Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Solare Prozesswärme in Malaysia – eine Erfolgsgeschichte

AEE INTEC hat gemeinsam mit der United Nations Industrial Development Organisation (UNIDO) ein Projekt zu industrieller Energieeffizienz und solarer Prozesswärme (SHIP) in Malaysien durchgeführt. Nach sieben Jahren als Kernpartner wurde dieses Vorhaben nicht nur abgeschlossen, sondern der Grundstein für ein Erfolgsmodell gelegt.

Umsetzung solarer Prozesswärme in Malaysien. Foto: SIRIM/MAEESTA

Ausgangspunkt

Die Ziele des UNIDO-gef5-Projektes „Green House Gas Emissions Reductions in Targeted Industrial SubSectors through Energy Efficiency and Application of Solar Thermal Systems in Malaysia“ waren auf die Bedürfnisse der Industrie und die nachhaltige Förderung solarer Prozesswärme in Malaysien ausgelegt. Die Ausgangslage auf dem Weg zur Dekarbonisierung ist mit jener in europäischen Ländern absolut vergleichbar:

  • 28 % des Endenergiebedarfs fallen in der Industrie an1
  • Industrieller Energiebedarf wird hauptsächlich durch Erdgas (37 %) und Strom (15 %) gedeckt
  • Anteil erneuerbarer Energieträger vernachlässigbar
  • Die drei größten Industriesektoren sind „Eisen und Stahl“, „Mineralerzeugnisse“ und „Herstellung von Lebensmitteln und Getränken“1
  • Weltmarktführer in der Herstellung von Latexhandschuhen und Palmöl
  • Anteil des Prozesswärmebedarfs (ausgenommen Stahlindustrie) in niedrigem und mittleren Temperaturbereich (<100 °C / 100 - 400 °C) sehr groß2

Industrie und auch Berater verstanden bis Projektstart unter Energieeffizienz lediglich die Optimierung elektrischer Anlagen und die Nutzung solarer Energie wurde vor allem mit Photovoltaik verbunden. Dabei sind die Voraussetzungen für Energieeffizienz und vor allem solare Prozesswärme sehr gut. Bei einem ähnlichen Anteil diffuser und direkter Solarstrahlung wie in Mitteleuropa liegt der Gesamtwert solarer Strahlung bei mindestens 1.600 kWh/m²*a, also signifikant höher als in Mitteleuropa (Vergleich Österreich etwa 1.100 kWh/m²*a). Dieses Potential zu heben und Industriebetriebe dabei zu unterstützen, war das Ziel des UNIDO-gef5-Projektes.

Bewusstseinsbildung, Trainings und Umsetzungen

Die Aktivitäten mit dem klaren Ziel der maximalen Energieeffizienz und Integration solarer Prozesswärme in der Industrie sollten sicherstellen, dass durch das Projekt eine nachhaltige Wirkung erzielt wird. Deshalb wurde an unterschiedlichen Eckpfeilern gearbeitet:

Bewusstseinsbildung und Ausbildungsprogramme

In der ersten Projektphase galt es, das Bewusstsein für die technischen und wirtschaftlichen Potentiale industrieller Energieeffizienz und solarer Prozesswärme zu schaffen. Dabei wurden praktisch alle relevanten Stakeholder adressiert: (i) politische Entscheidungsträger und das Top-Management, (ii) Produktionsverantwortliche und Energiemanager in den Industriebetrieben, (iii) Berater und Technologieanbieter und (iv) die Ausbildungsinstitutionen. Abgestimmt auf den Bedarf der einzelnen Zielgruppen wurden bei AEE INTEC spezifische Informations-Workshops, Trainings und Ausbildungsprogramme entwickelt, angeboten und umgesetzt. Damit ist es gelungen, das Thema in sieben Jahren mehr als 1 500 Teilnehmer*innen in den Veranstaltungen näherzubringen.

Ausbildungskonzept

Kern der Ausbildung auf dem Weg zu tatsächlichen Umsetzungen im industriellen Bereich sind die Expertentrainings. Dem Grundsatz „efficiency is the first fuel“ folgend, widmet sich der erste Trainingsblock (4 Tage) der Methodik eines Energieaudits und der Identifikation und Bewertung von (thermischer) Energieeffizienz anhand der Methode der PinchAnalyse (Wärmeintegration). Das Gelernte wird in einem Zeitrahmen von 6 Monaten angewandt und für den Industriebetrieb ein Audit, beginnend mit der Erhebung des Ist-Standes durchgeführt. Die Ergebnisse werden im zweiten Training (4 Tage) präsentiert und der Fokus auf die Identifikation und Bewertung möglicher solarer Prozesswärmekonzepte gelegt. Ziel war es, ein erstes Konzept einer solaren Integration zu entwickeln, ohne jedoch auf detaillierte Simulationen und Programme zurückgreifen zu müssen. Dafür wurde bei AEE INTEC ein speziell zugeschnittenes SHIP-Tool entwickelt, das den Trainingsteilnehmern zur Verfügung gestellt und im Training erarbeitet wurde. Das Tool half dabei, Konzepte für solare Prozesswärme zu entwickeln, die über einfache Vorstudien hinausgehen. Die Ergebnisse wurden mit den Industriebetrieben diskutiert und weiter ausgearbeitet. Ziel war es, konkrete Umsetzungen zu initiieren.

