnung gerade einmal 98,40 € im Jahr für die Beheizung seiner Wohnung verbraucht, muss er nur für Wartung und Bereitschaftsdienst des Aufzuges, über den die Bewohner des Wohnhauses "Rosenweg" nicht verfügen, insgesamt 258,00 € bezahlen. Im Objekt "Rosenweg" aus dem Jahr 1973 übernehmen die Bewohner Gebäudereinigung und Hausmeisterdienst in eigener Regie im Wechsel. In den jüngeren Gebäuden sorgt ein Hausmeister- und Reinigungsservice für zusätzlichen Komfort. Dieser ist ebenfalls entsprechend zu bezahlen.

Steigende Bedeutung der Kosten für die Warmwassererwärmung

Eine Untersuchung des statistischen Bundesamtes der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass über 70 % der Energie in Privathaushalten für die Raumwärme verbraucht wird. Dies mag für den alten Gebäudebestand korrekt sein. Bei der betrachteten Neubauwohnung sehen wir aber, dass die Bewohner deutlich mehr Energie für die Erwärmung ihres Warmwassers verbrauchen, als für die Heizung. Addiert man nun noch einen durchschnittlichen Verbrauch von Haushaltsstrom hinzu, bedeutet dies, dass der Heizenergieverbrauch nicht bei über 70 %, sondern unter einem Drittel des Gesamtenergieverbrauchs liegt. Diesen Trend stellen wir auch bei anderen vergleichbaren Wohnungen fest. Als Konsequenz bedeutet dies, dass bei weiteren Anstrengungen zur Energieeinsparung wesentlich höhere Effizienzpotenziale in der Reduzierung der Energie für die Wassererwärmung liegen als in der Einsparung von Heizenergie.

Der Bewohner bestimmt den Heizenergieverbrauch des Gebäudes

Das Zehnfamilienhaus "Brüssel" wurde insgesamt sieben Mal realisiert, so dass für die Analyse der Verbräuche insgesamt 70 Wohnungen zur Verfügung standen, viele davon exakt identisch. Die Auswertung der Heizenergieverbräuche ergab, dass es möglich ist, nahezu jede Wohnung in jedem Geschoss im Niedrigenergie-Standard oder sogar im PassivhausStandard zu betreiben, sofern der Nutzer sich entsprechend verhält. Auf der anderen Seite gab es Verbrauchsunterschiede bei identischen Wohnungen von über 300 %.

Objekt 4: Mehrfamilienhaus "Parkcarré", Baujahr 2015, monatliche Nebenkosten € 3,07 /m2 WFL, Heizenergieverbrauch 29,5 kWh/m2a, Anteil Heizkosten/Gesamtnebenkosten 12%

Überschaubare Einsparungen bei hohem Mehraufwand

Bei diesem Objekt wurden weitere erhebliche Verbesserungen an der Gebäudehülle und der Haustechnik durchgeführt. Es ist bis auf die Dachform nahezu baugleich mit dem Objekt "Brüssel" aus dem Jahr 2008. Deshalb bot es sich an, die einzelnen Maßnahmen den Einsparungen an Heizenergie gegenüberzustellen. Im Wesentlichen wurden folgende Veränderungen durchgeführt:

  • Dreifach- statt Zweifach-Verglasung der Fenster
  • Verbesserung der Dachdämmung Installation eines dezentralen Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung
  • Intensive Betrachtung und Optimierung der Wärmebrücken
  • Luftdichtheitsprüfung

Die Einsparung durch diese Maßnahmen für das Wohnhaus Baujahr 2015 im Vergleich zu "Brüssel" aus 2008 betrug ca. 6,5 kWh/m2a. Dies ist im Vergleich zu den Einsparungen der Gebäude von Baujahr 1995 zu 2008 ein bescheidener Wert im Verhältnis zum geforderten und betriebenen Aufwand.

Fazit und Konsequenzen

Die Betrachtung der Nebenkosten hat gezeigt, dass der Anteil der Raumwärme an den Gesamtkosten durch die über die Jahre stetig verbesserten Dämmstandards deutlich zurückgegangen ist. Erheblich an Bedeutung gewonnen haben dagegen die Kosten für zusätzlichen Komfort wie Aufzugsanlagen, Tiefgaragen, Hausmeister- und Reinigungsdienste. Diese Kosten kann der Bewohner durch sein Verhalten nicht beeinflussen.

Sehr wohl beeinflussen kann er jedoch die Heizkosten seiner Wohnung. Hier hat sich gezeigt, dass sein Verhalten größeren Einfluss auf den Heizenergieverbrauch hat, als die Qualität der Gebäudehülle oder der Haustechnik. Durch moderate Raumtemperaturen und ein kontrolliertes Lüftungsverhalten kann der Bewohner erhebliche Einsparungen erzielen.

Aufgrund des schwindenden Effekts von Verbesserungen der thermischen Hülle im Vergleich zu den Einflussmöglichkeiten des Nutzers liegt für das Wohnungsunternehmen Köhler & Meinzer, als Initiator der Studie, der Gedanke nahe, bei zukünftigen Objekten auf Basis eines guten energetischen Standards der Gebäudehülle den Fokus und die Investitionen auf die Produktion von regenerativer Energie vor Ort zu legen anstatt sie durch zusätzliche Dämmmaßnahmen in der Theorie einzusparen. Dies kann beispielsweise mit Technologien wie Photovoltaik oder kleinen Blockheizkraftwerken zur Wärme- und Stromerzeugung, ergänzt durch Batteriespeicher, erfolgen.

Bleiben diese Anlagen im Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), wird durch eine Eigenstromvermarktung neben dem positiven ökologischen Effekt auch ein finanzieller Ertrag generiert. Die durch den Stromverkauf an die Eigentümer und Mieter erzielten Einnahmen können auf das Rücklagenkonto der WEG gutgeschrieben werden und damit einen nennenswerten Beitrag zur Reduktion der Betriebs- und Instandhaltungskosten des Wohngebäudes leisten.

Autor

Gerold Köhler ist Geschäftsführer bei Köhler & Meinzer GmbH & Co KG, Deutschland.

Top of page