Experten-Ausbildungskurs in Malaysia. Foto: AEE INTEC

Umsetzungen

Ein direkter Nutzen für die beteiligten Industriebetriebe waren die entwickelten Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz. Insgesamt wurden mehr als 100 Konzepte implementiert, die ein Spektrum von Mitarbeiterschulung über Verlustminimierung durch Isolierungen bis zu Regelungsoptimierungen von Heizkesseln umfassten. Für diese sogenannten „Low-hanging Fruits“ wurden in der Regel sehr kurze Amortisationsdauern von wenigen Tagen bis maximal zwei Jahren erreicht. Ergänzend wurden Wärmerückgewinnungsmaßnahmen gesetzt.

Hauptziel des Projektes waren schließlich Umsetzungen solarer Prozesswärme, um zu zeigen, dass diese Konzepte nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich sehr sinnvoll sind. Diese wurden von der UNIDO über direkte Investitionsförderungen unterstützt, um anfängliche wirtschaftliche Risiken abzufedern. Die erste Anlage in Malaysien wurde in einem Lebensmittelbetrieb umgesetzt: PPNJ Poultry & Meat Sdn. Bhd. in der Provinz Johor produziert Geflügel für den Verkauf in Supermärkten und an Restaurants. Dafür müssen geschlachtete Hühner in einem Wasserbad bei einer Prozesstemperatur von etwa 80 °C gereinigt werden. Im Ausgangssystem wurde dafür Strom für die Dampferzeugung zur Beheizung des Wasserbades verwendet. Das Konzept zur Integration solarer Prozesswärme sah die Bereitstellung von Prozesswasser bei einer Temperatur von maximal 91 °C vor, womit ein solarer Deckungsgrad von etwa 80 Prozent erreicht werden sollte. Im umgesetzten System versorgt ein 119 m² großes Kollektorfeld (Vakuumröhren) einen 8 m³-Speicher, in den auch das Backupsystem (Strom) integriert ist, mit Solarwärme. Jährlich eingesparte CO2-Emissionen von etwa 266 Tonnen sprechen für sich und das Monitoring hat gezeigt, dass die gesetzten Ziele erreicht werden konnten.

Ein besonderer Erfolg des Projektes war die Prämierung mit dem „ASEAN ENERGY AWARD 2018“. Insgesamt wurden fast 50 Konzepte solarer Prozesswärme entwickelt, 18 zur Förderung vorgeschlagen und initiiert. Einige davon befinden sich noch in der Umsetzungsphase und sollen bis Ende des Jahres auch nach dem Projektabschluss implementiert werden.

Gesetzte Ziele erreicht

Das Projekt wurde schlussendlich um 1,5 Jahre verlängert, um trotz der Pandemieeinschränkungen die gesetzten Ziele zu erreichen und abschließend kann man sagen: Alle Ziele wurden erreicht. Das Ausbildungskonzept wurde von staatlicher Stelle zertifiziert und in nationale Ausbildungsprogramme integriert. Absolventen der Trainings sind nach Ablegung einer kommissionellen Prüfung zertifizierte Experten und mehr als 1 500 Teilnehmer wissen, welche Potenziale Solare Prozesswärme für industrielle Prozesse (SHIP) bietet. Die vorgeschlagenen Konzepte zur Förderung solarer Prozesswärme und industrieller thermischer Energieeffizienz mündeten in konkrete Förderprogramme und die Anerkennung und Anrechnung umgesetzter Maßnahmen zur Erreichung gesetzter Klimaziele. Das Bewusstsein für die Nutzung von Solarenergie zur Versorgung des thermischen Bedarfs in Industrieunternehmen wurde nicht zuletzt durch die Vielzahl erreichter Umsetzungen nachhaltig verankert. Und auch Banken und Investoren wurden auf die Möglichkeiten aufmerksam und widmen sich Geschäftsmodellen zur Unterstützung der Umsetzung. Die entwickelten Unterlagen, Webinare und Videos stehen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung und werden über die UNIDO und nicht zuletzt über das Netzwerk von AEE INTEC genutzt und verbreitet. Anzuführen sind hier die Teilnahme am IEA SHC Task 64 zu solarer Prozesswärme sowie UNIDO-Projekte in Ägypten und auch im südlichen Afrika (SOLTRAIN). Solare Prozesswärme ist ein wichtiger Bestandteil der Dekarbonisierung und dass das auch wirtschaftlich möglich ist, hat AEE INTEC mit den Partnern gezeigt.

Erfolgreiche Absolventen. Foto: AEE INTEC

Das Projekt wurde von der United Nations Industrial Development Organisation – UNIDO beauftragt. www.unido.org

Autor

Dipl.-Ing. Jürgen Fluch ist Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Twitter: @Juergen_Fluch

Quellen

1 National Energy Balance Report, 2016, Energy Commission-Malaysia

2 ECOHEATCOOL (IEE ALTENER Project), The European Heat Market, Work Package 1, Final Report published by Euroheat & Power (https://www.euroheat.org/resource/ecoheatcool-european-heating-and-cooling-market-study.html)

Weiterführende Informationen

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